Marie Kondo, was soll das?

Die Entrümpelungs-Queen sorgte weltweit für einen Aufräum-Boom. Nun sollen ihre Anhänger neuen Plunder ... ähh, ihre Produkte kaufen.

Überrascht ihre Fans mit einem eigenen Onlineshop: Die japanische Lifestyle-Queen Marie Kondo. Foto: Getty Images

Mit ihrem Aufruf, das eigene Heim zu entrümpeln, hat Marie Kondo vor einigen Jahren einen wahren Aufräum-Boom ausgelöst. In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen bewusst wurden, dass sie in ihrem Zuhause nicht nur unnötige Dinge horten, sondern auch immer wieder neue anhäufen, stellte die Japanerin die entscheidende Frage, welche eine weltweite Bewegung auslöste: «Macht dich das wirklich glücklich?»

Mit «das» waren Kleider, Haushaltsgegenstände, Möbel, Bücher, Briefe, Fotos und vieles mehr gemeint, alles Sachen, die sich über die Jahre halt so anhäufen. Weil es gar nicht so einfach ist, sich von lieb gewordenem Plunder zu trennen – man könnte ihn ja noch einmal brauchen –, stellte Kondo einen Leitfaden in sechs Schritten zusammen. Ihre Erfolgsmethode verpackte sie in drei verschiedene Bücher, die millionenfach verkauft wurden. Und die Tatsache, dass diese in gut drei Dutzend Sprachen übersetzt wurden und die Sauberfrau einen eigene Netflix-Serie bekam, zeigt, dass ein aufgeräumtes Zuhause ein weltweites Bedürfnis zu sein scheint.

Bedachter Kauf statt bedenkenlosen Konsums

So weit, so gut. Oder auch nicht. Denn jetzt überrascht, oder besser gesagt schockiert Marie Kondo selbst ihre eingefleischten Fans mit der Eröffnung ihres eigenen Online Stores. Hier verkauft die 35-Jährige so lebenswichtige Dinge wie eine Stimmgabel inklusive Rosenquarz (ca. 80 Fr.) – zwecks Säuberung der heimischen Atmosphäre. Eine Art Teekelle aus Kupfer (ca. 60 Fr.) und eine Bürste mit Buchenholzgriff für die Reinigung des Computers. Vor allem auf Twitter wurde die Bestsellerautorin beschimpft, mit Statements wie: «Nachdem sie unzählige leichtgläubige Menschen mit ihrem Unsinn einer Gehirnwäsche unterzogen hat, will sie jetzt, dass diese ihre Häuser mit ihrem eigenen überteuerten Müll wieder auffüllen.»

Auf den ersten Blick gesehen könnte dies wirklich eine Strategie sein. Aber irgendwie scheint sie doch zu simpel für die clevere Geschäftsfrau. So ruft Kondo auf ihrer Website Konmari ja auch nicht zum gedankenlosen Konsum auf, sondern zum bedachten Kauf. Die Produkte, die sie verkauft, seien «langlebig und von bester Qualität». Quasi Freunde fürs Leben. Nun stellt sich allerdings die Frage, ob die antistatische Computerbürste aus 100 Prozent Ziegenhaar wirklich ein Glücksbringer ist. Denn nach der Konmari-Methode müsste sie das ja sein, um einen Platz im Haushalt beanspruchen zu dürfen.

Jade-Eier und Rosenquarz-Stimmgabel

Kondo beantwortet diese Frage damit, dass ihr Angebot aus ihren «Lieblingsdingen» bestehe. Durch tägliche Rituale könnten diese zu einem «freudigen Lebensstil» verhelfen. Hier drängt sich der Vergleich mit einem anderen, weiblichen «Lifestyle-Guru» auf: Auch Gwyneth Paltrow preist auf ihrer Website Goop des Öfteren fragwürdige Produkte an, die oft aus dem Esoterikbereich stammen. Letztes Jahr erreichte ein Jade-Ei fragwürdige mediale Berühmtheit, das, in die Vagina eingeführt, die weibliche Energie verstärken sollte. Damit hatte sich Paltrow allerdings im wahrsten Sinne des Wortes ein Ei gelegt. Weil sich am porösen Material des Edelsteins Bakterien ansammeln, die gesundheitsschädliche Auswirkungen haben könnten, musste Paltrow die Jade-Eier nicht nur aus ihrem Shop entfernen und den Käuferinnen das Geld zurückzahlen, sondern auch eine Strafe von 120’000 Dollar leisten.

Marie Kondos Stimmgabel, inkusive mitgelieferten Rosenquarzes, hat zwar keine gesundheitsschädliche Wirkung, aber wie sinnvoll ein weiterer überflüssiger Kauf für unsere Psyche ist, ist nicht abschliessend geklärt. Aber die japanische Lifestyle-Queen wird dafür in ihrem nächsten Buch sicherlich eine logisch klingende Erklärung parat haben.

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8 Kommentare zu «Marie Kondo, was soll das?»

  • Hans Minder sagt:

    Bei solchen Artikeln stelle ich mir immer die Frage, wie deren Inhalte in ärmsten Ländern aufgenommen würden. Herr und Frau Erstweltler bezahlen also Geld für Bücher, um zu erlernen, wie absolut funktionstüchtige Dinge weggeworfen werden können….um dann scheinbar glücklicher zu sein. Solche beispiellose Dekadenz ist ein sicheres Zeichen, dass unsere Erst-Welt-Kultur bald untergehen muss.

    • Demetria sagt:

      Nicht nur diese. Wenn man mal auf Sozialhilfe gelebt hat oder sich mit drei Jobs in der Gig-Economy gleichzeitig abgemüht hat, kann man nicht mehr in die Migros ohne ein flaues Gefühl im Magen: das ist nicht für mich, das ist nur für die Mittelschichtler die aus intakten Familien kommen. Dann geht man heim, bemerkt dass alles was man hat Dinge sind, die andere weggeworfen haben und denkt sich dass man ein Versager ist. Am Besten ist Weihnachten, wenn die Welt einem durch Blicke klar macht, dass man ein Geizhals ist, weil man mit etwas Selbstgemachten kommt, statt wie die Andern stolz einen grossen Geldschein in den Spendentopf zu werfen. Ich könnte mich dann immer unter einem Stein verkriechen. Gut dass es für mehr als ein Glas Glühwein eh nicht reicht, dann ist man schnell wieder weg.

  • Anh Toàn sagt:

    „Die Produkte, die sie verkauft, seien «langlebig und von bester Qualität». Quasi Freunde fürs Leben.“

    Sowas ist perfekt, ist ja ganz sicher auch ganz schön teuer, um es jemandem zu schenken, den man eigentlich nicht mag, aber dennoch immer mal wieder besuchen muss: Es gibt keine Entschuldigung für den Gastgeber, dieser Stimmgabel, nicht einen angemessenen Platz im Heim zu gewähren. Und als Besucher kann ich mich über die Vorstellung amüsieren, wie der Gastgeber die immer wieder hervorholen und nachher wieder wegräumen muss. Solange sich unsere Wege nicht endlich trennen, bleibt die Stimmgabel mein Freund.

  • Michael Sold sagt:

    Es braucht diese Frau gar nicht. Wer richtig überlegt und sich fragt wie oft er die Dinge vom Keller oder Estrich wirklich braucht, Jan ohne die Frai aufräumen. Und viele Geräte im Haushalt waren schon beim Kauf überflüssig. Aber Kleidern sollte nan drauf machten was man will und braucht. Lieber ein 3 teiliger Anzug klassisch (massgschneidert) und europäische Stoffe für weniger als 900 Euro, dafür lange haltbar oder öfters billiger Ramsch aud Fernost. Wir überlegen ganz genau was wir brauchen, aber die Frau will Probleme lösen und verdient mit nichts Millionen. Dabei haben wir due Probleme nur wenn wir unnützes Zeug kaufen. Aber seien wir Ehrlich: manchmal braucht man ein Schnäppchen. 🙂

  • Hannes H. Müller sagt:

    Das ist Kreislaufwirtschaft: Kaufen, fortwerfen, kaufen, fortwerfen ..

  • Adrian Wehrli sagt:

    Für Herdentiere. Damals und heute.

  • Daniel sagt:

    Ein Hype, das ist alles. Nutzloses verkauft auch sie. Modeerscheinung. um Geld zu verdienen. Nicht mehr.

  • Oliver van der Waerden sagt:

    Ihr Aufräumsystem ist super, da hat sie wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Den Online Shop braucht es dafür nicht. Deswegen braucht man sich nicht so aufzuregen.
    „Gross ist nicht alles, was ein Grossmann tut
    und Galilei ass gern gut.“
    (Brecht)

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