Textile Liebe auf den zweiten Blick

Models tragen die aktuelle Ace-&-Jig-Kollektion. Screenshot: aceandjig.com

Manchmal fällt einem in der nie endenden Modeflut eine spezielle Marke auf, die nicht ins übliche Mainstream-Schema passt. Und deren Namen man sich vielleicht auch einprägen muss. Vor allem, wenn man diesbezüglich ein schlechtes Gedächtnis hat. Und Ace & Jig rollt ja auch nicht so unkompliziert über die Zunge wie Schanel oder Gutschi.

Modell aus der neuen Ace-&-Jig-Herbst- und -Winterkollektion 2018. Foto: aceandjig.com

Mein erster Kontakt mit dem Label der beiden US-Designerinnen Cary Vaughan und Jenna Wilson war dann auch kein klassischer Coup de foudre. Eher eine sympathische Begegnung mit einer unkomplizierten und farbenfrohen Sommerkollektion, die sich in ihrer Einfachheit wohltuend von vielen extravaganten und kostspieligen Stücken des Online-Luxusanbieters Matchesfashion.com abhob.

Das war im März dieses Jahres, und ich war auf der Suche nach einem speziellen Kleid für meine Geburtstagsparty im Juli. Die weich fallenden Tageskleider mit den speziellen Mustern, die locker geschnittenen Hosen und hübschen Oberteile – Blusen, Pullover, Westen und Shirts – waren ansprechend, aber nicht umwerfend. So wie es vielleicht bei der ersten Begegnung mit einer neuen Bekanntschaft ist. Das Gegenüber gefällt einem, es ist einem sympathisch, aber es löst keinen Adrenalinschub und damit auch kein sofortiges «Habenwollen» aus.

Also beschloss ich, mit dem Kauf zu warten.

In den kommenden Wochen begegnete ich Ace & Jig immer wieder in verschiedensten Medien. Nicht nur in Hochglanz- oder in auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Modemagazinen, sondern auch auf Forbes.com. Dort erzählten die beiden Design-Freundinnen, die ihr Label bereits 2009 gegründet hatten, ihre Erfolgsgeschichte. Wie sie sich durch ihre Reisen in ferne Länder inspirieren liessen, über ihre Liebe zu aussergewöhnlichen Garnen und Mustern. Und natürlich auch über ihre Ethik, die keine Ausbeutung von Menschen und der Natur zulässt.

Die Stoffe für das Label werden in Indien auf traditionellen Handwebstühlen hergestellt. Foto: aceandjig.com

Bei der Suche nach idealen Stoffen waren die beiden Unternehmerinnen in Indien fündig geworden. Dort werden die Stoffe für ihr Label auf traditionellen Handwebstühlen hergestellt, und dies nach der japanischen Kaizen-Philosophie, die für einen schrittweisen, steten Wandel zum Besseren steht. Dieser Mix aus attraktiver, bezahlbarer Mode, Nachhaltigkeit und einer speziellen Geschichte scheint den Nerv vieler Konsumentinnen zu treffen, die immer weniger Lust auf Copy-&-Paste-Mode haben.

Hauptsache bunt: Kleid aus der neuen Ace-&-Jig-Kollektion. Foto: aceandjig.com

Im Juni wollte ich mir schliesslich ein Kleid von Ace & Jig kaufen. Aber oha! Ich war offenbar nicht die Einzige, die Gefallen an den gewebten Stoffen mit den speziellen Garnen im lässigen Bohemia-Stil gefunden hatte. Oder, um beim Bild einer neuen Bekanntschaft zu bleiben: Heiss begehrt sind eben nicht die Blender, die mehr versprechen, als sie halten. Manchmal lohnt sich ein zweiter Blick. Sowohl bei den Menschen wie bei der Mode.

Ich hatte Glück und fand «mein» Kleid trotzdem noch online. Und so sass ich ein paar Wochen später in einem orange-hellgrün-gelb-gestreiften Jerseydress in einem südfranzösischen Garten und feierte Geburtstag. Obwohl ich sonst mit Vorliebe Dunkelblau und Weiss trage, fühlte ich mich pudelwohl. Und, das Kleid hat gehalten, was es versprochen hat: Ich mochte es auch noch am Ende des Sommers.

4 Kommentare zu «Textile Liebe auf den zweiten Blick»

  • Esther Villa sagt:

    Ich war in Indien und indische Stoffe sind sehr schön … in Indien ! Aber hier sind sie fehl am Platz.

    • Astrid Meier sagt:

      Um Himmels Willen! Wieso? Schöne Stoffe sind schöne Stoffe! Diese hier machen nicht auf ethnisch. Und wissen Sie, wieviel Ihrer Baumwollstoffe aus Indien stammt?

  • Nina sagt:

    Ich sehe das gleich wie Maike. So ganz per Zufall kann ich weben und für einen kleinen Schal braucht es etliche Stunden. Man stelle sich vor, dass jeder einzelne Faden gewebt wird, damit ein Stück entsteht. Ich denke das Grundmuster des Stoffes wird 1x gewebt, ist damit einzigartig. Für die Kleider ist es dann einfach ein textiler Print mit der Maschine. Wäre wirklich alles Handarbeit würde ein Kleid ca. 5000 kosten und nicht 200. Ein handgewebter Sari kostet umgerechnet CHF 2000 für 6mx1,5m Stoffbahn. Unbezahlbar. Als Vergleich: ein handgewebtes Geschirrtuch kostet in der Schweiz ca. 100.00.

  • maike sagt:

    Es gibt immer wieder Märchen, auf die man doch so gerne reinfällt. Wenn dieses neue Label mit all seinen Kleidern den Westen überschwemmen kann, können die Stoffe dazu sicherlich nicht einzig und allein – wie propagiert – in Indien auf traditionellen Handwebstühlen hergestellt unter vernünftigen menschwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Die Demo, das das so sein soll ist für mich eher sowas wie ein Potemkinsches Dorf.

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