Ein Jahr Leben mit Magenbypass

Weniger Gewicht, ein neues Essverhalten und mehr Selbstliebe: Unsere Bloggerin erzählt, was sich seit ihrer Magenverkleinerungs-OP verändert hat.

Mit einem Magenbypass nimmt man nicht nur ab – auch andere Dinge verändern sich. Foto: iStock

Wie kann ich in einem kurzen Blogpost ausdrücken, wie viel sich in den 12 Monaten seit meiner Magenverkleinerungs-OP verändert hat und was dies im Alltag bedeutet? Eine klassische Art, eine Veränderung visuell auszudrücken, sind Vergleichsbilder – doch diese erzählen meiner Meinung nach nur die halbe Geschichte.

Ein Vergleichsbild erzählt zum Beispiel nicht, welche Auswirkungen das letzte Jahr auf meine Gesundheit hatte: Mein Ruhepuls ist um rund 35 Schläge gesunken. Ich brauche keine Bluthochdruck-Tabletten mehr. Mein Diabetes Typ 2 ist in Remission. Der Körperfettanteil hat sich zugunsten des Muskelanteils verändert, und die Gelenkschmerzen, die mich früher immer wieder plagten, sind weg.

Das Vergleichsbild erzählt auch nicht die Geschichte von den unzähligen Momenten im täglichen Leben, in denen ich an mein leichteres Dasein erinnert werde: Wenn ich leichtfüssiger vom Boden aufstehe etwa. Oder wenn ich auf ein Tram renne und danach kaum ausser Atem bin. Bei jeder Treppe spüre ich, dass weniger Gewicht auf meinen Körper einwirkt. Und wenn ich im Training Übungen mache, die vor einem Jahr noch ein riesiger «Chrampf» waren, merke ich, wie sie mir heute immer leichter fallen.

Fotos: Privat

Einen Aha-Moment erlebte ich im Herbst beim Wandern, als ich mein Gottimeitli auf den Schultern trug und sie danach wieder auf den Boden setzte. Meine Erleichterung darüber, dieses Zusatzgewicht nicht mehr tragen zu müssen, verbildlichte mir für einen kurzen Moment, wovon mein Körper jetzt jeden Tag profitiert. Auch die innere Freiheit, Wanderungen planen zu können, bei denen es 800 Höhenmeter zu überwinden gilt, ist absolut unbezahlbar.

Jahrzehntealte Gewohnheiten ablegen

Was ein Vergleichsbild auch nie erzählt, ist die Geschichte der mentalen Veränderung. Für mich persönlich der Punkt, der mich fast mehr beschäftigt als die körperlichen Aspekte. Immer wieder höre ich Aussagen wie «Mit einem Magenbypass hast du den leichten Weg zum Abnehmen gewählt, da geht alles ja wie von selbst». Diese Wertung von Aussenstehenden finde ich immer spannend, denn niemand, der diesen Weg nicht selber gegangen ist, weiss, was wirklich alles dazugehört.

Ein solcher Eingriff verändert alles. Du wirst gezwungen, jahrzehntelang kultivierte Essgewohnheiten von einem Tag auf den anderen komplett umzustellen. Es finden hormonelle Umstellungen im Körper statt; man wird sprichwörtlich dünnhäutiger, wenn der Schutzpanzer um einem herum wegschmilzt. Und die Menschen reagieren plötzlich anders auf einen.

Diese Liste liesse sich endlos fortsetzen. Veränderungsprozesse sind nie isoliert, man nimmt nicht einfach nur ab. Das persönliche Umfeld kann sich wandeln, Lebensinhalte und berufliche Perspektiven können sich verändern, und es gibt bei mir Tage, an denen ich mich selbst kaum mehr erkenne. Auch damit gilt es umzugehen in diesem Prozess.

Arbeit an der Selbstakzeptanz

Meine grösste Veränderung der letzten 12 Monate war sicher mein Umgang mit mir selbst. Die Person links auf dem Bild war geprägt von einem starken Selbsthass und mangelndem Selbstrespekt. Ich verurteilte mich pausenlos dafür, willenlos zu sein, und gab mir selbst nicht viel positiven Zuspruch. Und natürlich ändern sich diese Vorgänge im Kopf auch nicht über Nacht durch eine Operation am Magen. Diese innere Arbeit am Mindset, an der Selbstakzeptanz und vor allem daran, dass man selber so viel mehr ist als nur die Kilos auf der Waage, fordert ebenfalls ganz schön heraus.

Für mich war im vergangenen Jahr die allerbeste Investition, mich in diesem Prozess von meinem Personal Trainer und Transformationscoach Steve Husistein begleiten zu lassen. Er unterstützte mich auf dem Weg die Rigi hoch und fing mich in manchen Momenten der Überforderung auf. Dabei wuchs auch ein neuer Wunsch in mir: Ich möchte als Coach selbst Menschen in solchen Veränderungsprozessen begleiten, sie in Bewegung bringen – körperlich wie mental. Auch das war eine Entwicklung, die ich mir vor einem Jahr niemals so hätte träumen lassen.

Alle meine gemachten Erfahrungen im Zusammenhang mit dieser Operation in einem Blogbeitrag zusammenzufassen, ist nicht leicht. Natürlich können in dieser Zwischenbilanz nie alle Aspekte einfliessen. Eine mir häufig gestellte Frage möchte ich zum Abschluss jedoch noch beantworten: Würde ich den gewählten Weg wieder einschlagen? Die Antwort ist ein klares Ja. Ich freue mich auf ein noch gesünderes, noch leichteres und vor allem noch erfüllteres Dasein – und darauf, was ich auf diesem Weg noch alles entdecken darf.

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6 Kommentare zu «Ein Jahr Leben mit Magenbypass»

  • Doris sagt:

    Es ist schön, Frau Baumann, dass Sie so offen darüber berichten. Und ja, es ist nicht einfach nur easy mit dem Magenbypass. Nur Unbedarfte sehen das so aus ihrer engen Sicht und ohne eigene Erfahrung. Es ist ein längerer Weg. Ganz viel Mut und Freude weiterhin. Das wünsche ich Ihnen und es guets Nöis. Vielleicht gibt es wieder mal einen Bericht vom Lauftraining?

    • Alexandra sagt:

      Liebe Doris

      Auch Ihnen von Herzen „es guets Nois“ und danke für Ihre Worte. Es ist definitiv noch ein längerer Weg, aber ich freue mich auch auf darauf, ganz viel Neues zu erleben.

      Ich werde in den nächsten Tagen auf meinem eigenen Blog (www.lebenmitmagenbypass.com) tatsächlich ein Update über meine Trainings veröffentlichen, vielleicht mögen Sie mal reinschauen?

      Alles Gute und herzliche Grüsse
      Alexandra

  • ABCDEFG sagt:

    Einen herzlichen Glückwunsch zum begonnenen Weg!

  • Bärbel John sagt:

    Ich habe nun 2 Jahre Magenbypass hinter mir und 2 Jahre harte Arbeit an meinem „Ich“ mit einem Psychologen.
    Ja, Magenbypass erleichtert das körperliche Abnehmen – Nein, Magenbypass ist nicht der einfache Weg.
    Dennoch: freuen Sie sich auf all die Jahre, die jetzt kommen…

    • Alexandra sagt:

      Liebe Bärbel

      Danke für Ihre Zeilen – ja, es ist definitiv ein Weg, der auch einige Hürden bereit hält – doch ich durfte trotz allem schon sooo viel Lebensqualität dazu gewinnen, dass ich diesen gerne und mit Freude gehe.

      Auch für Sie weiterhin nur das Allerbeste!

      Liebe Grüsse
      Alexandra Baumann

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