Zum Teufel mit den guten Vorsätzen!

In sentimental gefärbten Tagen und Nächten des verklingenden Jahres ist der Vorsatz «Jetzt wird alles ganz anders!» schnell gefasst. Foto: Murilo Folgosi (Pexels)

Zugegeben: Wenn der Bauch nach dem fünften Raclette/Fondue chinoise oder Tiramisù in Folge fast platzt, ist es einfach, sich idealistischen Vorstellungen hinzugeben. Denn schliesslich verliert jede Köstlichkeit im Übermass genossen ihren Reiz. Egal, ob es sich um geschmolzenen Käse, Weihnachtsguetsli oder den Braten der Schwiegermutter handelt.

Wer nach dem Schlemmen träge auf dem Sofa liegt – mehr Aktivität ist gar nicht mehr möglich –, der kann durchaus voll ehrlicher Inbrunst geloben: «Ab Januar stelle ich meine Ernährung auf Low Carb/Mittelmeerdiät/FdH … um, inklusive regelmässiger Bewegung.» Und da der Geist willig, das Fleisch jedoch bekanntlich schwach ist, sehen wir uns dann vor dem geistigen Auge lockeren Schrittes durch den Winterwald joggen oder schlank und rank im Bikini am Strand paradieren.

Und in den oft sentimental gefärbten Tagen und Nächten des verklingenden Jahres ist der Vorsatz «Im nächsten Jahr wird alles ganz anders!» schnell gefasst. Mehr Früchte und Gemüse, weniger Junkfood! Mehr Lesen, weniger Glotze! Mehr Aktivität, weniger Faulheit! Denn wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg.

Willkommen in der Sackgasse!

Kennen Sie jemanden – inklusive Sie selber –, die/der die hehren Silvestervorsätze länger als drei Wochen ins neue Jahr gerettet hat? Wohl dem, der nicht bereits im Dezember das teure Jahres-Fitnessabo gebucht und den neuen Bauch-weg-Trainer gekauft hat. Falls es nur bei (gebrochenen) Schwüren bleibt wie «Nächstes Jahr lerne ich endlich Französisch, damit ich in den Sommerferien an der Côte nicht immer wie ein Depp dastehe» oder «Ich muss jetzt endlich einen Kochkurs besuchen, so viele Pizzas, wie ich sie esse, können nicht gesund sein», hat man sich wenigstens noch nicht finanziell verausgabt. Auch wenn das Gefühl, einmal mehr gescheitert zu sein, auch kein wirklicher Aufsteller ist.

Keine Zigaretten mehr? Der innere Schweinehund mag keine Verbote. Foto: Ivandrei Pretorius (Pexels)

Die Studienlage bezüglich Vorsätzen ist ziemlich eindeutig: Je schwammiger und unrealistischer diese ausfallen, desto unwahrscheinlicher ist ihr Gelingen. Auch die negative Kopplung «Ich darf keine Süssigkeiten mehr essen», «ich muss endlich anfangen zu sparen», «ab morgen keine Zigaretten mehr» ist meistens kontraprodukiv. Dies, weil unser innerer Schweinehund bei Verboten gerne auf Trotz umschaltet. Frei nach dem Motto: Mir hat niemand zu befehlen, was zu tun ist!

21 Tage müssen reichen

Natürlich gibt es diese wenigen Menschen, die es schaffen, die gefassten Vorsätze in die Tat umzusetzen und diese auch beizubehalten. Aber den meisten von uns fällt es doch sehr schwer, schlechte Gewohnheiten zu verändern. Und wir schaffen es oft erst, wenn entweder der Leidensdruck oder die Motivation riesig ist.

Ein Vorschlag: Statt Vorsätze zu schmieden, könnten wir ja beginnen, Dinge in kleinen, aber regelmässigen Schritten zu verändern. Konkret, täglich, und ohne grosse Schwüre sich selber oder anderen gegenüber. Natürlich können Idealismus und positive Visualisierungen helfen, ein Ziel zu erreichen. Viel wichtiger ist ein gewisser Realitätssinn, wenn es darum geht, ehrlich zu hinterfragen, ob das Gewünschte überhaupt erreichbar ist, und ob eine Veränderung wirklich Sinn macht. Dafür braucht es keinen Silvester. Aber mindestens 21 Tage. Denn so lange braucht es, um neue Gewohnheiten im Gehirn zu verankern.

 

5 Kommentare zu «Zum Teufel mit den guten Vorsätzen!»

  • Peter Furger sagt:

    Vorsätze sind ja wohl nur etwas für Grenzdebile die sich offenbar nicht unter Kontrolle haben.

  • Maike sagt:

    Also ich passe meine Vorsätze ständig dynamisch an. Schliesslich verändere ich mich und meine Umwelt andauernd. Früher habe ich strikt abgelehnt, Zwiebeln zu essen und ABBA zu hören. Heute finde ich die Musik von ABBA toll und esse gerne Zwiebeln. Neue Dinge die kommen müssen doch bewertet werden, ob sie zu einem passen oder nicht. Und abhängig davon fasse ich Vorsätze, das ich nie solche Brillen mit diesen riesigen Gläsern oder Destroyer Jeans tragen werde. Und den Vorsatz, mich nie von diesen ganzen Hypes verrückt machen zulassen. In der Ruhe liegt die Kraft !

  • R. Wenger sagt:

    Vor vielen Jahrzehnten habe ich einen Vorsatz gefasst und eisern durchgehalten: Nie keine Vorsätze fassen.

    • Claude Fontana sagt:

      @ R. Wenger: Doppelte Verneinung: sie fassen also jedes Jahr neue Vorsätze? oder wiederholen sie die verfehlten vom letzten Jahr? Ich ertappe mich immer wieder beim Recycling. ich brauche also keine neuen vorsätze.

  • Ralf Schrader sagt:

    Ich habe mir vor 20 Jahren vorgenommen, nie wieder etwas zu ändern und das halte ich konsequent durch. Mit 40 Jahren spätestens sollte man sein Optimum gefunden haben, oder es ist etwas ganz gewaltig schief gelaufen im Leben.

    Ich mag Neues und Veränderung so überhaupt nicht und am meisten hasse ich Spontanes. 2019 wie genau wie 2018 oder 2000 und das ist gut so.

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