Mit Sport gegen das Vergessen

Die an Demenz erkrankte Alice (Julianne Moore) wird im Film «Still Alice» von ihrer Tochter Lydia (Kristen Stewart) getröstet. (Killer Films)
Wenn es darum geht, vor welchen Krankheiten wir uns am meisten fürchten, wenn wir älter werden, gehört Demenz sicher zu den häufigsten. Viele von uns kennen jemanden, der dieses Schicksal erleidet oder erlitten hat. Das muss nicht bedeuten, dass alles, was mit Demenz zu tun hat, schrecklich ist und dass mit dem Ausbruch der Krankheit keine berührenden Erlebnisse mehr möglich sind. Aber mehrheitlich sind die Erfahrungen, die Direktbetroffene mit Erkrankten machen, niederschmetternd.
Mein Vater verwandelte sich durch seine Demenzerkrankung innert zweieinhalb Jahren von einem intellektuellen Wissenschaftler geistig in einen achtjährigen, meist trotzigen Buben. Das Schlimmste für ihn – und natürlich auch für unsere Familie – war, wenn er zwischen den Phasen grosser geistiger Verwirrung kurze, klare Zeiten erlebte, in denen er realisierte, dass mit ihm etwas nicht mehr stimmte.
Lichtblicke, aber noch kein Durchbruch
Als er starb, weinte ich nicht; ich tröstete mich damit, dass der Tod für ihn eine Erlösung war. Rotz und Wasser habe ich erst später geheult, als ich den Film «Still Alice» mit der grossartigen Julianne Moore gesehen hatte. Sie verkörperte darin eine an Demenz erkrankte Professorin, die mit der Zeit unfähig wurde, ihre Studenten zu unterrichten. Und ich erkannte viele Parallelen zum Leben meines Vaters.
Die Hoffnungen auf einen Durchbruch bei der Behandlung von Demenz, sind gross. Doch die Realität zeigt, dass dies nicht so schnell möglich sein wird. Es gibt Lichtblicke, wie die aktuellen Zwischenbilanzen, die am Internationalen Kongress der Alzheimer’s Association (AAIC) in Chicago vorgestellt wurden, beweisen. So wurde beispielsweise aufgezeigt, dass ein klarer Zusammenhang zwischen unserer Lebensweise und einem Erkrankungsrisiko bestehe, schreibt die deutsche «Ärzte Zeitung». In diesem Zusammenhang spielt Sport, neben anderen Einflüssen, eine wichtige Rolle.
Mit Sport gegen negativen Stress
Neue und erstmals veröffentlichte Ergebnisse der Universität Trondheim zeigen auf, dass die 28’000 Teilnehmer einer norwegischen Studie, die zwischen 1984 und 1986 in das Programm aufgenommen wurden und bis heute regelmässig Sport treiben, zu 20 Prozent seltener an Demenz erkrankten als unsportliche Menschen. Als Sport gilt körperliche, schweisstreibende Anstrengung.
Die Forscher wiesen darauf hin, dass es nicht in erster Linie die Bewegung sei, die schützend wirke, sondern dass diese helfe, negativen Stress abzubauen. Denn Menschen, die unter Ängsten und Depressionen leiden, haben ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Mit regelmässiger, sportlicher Betätigung kann auch bei psychischen Problemen eine Besserung erzielt werden.
Auch Studien der University of California in San Francisco (UCSF) und der University of Michigan in Ann Arbor zeigten, dass Stress, Angst und Probleme wie berufliche Überbelastung, familiäre und finanzielle Schwierigkeiten die Entstehung der Krankheit begünstigen können. Sport kann helfen, das persönliche Risiko zu senken – selbst dann, wenn man erst im mittleren Alter damit beginnt.
Lesen Sie zum Thema Demenz auch dieses Posting aus dem Blog Nachspielzeit: Das Problem des Fussballs mit dem Kopf
7 Kommentare zu «Mit Sport gegen das Vergessen»
Gunther Sachs hat es kommen sehen- und gehandelt: Hut ab vor so viel Entschlossenheit und Konsequenz!
Es wirkt nur dadurch entschlossen, weil der Freitod in jüngerer Vergangenheit mystifiziert, ja sogar kriminalisiert worden ist. Der Suizid wir nicht mehr als bewusstes, selbst bestimmtes Lebensende, sondern als Kapitulation, gar Krankheit(sfolge) gesehen, dem man vorbeugen kann und soll und der gelegentlich sogar strafrechtlich reguliert wird.
Im Falle einer sicher tödlich, mindestens sicher würdelos endenden Gesundheitsstörung ist der Suizid die erste und die beste Wahl. Das muss man bereits ab Ethikunterricht den Schülern vermitteln, nicht den irrationalen Wunsch nach Lebensverlängerung um jeden Preis.
Völlig einverstanden: Exit und andere Organisationen gibt es ja nicht umsonst. Es kommt auch noch ein anderer Faktor hinzu: Der medizinische Fortschritt der letzten 150 Jahre ist nicht gratis, wie wir jetzt am hinteren Ende der künstlich verlängerten Lebensspanne langsam feststellen müssen.
Den Faktor Geld würde ich dennoch komplett ausblenden. Wenn eine überreiche Kultur wie die unsrige beschliesst, Unmengen davon in Kampf gegen Windmühlen einzusetzen, weil sich das gut anfühlt, obwohl es nicht nutzt, dann kann man das als Psychohygiene durchgehen lassen.
Aber die Illusion zu erzeugen, man könnte damit tatsächlich der Finalität von Leben trotzen, ist sträflich. Die Aufgabe der Medizin ist es, Vermeidbares zu vermeiden. Niemand soll mehr an Infektionen, an Unfällen, an Herzinfarkten sterben. Das kann man verhindern.
Aber nichts verhindert den Tod und seine Vorgeschichte und es ist zutiefst menschlich, diesen Tod gestalten zu dürfen.
Es gibt mindestens zwei Dinge gegen die Neurodegeneration: Sport mit koordinativem Anspruch und eine gesunde Darmflora. Sehr gesund könnte somit ein Waldspaziergang mit parallel ausgeführten Rechenaufgaben wie das Rückwärtsrechnen in Siebenerschritten etc. sein. Dazu dann noch eine probiotische Ernährung.
Demenz ist keine Krankheit, sondern ein unvermeidbares, unheilbares Symptom des normalen Alterns. Aber wie bei allen chronischen Krankheiten und allen das Altern begleitenden Gesundheitsstörungen kann man die Verteilungsfunktion des Eintrittsalters auf der biografischen Achse nach rechts verschieben. Man kann dafür sorgen, dass Demenz, Krebs und das Sklerotisieren der Gefässe immer später stattfindet. Nur verhindern und heilen kann man es grundsätzlich nicht.
Das Altern und der Individualtod sind Grundvoraussetzung und damit untrennbar mit Leben verbunden. Der Tod tritt nur nach vorheriger Gesundheitsstörung ein. Einen natürlichen Tod gibt es nicht.
Physikalisch kann man Krankheiten und Gesundheitsstörungen als dissipative Strukturen verstehen, also Selbstorganisationsprozessen in offenen Systemen fern vom thermodynamischen Gleichgewicht. Dann versteht man auch, dass Krankheiten zwar Störungen von Gesundheit, aber keine des Lebens sind. Krankheiten sind für Leben essentiell, ohne Krankheiten gibt es kein Leben.
Die Häufigkeit spontaner Strukturbildung, also auch der von Krankheiten, hängt von der freien Energie im System ab. Damit erklärt sich, dass jede Energiereduktion, ob durch Sport oder Nahrungskarenz in Grenzen präventiv wirkt. Das ist aber eine unspezifische Prävention und nicht konkreter zu machen. Eine konkrete Prävention von Demenz oder Krebs ist wie deren Heilung unmöglich.