Warum Hafer (fast) so wirksam ist wie Medizin

Da kein Brot damit gebacken werden kann, essen wir Hafer meist in Form von Flocken. Foto: iStock
Im Müesli sind sie das, was auch noch drin ist: Es sind kaum die Haferflocken, wegen denen es uns schmeckt, sondern Früchte, Joghurt oder vielleicht sogar Schlagrahm. Die Flocken sind der unscheinbarste Teil. Dabei sind sie der beste Bestandteil eines Birchermüeslis. Denn Hafer gilt nicht nur als das gesündeste Getreide, sondern sogar als eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt. «Seine einzigartige Zusammensetzung macht Hafer zu einem optimalen Lebensmittel an kranken und gesunden Tagen», schreibt die Ärztin Franziska Rubin in ihrem Buch «Heilen mit Lebensmitteln».
In Haferflocken stecken viel Eiweiss, verschiedene B-Vitamine (B1, B2, B6, B7 bzw. Biotin), Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium und Phosphor, Spurenelemente wie Eisen, Zink und Silizium sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Saponine, Proteaseinhibitoren, Avenanthramide und Phytoöstrogene. Das klingt schon fast so, als ob es zu einer Haferflockenpackung einen Beipackzettel brauchen würde, aber vor Nebenwirkungen muss man sich da kaum fürchten. Sogar Gluten ist in Hafer nur in Spuren vorhanden, und es gibt auch glutenfreie Flocken. Der Nachteil dabei: Man kann mit Hafermehl allein nicht backen, da der Kleber fehlt.
Was aber bringen uns all die Stoffe, die im Hafer stecken? Hier nur eine Auswahl der Wirkungen, die das Getreide, das wir in der Regel als Flocken zu uns nehmen, auf unseren Körper haben kann:
Abnehmen: Haferflocken – übrigens immer ein Vollkornprodukt, da es durch das Walzen der ganzen Körner (ergibt grobe Haferflocken) oder zerkleinerten Körner (feine Haferflocken) entsteht – haben einen grossen Anteil an Ballaststoffen. Dadurch sättigen sie gut und nachhaltig, und dadurch isst man automatisch sonst weniger. Dieser Effekt wird durch Studien belegt.
Cholesterin: Der Ballaststoff Beta-Glucan wirkt nicht nur sehr sättigend, sondern senkt nachgewiesenermassen auch das «böse» LDL-Cholesterin.
Blutzucker: Eine Haferkur verhilft Diabetes-Patienten zu einem ausgeglichenen Blutzucker- und Insulinspiegel. Die Wirkung dieser schon vor über hundert Jahren vom deutschen Arzt Carl von Noorden entwickelten Kur wird durch neue Studien bestätigt.

Franziska Rubin: «Heilen mit Lebensmitteln. Meine Top 10 gegen 100 Krankheiten». ZS-Verlag, München 2019.
Magen-Darm: Hafer ist sehr bekömmlich für Magen und Darm. Vor allem die Ballaststoffe wirken vorbeugend gegen Verdauungsbeschwerden und Darmerkrankungen. Dass Haferkleie gegen Verstopfung hilft, zeigen verschiedene Studien mit alten Menschen. Mit etwas Wasser zerkaute Haferflocken helfen laut Franziska Rubin zudem auch bei akutem Sodbrennen.
Blutdruck: Hafer enthält verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe, darunter Avenanthramide. Diese Polyphenole können, wie die neuere Forschung zeigt, den Blutdruck senken.
Haut und Haar: Zu den B-Vitaminen im Hafer zählt B7, auch als Biotin bekannt. Dieses sorgt für schönes Haar, gesunde Haut und feste Nägel. Hafer kann auch äusserlich angewendet werden. Eine Haferflocken-Auflage helfe bei gereizter Haut, schreibt Franziska Rubin, ein Bad mit Haferkleie gegen juckende und trockene Haut und Bäder mit Haferstroh gegen Hautausschläge und Neurodermitis.
Nerven: Die Vitamine B1 und B2, die in Hafer reichlich vorkommen, sind nachgewiesenermassen wichtig für das menschliche Nervensystem. In der Naturheilkunde wird laut Franziska Rubin zudem bei nervösen Erschöpfungszuständen und Angst Hafertee aus grünem Hafer empfohlen.
Alzheimer: Sogar das Alzheimerrisiko können die unscheinbaren Flocken reduzieren. Studien vermuten, dass dafür Silizium verantwortlich ist.

Tanja Grandits: «Tanjas Kochbuch. Vom Glück der einfachen Küche». AT-Verlag, Aarau 2018.
Dass Hafer für weit mehr als nur als Pferdefutter taugt, ist sicher. Doch wie nimmt man das Getreide am besten zu sich? Am einfachsten und auch sehr schmackhaft ist das Korn als Haferflocken in Birchermüesli zu geniessen. Das Müesli kann sich jede und jeder nach eigenem Gusto aromatisieren, etwa mit Früchten und Beeren, aber auch Gewürzen wie etwa Zimt. Haferbrei, der etwa bei Darmproblemen empfohlen wird, hat für mich jedoch eher den Charakter von bitterer Medizin.
Manche mögen Riegel und Guetsli mit Haferflocken, mir sind solche meistens zu trocken. Wenn schon trocken, mag ich die Flocken geröstet in einem guten Granola. Da fertig gekaufte Mischungen oft überzuckert sind oder sonst etwas enthalten, was ich nicht mag, habe ich kürzlich angefangen, Granola selber zu machen.
Ich halte mich dabei an ein Rezept in «Tanjas Kochbuch», in dem die Schweizer Spitzenköchin Tanja Grandits ihre Alltagsrezepte verrät. Dieses Granola hält sich in einem luftdicht verschlossenen Glas mehrere Woche, und so habe ich am Morgen, zusammen mit einem Joghurt, blitzschnell ein gesundes Zmorge auf dem Tisch.
15 Kommentare zu «Warum Hafer (fast) so wirksam ist wie Medizin»
Hafermilch/Hafercreme ist eine ausgezeichnete Alternative zu Milch und Rahm. Es können ausgezeichnete Saucen damit gemacht werden und ein Hit ist wirklich die Urtinktur „Avena Sativa“ für allerlei Richtung Erschöpfung, Trauer, Schock…Hafer beruhigt und stärkt.
Danke für die wirklich wichtige Bedeutung, die Du dem Hafer eingeräumt hast in Deinem Blog liebe Silvia
Ich verstehe diese negativen Kommentare nicht. Frau Aeschbachs Studie ist breit abgestützt und Hafer hat sich über Jahrhunderte bewährt. Da kann man googeln solange man will. Nicht umsonst wird das Getreide auch an Pferde verfüttert.
Reiner Hafer ist jedenfalls von allen künstlich gesüssten Müeslis und Crunchies vorzuziehen. Die Zutat von Zimt wirkt regulierend auf den Blutzuckerspiegel und beugt dem schädlichen Jo-Jo Effekt vor.
Liebe Frau Aeschbach. Diese Angaben sind wissenschaftlich nicht ganz haltbar. Beispielsweise erwähnen Sie, dass Silizium im Hafer möglicherweise gegen Alzheimer wirken könnte. Die Studie bezieht sich aber auf Silizium in Trinkwasser. Daraus kann nicht einfach geschlossen werden, dass Silizium in Hafer die gleiche Wirkung hat. Silizium gibt es beispielweise auch in Steinen und zwar in Millionenfach höherer Konzentration als in Hafer. Es wäre aber völlig aus der Luft gegriffen, Steinpulver gegen Alzheimer zu empfehlen. Diese Art von Fehlschlüssen hat auch dazu geführt, dass Jahrelang Milch gegen Osteoporose empfohlen wurde, obwohl inzwischen feststeht, dass das Calcium aus der Milch nichts gegen Osteoporose nützt.
Die Thematik „Gesundheit“ scheint die Autorin in ihren Bann gezogen zu haben, seit geraumer Zeit ist nur noch von dem die Rede in ihren Blogs, was uns bzw. unserer Gesundheit förderlich ist. Ich frage mich aber, ob es nicht „gesünder“ wäre, wenigstens von Zeit zu Zeit den Blick über die grosse weite Welt schweifen zu lassen – denn sie umfasst viel mehr als nur alternde Körper. Mir ist, meine ich, als ob die Antriebskraft all dieser (an sich sehr interessanten) Blogs die nackte Angst wäre zu erkranken bzw. die (illusionäre) Hoffnung auf ein ewig gesundes Leben.
Da es nach der aktuellen Lehrmeinung keine körperliche Gesundheit gibt, befassen sich Artikel, welche auf Körperlichkeit oder auf Krankheiten abheben, explizit nicht mit Gesundheit. Gesundheit ist eine sozio- kulturelle Kategorie – Wohlbefinden auf individueller und/ oder Bevölkerungsebene – ohne biologische oder psychologische Dimension.
Lieber Sonusfaber
Nicht nur mich interessieren Themen, die gesundheitsförderlich sind. Und wie Sie sehen, teilen rund 93 Prozent der Leser und Leserinnen dieses Blogs meine Meinung. Aber ich nehme mich gerne auch wieder anderen Themen an. Danke für den Input!
Es sind nicht 93% jener, die den Blog lesen, sondern 93% jener, die abstimmen.
Keine Nebenwirkungen? Ich kriege von Hafer regelmäßig Sodbrennen. Diese „gesunde Nahrungsmittel“-Artikel sind in der Regel nichts als Schrott. Weil man ein paar Inhaltsstoffe eines Nahrungsmittel aufzählen kann, sagt das noch lange nichts über deren Wertigkeit aus. Hafer hat also Eiweiß drin…. Welches pflanzliche Nahrungsmittel bitteschön nicht? Welche Pflanze birgt NICHT hunderte bis tausende von verschiedenen chemischen Verbindungen auf, die biologisch wertgebend sind? Na also.
Fast immer wenn in der heutigen Zeit etwas extrem (positiv oder negativ) gehypt wird, stecken zwei Motivationen dahinter: Finanzielle (die eigene Firma, das eigene Buch, ein grosszügiger Sponsor, etc.) oder religiöse (wobei unter Ersatz-Religionen auch Lifestile, Ernährung, Gesundheit und Fitness gehören).
Sicher macht es Sinn, sich der positiven Aspekte von Hafer bewusst zu sein und dies ein- bis mehrmals pro Woche im Menüplan zu berücksichtigen.
Hingegen ist es fragwürdig, Hafer als Superfood zu deklarieren und mehrmals täglich als Milch-Ersatz, Fleisch-Ersatz, Power-Riegel und Müsli zu konsumieren.
‚Superfood‘ ist keine biologisch interpretierbare Kategorie. Man kann sich aussuchen, ob eher Esoterik oder PR.
‚…wirksam ist wie Medizin‘
Was soll man sich darunter vorstellen? Wie wirkt Medizin?
Mit Sicherheit aber kann ich sagen, dass derzeit niemand weiss, wie man das Alzheimer- Risiko auch nur bestimmt, geschweige denn, wie man es senken könnte. Vermutlich wird das auch niemals möglich sein.
Liebe Silvia
Bitte lesen Sie Bas Kast. Er geht mit gutem Beispiel voran. Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie ihre Punkte mit guten Studien unterstreichen und dabei bedenken, dass eine Studie mit nur 12 Probanden schlecht die Allgemenheit repräsentiert und schlussendlich sollte immer noch ein signifikanterer Unterschied erkennbar sein…
Liebe Luisa
Ich habe Bas Kast nicht nur gelesen, sondern ihn für tagesanzeiger.ch auch interviewt. Und was die Studien betrifft, so habe ich vier verschiedene verlinkt. Herzlich Silvia
1) Das Problem beim Studien zitieren ist für Laien die Relevanz einzuschätzen. „… haben einen grossen Anteil an Ballaststoffen. Dadurch sättigen sie gut und nachhaltig, und dadurch isst man automatisch sonst weniger. Dieser Effekt wird durch Studien belegt.“ Die verlinkte Studie behandelt die Viskosität und Beta-Glucan-Struktur. Beides hat nichts mit dem Anteil von Ballaststoffen oder Vollkorn zu tun.
„Der Ballaststoff Beta-Glucan wirkt nicht nur sehr sättigend, sondern senkt nachgewiesenermassen auch das «böse» LDL-Cholesterin.“ Dann folgt nicht eine Studie, sondern eine Meinungsumfrage unter Forschern, bezahlt von CreaNutrition AG.
2) „Sogar das Alzheimerrisiko können die unscheinbaren Flocken reduzieren. Studien vermuten, dass dafür Silizium verantwortlich ist.“ Dann folgt eine Studie, die das Risiko einer Alzheimererkrankung mit dem Aluminium- und Silizium-Gehalt im Wasser vergleicht. „Eine Haferkur verhilft Diabetes-Patienten zu einem ausgeglichenen Blutzucker- und Insulinspiegel. Die Wirkung … wird durch neue Studien bestätigt.“ Es geht ausschliesslich um Diabetes Typ 2, bei Typ 1 ist Hafer wirkungslos. Die Studie ist 15 Jahre alt (seither gibt es Dutzende mit teilweise gegenteiligen Aussagen), mit nur gerade 12 Probanden und einer durchschnittlichen Senkung von 1.6 mmol/l. Das ist – gelinde gesagt – ein Nasenwasser bei Diabetikern und sicher kein „ausgeglichener Blutzucker- und Insulinspiegel“