Medizinmythen und andere Märchen

Heisse Hühnersuppe kann wärmen. Doch ihre heilende Wirkung ist ein Mythos. (Foto: iStock)

Dass Hühnerbrühe gegen Erkältungen helfe oder Pasta doch nicht dick mache, dass Handys die Spermaqualität beeinträchtigten und Honig gesünder sei als Zucker – Aussagen dieser Art findet man tagtäglich in verschiedenen Medien und vor allem im Internet. Viele dieser Aussagen werden durch Hinweise auf entsprechende Studien untermauert.

Doch es gibt auch Studien, die «zeigen, dass über die Hälfte der Gesundheitsinformationen im Internet falsch, übertrieben, kommerziell gefärbt oder überholt sind». Das steht im ebenso kurzweiligen wie informativen Buch «Schokolade macht schlau und andere Medizinmythen», das von der deutschen Stiftung Warentest herausgegeben wurde und sich auf die Analysen des belgischen Zentrums für Evidenzbasierte Medizin (CEBAM) stützt.

Oft sei es so, dass Studien mit einem gewissen Dreh publiziert würden, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Während eine Studie über «die Auswirkungen von Alkohol auf das Suchtverhalten von Mäusen in einem Labyrinth» bei der Presse kaum auf Interesse stosse, seien die gleichen Resultate eine Meldung wert, nachdem sie von einer Public-Relations-Agentur aufbereitet worden seien und der Titel letztlich laute: «Champagner ist gut für das Gedächtnis».

Interessant ist, was sich gut verkauft

Aus solchen Überinterpretationen, die oft kaum noch den effektiven Erkenntnissen der Studien entsprechen, entstehen oft Medizinmythen, die sich im Internet rasch verbreiten und lange halten. Ein weiterer Hinweis, weshalb Studien oftmals überinterpretiert werden, ist neben dem «süffigen Verkauf» die Tatsache, dass sich viele dieser Studienergebnisse nur auf eine Handvoll Probanden beziehen.

Doch lösen wir die eingangs erwähnten Beispiele aus dem Buch kurz auf:

Hühnerbrühe hilft bei Erkältung

«Mit einer Tasse dampfender Hühnerbrühe ist man eine Erkältung schneller los», sagt eine alte Volksweisheit. Es gebe «keine einzige wissenschaftliche Studie zur Wirkung von Hühnerbrühe auf Erkältungsviren», heisst es dazu. Laborexperimente hätten wohl gezeigt, dass «Hühnerbrühe in einem Reagenzglas die Anzahl weisser Blutkörperchen, die bei Entzündungsprozessen ansteigt, vermindert». Da dies aber am Menschen nicht getestet sei, sei eine positive Wirkung auf die Dauer einer Erkältung nicht bewiesen.

Pasta macht nicht dick

Wissenschaftler wollen herausgefunden haben, dass Teigwaren gar nicht dick machen. Dies aufgrund der Daten von 23’366 Teilnehmern an einer Gesundheitsstudie. Da die Methoden zur Messung der gegessenen Nudelmengen nicht wirklich tauglich seien, könne die Studie nicht nachweisen, «dass Nudeln als Teil einer gesunden Ernährung irgendeinen negativen oder positiven Effekt auf das Körpergewicht haben». Was man vielleicht noch erwähnen sollte: Die Studie kam aus Italien.

Handys schaden der Spermaqualität

Laut einer im Buch erwähnten israelischen Studie riskieren Männer, die mehr als eine Stunde am Tag mobil telefonieren, «eine verminderte Spermaqualität und Fruchtbarkeitsprobleme». Die Studie sei jedoch «zu begrenzt für eine verlässliche Aussage über einen möglichen Zusammenhang zwischen Mobiltelefonnutzung und Spermaqualität.»

Honig ist gesünder als Zucker

Honig sei ein Naturprodukt und darum gesünder als Zucker, wird oft behauptet. Doch auch natürlicher Honig besteht genau wie Zucker hauptsächlich aus sogenannten Einfachzuckern, die schnell vom Blut aufgenommen und genauso schnell wieder abgebaut werden. Daher sollte auch Honig nur sparsam verwendet werden.

14 Kommentare zu «Medizinmythen und andere Märchen»

  • M. Cesna sagt:

    Es gibt da so einen Wirkmechanismus: „Placebo-Effekt“, der viel wesentlicher, als man so normal denkt, an vielen Wirkmechanismen beteiligt ist, sogar im sogenannten naturwissenschaftlichen Bereich kann er bis zu 60% ausmachen.
    Solange man nicht zuviel Blödsinn macht (Flasche Schnaps gegen Erkältung, Fliegenpilze gegen Bauchgrimmen), besteht da eine durchaus relevante Wirkung in positiver Richtung.

  • andy sagt:

    Dennoch darf man sich fragen wie die Menschheit über die Jahrtausende ohne moderne Medizin überleben und entwickeln konnte. Den zweiten Punkt bezweifle ich insgeheim.

    • adam gretener sagt:

      Ohne moderne Medizin sind die Leute einfach mit 32 gestorben. Die ganz Alten und Weisen waren dann vielleicht 45. Das wars dann auch.

      • andy sagt:

        Ach so, ich dachte die hatten keine Sorgen mit Krankenkassen und AHV sowie liessen doch viele ihr Leben im Dienste der Aristokratie auf den Schlachtfeldern.

        Um nochmals auf ihre halbherzige Antwort auf meinen Kommentar zu kommen. Glücklich erst zwischen 32 und 45 krank und gestorben zu sein. Richtiges Zeitraffertum. Der menschliche Organismus hat grundsätzlich alles in sich was es zur Bekämpfung von Krankheiten braucht. Der Einzelne mag daran sterben. Die Menschheit hat sich aber doch entwickelt insofern also genetisch vermutlich.

  • christopher robert sagt:

    Der Mythos der „heilenden Hühnerbrühe“ verbreitete sich während und kurz nach den beiden Weltkriegen. Und hatte durchaus seine Berechtigung, denn unter- oder fehlernährte Leute waren / sind anfälliger gegen Krankheiten als Leute im Vollbesitz ihrer (Widerstands-)Kräfte.
    Wo Mangel herrscht, helfen oft einfache Dinge, in Afghanistan erlebte ich dass Schokolade ein sehr wirksames Antidepressivum sein kann.

    • Karl-Heinz sagt:

      Das kann ich bestätigen. Ich hatte es einige Zeit mit Tschars versucht, hat es aber eher verschlimmert.

  • Andreas Inderbitzin sagt:

    Nun, wenn der Mann aufs Handy onaniert beim Filmli schauen, wird sich das Sperma dort im Laufe der Stunden verändern, sprich zersetzen. Somit stimmt die israel. Studie.

  • adam gretener sagt:

    Honig besteht doch nicht nur aus Zucker! Hat zwar diverse Vitamine und Spurenelemente, aber in sehr geringen Dosen. Doch die Enzyme machen Natur-Honig antibakteriell. Kleine Schnitte und Verletzungen aus dem Garten versiegle ich seit Jahren mit ein wenig Honig. Wirkt – aus Erfahrung – besser als Bepanthen.

  • Frank Lauer sagt:

    Hühnersuppe ist Flüssigkeit, heiss und voller guter Nährstoffe. Somit sicherlich, insbesondere durch die die ersten beiden Punkte, bei einer Erkältung hilfreich. Wie alle anderen Erkältungsmedikamente/-hilfsmittel verkürzt es die Dauer der Krankheit nicht, vermutlich lindert es aber die Symptome. Beim Honig sollte man doch erwähnen, dass das nicht nur Zucker ist sondern auch Vitamine und Spurenelemente enthalten sind und Honig durchaus auch entzündungshemmende Wirkung hat.
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    Aussagen wie Nahrungsmittel XY machen dick / machen nicht dick sind eigentlich Blödsinn. Am Ende geht es nur darum, ob ich mehr Kalorien zu mir nehme als ich verbrauche. Ich kann also getrost einen Teller Pasta mit Parmesan pro Tag essen, muss aber natürlich den Rest meines Speiseplans anpassen.

  • Karl-Heinz sagt:

    Ich schwöre auf Hühnersuppe. Sie schmeckt hervorragend und belastet die Verdauung weit weniger als Kabis mit Rinderbraten.

    • Stella sagt:

      Ich auch! Nach einer Grippe gibts nichts besseres als eine heiße Hühnersuppe!

      • Leo Schmidli sagt:

        Ich glaube, Sie haben noch nie eine Grippe gehabt! Ein grippaler Infekt ist keine Grippe. Bei einer Grippe kann auch Hühnerbrühe nichts anrichten.

      • tina sagt:

        herr schmidli, sie schrieb „nach“. aber auch egal: auch während einer richtigen grippe tut hühnerbouillon sehr gut. so eine richtige, lang gekochte. weil man bei richtiger grippe oft null appetit hat und nicht essen kann. und gegen viren helfen heisse getränke sowieso, mal abgesehen von den anderen inhaltsstoffen. ausserdem hilft inhallieren, und wenn man heisse suppe schlürft benetzt man die schleimhäute. meine güte….klugscheisser ahoi

  • Ralf Schrader sagt:

    Medizin ist Ärztliche Heilkunst und als solche beschäftigt sich Medizin nur mit dem Heilen von Krankheiten und auch nur für den Fall, dass ein Arzt das tut. Selbsthilfe gehört nicht zur Medizin und mit Gesundheit oder dem Vorbeugen von Krankheiten beschäftigt sich Medizin auch nicht.

    Insofern haben alle Tipps, auch die da oben nicht stehen, zwar Bezug zu dem Wundertier Gesundheit, aber keinen zu Medizin.

    Das, was Medizin und Krankheiten so von Gesundheit unterscheidet, ist: Krankheiten gibt es auch in der Natur, bei allen Tieren und Pflanzen, Gesundheit aber nur in der Vorstellung von Menschen. Empirisch gibt es Gesundheit ebenso wenig wie Glück, Heimat oder Gerechtigkeit. Deshalb, weil es nur eine Idee ist, beschäftigt sich eine Handlungsfach wie Medizin nicht damit.

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