Macht Fussball dement?

Gehirnerschütterungen sind im Fussball keine Seltenheit. Die möglichen Spätfolgen können dramatisch sein.

Meistens betreffen Verletzungen im Fussball die Beine, aber manchmal trifft es auch den Kopf: Chelsea-Spieler Olivier Giroud mit Kopfbinde. Foto: Reuters

Keine Woche ohne Meldungen über Rambazamba auf einem Fussballfeld. So wurde kürzlich bei einem Kreisligaspiel in Hessen ein Schiedsrichter von einem Spieler niedergeschlagen, nachdem dieser zuvor mit einer Gelb-Roten Karte vom Platz geschickt worden war. Der Schiri blieb bewusstlos liegen und musste mit einem Helikopter ins Spital geflogen werden. Dieser Vorfall ist nur eine von vielen Horrorverletzungen, die sich Menschen im (Profi-)Fussball 2019 zugezogen haben.

Noch immer sind Oberschenkel, Knie, Knöchel und Sprunggelenke am häufigsten betroffen, aber die Fälle von Gehirnerschütterungen nehmen jährlich zu. In der Deutschen Bundesliga hat sich ihre Zahl in den letzten sieben Jahren mehr als verdoppelt. Dies zeigt die Statistik von fussballverletzungen.com. Darum fordert die Uefa ein neues Verfahren bei Verdacht auf Gehirnerschütterungen.

Dass Kopfverletzungen bei ehemaligen Profifussballern auch der Grund für neurologische Krankheiten sein könnten, war lange nur eine Vermutung. Doch dies scheint sich zu bestätigen. So berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie, dass eine Studie bei ehemaligen Fussballprofis «signifikant häufiger Fälle von Morbus Alzheimer, Parkinson sowie anderen Demenzerkrankungen» festgestellt habe als bei einer nicht fussballspielenden Kontrollgruppe. Die im renommierten «New England Journal of Medicine» veröffentlichte Studie zeigt, dass dabei nicht nur ein paar Einzelfälle untersucht wurden, sondern stattliche 7676 ehemalige Profis aus Schottland. Von diesen starben während der Studie 1180, also 15,4 Prozent. Die Kontrollgruppe umfasste mehr als 23’000 Nichtfussballer, von denen in der gleichen Zeit 16,5 Prozent verstarben.

Die Untersuchung der Todesursachen zeigte bei den Fussballern mit 1,7 Prozent eine deutlich häufigere «neurodegenerative Hauptursache auf dem Totenschein» als bei der Kontrollgruppe, in der diese Diagnose nur bei 0,5 Prozent der Verstorbenen gestellt wurde. Bei 0,8 Prozent der Fussballer wurde Alzheimer als Todesursache vermerkt, aber nur bei 0,2 Prozent der Nichtfussballer. Über die Gründe könne jedoch nur spekuliert werden, etwa «ob Kopfbälle und Schädel-Hirn-Traumas zu einem höheren Risiko an neurodegenerativen Erkrankungen führen können», schreibt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.

Alzheimer oder Depression?

Aber stimmen diese Demenzdiagnosen wirklich immer? In letzter Zeit gibt es immer wieder Berichte darüber, dass eine vermeintliche Demenzerkrankung tatsächlich «nur» eine Depression sein kann. «Bestimmte Anzeichen im Blut» könnten den Unterschied beweisen, heisst es in einer Zusammenfassung einer Studie beim Deutschen Gesundheitsportal. «Bei solchen Patienten könnte eine wirksame Behandlung der Depression zu einer spürbaren Besserung der Demenzsymptome führen.»

Ob Alzheimer oder eine Altersdepression vorliegt, zeigen neurologische Tests. Foto: iStock

In einer anderen Studie stellten Forscher der Universität Rom ebenfalls fest, dass die Symptome von Alzheimer und von Altersdepression sehr ähnlich sein können. Eine klare Unterscheidung könne anhand der Rückenmarkflüssigkeit getroffen werden, wo sich deutliche Unterschiede in der Menge von Beta-Amyloid, zwei spezifischen Proteinen, zeigen würden.

Die unterschiedlichen Diagnosen wurden in dieser Studie im längerfristigen Vergleich bestätigt: Bei den Alzheimerpatienten zeigte sich in der zweijährigen Beobachtungsphase ein messbarer weiterer Abbau der Denkleistung, während sich bei den Menschen mit Altersdepression dank der Behandlung der Depression die Denkleistung wieder verbesserte. Zu viel Hoffnung, dass es sich bei einer Demenzdiagnose vielleicht doch «nur» um eine Depression handeln könnte, sollten sich Angehörige jedoch nicht machen. In den meisten Fällen stimmt die Diagnose eben doch.

Neue Hoffnung für Patienten und Angehörige

Dass man sich an jede Hoffnung klammert, liegt auch daran, dass Demenzerkrankungen ab einer gewissen Entwicklung kaum mehr wirksam behandelt werden können. Neue Hoffnung wecken jetzt aber aktuelle Meldungen über ein neues Medikament aus China zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Alzheimererkrankungen. Der auf Algen basierende Stoff ist das erste neue Medikament gegen Alzheimer seit 17 Jahren.

Eine klinische Studie hat laut dem Fachmagazin «Cell Research» die positive Wirkung des Medikaments gezeigt. In China soll es laut dem Pharmaunternehmen Green Valley in Schanghai «sehr bald» auf den Markt kommen, und für nächstes Jahr sind klinische Studien in den USA und in Europa geplant, um das Medikament international vermarkten zu können.

Laut der Deutschen Alzheimer Forschung Initiative (AFI) ist es erwiesen, dass bestimmte Algen gegen Alzheimer wirksam sind; sie unterstützt deshalb auch ein entsprechendes Forschungsprojekt. Wenn Alzheimer und Demenz in den nächsten Jahren erfolgreich behandelbar würden, wäre dies eine medizinische Sensation und der grösste Wunsch vieler Betroffenen und deren Angehörigen.

10 Kommentare zu «Macht Fussball dement?»

  • Vierauge sagt:

    das Symbolbild passt nicht zum Text. Mit einer Kopfbinde behandelt man Platzwunden, keine Gehirnerschütterung.

  • Chris Fogg sagt:

    Was für eine Frage! Schaut euch doch diese Fussballer an. Dann ist die Frage beantwortet. Jedenfalls nicht förderlich für den IQ!

  • graf beat sagt:

    Wo nicht viel vorhanden ist, kann auch nicht viel beschädigt werden.

  • romeo sagt:

    Ja, Fussball macht dement. Vor allem die Zuschauer.

  • Ralf Schrader sagt:

    Es gibt keinen Hinweis darauf, Demenz in den verschiedenen Formen wäre eine Krankheit. Nach allen bisherigen Erkenntnissen ist Demenz eine normales Symptom des Alterns und kann und darf nicht verhindert werden. Es ist gut und wichtig, dass Menschen altern und sterben und das auch nicht zu spät. Keine Gesellschaft braucht eine Gerontokratie.

    • Stefan sagt:

      Tönt schon irgendwie makaber, Herr Schrader. Aber Sie haben doch sowas von Recht. Was ich nicht verstehe ist die Tatsache, dass sobald Alzheimer diagnostiziert worden ist, ein Abtreten mit Exit nicht mehr möglich ist. Wenn ich die Diagnose erhalte, bin ich noch urteilsfähig. Erst mit der Zeit nimmt diese ab. Und wenn ich nach der Diagnose ausdrücklich bestimme, abzutreten sobald es krass wird, darf ich das nicht mehr. Auch wenn ich es noch so schriftlich festgehalten habe. Zwei Gründe warum das so ist: Alzheimerkranke sind Geldmaschinen. Und in der CH ist Geld heilig, da quält man gerne Totkranke dafür. Der zweite Grund: irgendwelche religiöse Fanatiker die über MEIN Leben bestimmen wollen.

      • Maike sagt:

        Korrekt. Aus dem Grunde sollte man, wenn man noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, ein Dokument hinterlegen, das einem das selbstbestimmte Abtreten ermöglicht.

    • Bernhard PIller sagt:

      Es wäre einfach schön, wenn der Geist nicht schneller als der Körper altert. Wenn jemand mit 50 dement ist, dann ist dies eben nicht ein normaler Alterungsprozess.
      Gerontokratie bedeutet, dass die Alten an der Macht sind. Dies hat nichts zu tun mit der Tatsache, dass die Leute lange oder weniger lange leben.

    • Hans Minder sagt:

      @Stefan/Maike/Bernhard Piller
      Ihre Argumente steuern auf eine selbstbestimmte Gesellschaft zu, wie sie heute im Trend ist. Dieses Verhalten wird später von Jugend kopiert. Ein Jugendlicher kann dann sagen: „Mein Leben ist nicht mehr lebenswert, da ich nicht das Gehirn von Einstein habe und somit meine gesamte Freizeit in Mathe-Aufgaben investieren muss. Ich will ein genmanipuliertes Hirn, welches so gut ist wie jenes von Einstein, oder die Zustimmung der Eltern für meinen Freitod!! Lange Erklärungen über Demenz sei irreversibel und Mathe-Inkompetenz sei nur ein momentanes Defizit fruchten da wenig: Der Jugendliche fühlt sich in einer auswegslosen Sackgasse und sieht, wie die Erwachsenen ihren Ausweg selbst in die Hand nahmen. Wir Erwachsenen müssen ein starkes Vorbild sein

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