Ist Talkpuder eine tickende Zeitbombe?

Von Kopf bis Fuss

Ob Talkpuder Krebs auslösen kann, ist umstritten. Trotzdem sprechen US-Gerichte Klägerinnen immer wieder riesige Summen zu. Foto: iStock

Ob der regelmässige Gebrauch von Talkpuder im Intimbereich in Zusammenhang mit Eierstockkrebs steht, darüber scheiden sich die Geister. In einem aufsehenerregenden Prozess verurteilte letztes Jahr ein Gericht in Los Angeles den Pharma-Multi Johnson & Johnson zu einem Rekord-Schadenersatz von 417 Millionen Dollar an eine schwer krebskranke Frau. Nicht nur in den USA sind zurzeit Hunderte Klagen hängig, auch in England formieren sich seit einigen Wochen krebskranke Frauen gegen den US-Multi. «Mail Online» spricht in diesem Zusammenhang von einer «tickenden Zeitbombe».

Die Studienlage ist allerdings umstritten. Auch die bislang umfassendste Beobachtungsstudie – an über 61’000 Frauen, die über zwölf Jahre im Rahmen der Women’s Health Initiative untersucht wurden und von denen etwa die Hälfte Talkum nutzten – konnte 2014 keine krebsauslösende Wirkung des Puders erkennen. Eine weitere Analyse von insgesamt 16 Studien mit insgesamt 12’000 Frauen zeigte zwar zunächst ein um 33 Prozent erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs bei Verwendung von Talkum. Doch die Forscher des Marshfield Clinic Cancer Center in Wisconsin konnten keinen Zusammenhang zwischen der Menge oder Häufigkeit des Puderkonsums und dem Auftreten von Krebs finden. Demgegenüber stehen andere wissenschaftliche Untersuchungen, die beweisen wollen, dass in den Talkpartikeln Asbest enthalten ist, das als karzinogen gilt.

Immer wieder fällt das Argument, dass Beobachtungsdaten nicht ausreichen würden, um Intimpuder als Auslöser von Eierstockkrebs zu identifizieren. Auch sei es bei den Studien zu «handwerklichen Fehlern» gekommen. Wasser auf die Mühlen des Unternehmens Johnson & Johnson, das nicht gewillt ist, die gefällten Urteile anzuerkennen.

Gefahr nur beim Einatmen

Talkum wird beim Abbau von mineralischem Talkgestein gewonnen. Durch die Weiterverarbeitung bleiben winzige Fasern zurück. Diese werden nicht nur bei der Herstellung von Babypuder eingesetzt, sondern auch bei puderhaltiger Kosmetik. Da Talk feuchtigkeitsbeständig ist, wird er auch bei Medikamenten zur Neutralisierung der Magensäure verwendet.

Wie aber sieht die Situation in der Schweiz aus? «Im Talk, welcher für Kosmetika und Babypuder in Europa und der Schweiz verwendet wird, sind keine Asbestfasern enthalten. Es gibt keine wissenschaftlichen Nachweise der krebserregenden Wirkung», sagt die Dermatologin Dr. Liv Kraemer. Allerdings bestätigt die Ärztin eine gesundheitliche Gefahr beim Einatmen des Puders. «Aber man sollte ja schliesslich auch kein Spülmittel trinken, so wie man halt auch Puder nicht einatmen sollte. Das ist die gleiche Diskussion wie bei der Klage gegen McDonald’s, weil der Kaffee heiss war», sagt Kraemer. Menschen, die beruflich mit Talkumstaub in Kontakt kommen, können allerdings an einer Krankheit namens Talkose erkranken, die Atembeeinträchtigungen und schwere Lungenschäden zur Folge hat. Es kann zu einer Entzündung und Verhärtung des Lungengewebes kommen.

Fakt ist: Babys und Kleinkinder sollten nicht in die Nähe von Babypuder kommen. Von 1979 bis 2008 registrierten die Giftinformationszentren in der Schweiz, Deutschland und Österreich 113 Unfälle mit Babypuder. Dass heute weniger passiert, hat damit zu tun, dass die meisten Produkte über Sicherheitsverschlüsse verfügen, damit nichts passieren kann.

Ob Talkum nun als Baby- oder Intimpuder eingesetzt wird – unnötig ist es allemal. Ich werde in Zukunft auf alle Fälle auf meinen Puder verzichten, den ich manchmal verwende, wenn sich bei heiss-feuchten Temperaturen beim Joggen, die Innenseite meiner Oberschenkel rötet. Sicher ist sicher.

20 Kommentare zu «Ist Talkpuder eine tickende Zeitbombe?»

  • Maike sagt:

    Wenn ich das so lese, was denn alles krank machen soll, dann wundere ich mich, das der Mensch es bisher soweit gebracht hat. Mittlerweilen lebt er sogar länger als sein Vorfahren – trotzdem er sich im hohen Maase anstrengt, sich seine Umwelt zu zerstört.

  • Heidi Herrmann sagt:

    Asbest kann Krebsauslösend sein, weil es auf Grund der Fasergrösse und -Geometrie bis in die Lungenbläschen und von dort bis auf das Brustfell wandern kann. Dort führt das zu Fremdkörperreaktionen. Es braucht also einen direkten Kontakt der Fasern mit dem Gewebe, das ist relativ gut erforscht. Die Eierstöcke sind ja bekanntlich tief im Bauchraum drin. Noch wenn es im Babypuder Asbestfasern haben sollte (was bei Talkum nicht natürlich ist), sehe ich keinen Weg wie die Fasern bis zu den Eierstöcken vordringen sollten und damit ist auch keine Einwirkung direkt auf die Eierstöcke möglich. Wer Talkum brauchen will soll Talkum brauchen. Alles Andere ist Hysterie und US-juristisches Abzockertum. Wer keine Versicherung hat verklagt irgendwen und verschafft sich die Bezahlung der Therapie halt so.

  • Sybilla, das Orakel sagt:

    Wer Talkpuder als angenehm und brauchbar empfindet, soll es weiterhin benutzen, und er/sie wird sterben.
    Wer Talkpuder als unangenehm und gefährlich taxiert, soll es nicht gebrauchen, und er/sie wird sterben.
    Lasse mich bedenken, Herr, dass ich sterblich bin, auf dass ich klug wandle.

  • Stephan sagt:

    Eine Mischung aus Kartoffelmehl und Natron tut’s auch!

  • Romeo Grementieri sagt:

    in Asien wird täglich Talk-Puder im Intimbereich,Achselhöhlen und Gesicht verwendet.Der Grund hemmt das Schwitzen und macht die Gesichter weiss,denn weiss ist in. Sehr weiss machen die Japanerinnen die Gesichter. Ob in AQsien die Krebsrate erhöht ist kann ich nicht sagen,ich bin kein Arzt.

  • André Martin sagt:

    In den feuchtheissen Weltgegenden, z.B. in Asien, gehört Talkumpuder zu den alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Die Frauen benutzen es primär kosmetisch, indem sie den Puder im Gesicht verreiben. Das hat auch den (dort sehr erwünschten) Effekt, dass die Haut etwas heller scheint. Ansonsten wird es als deoähnliches Mittel verwendet bzw. dem eigentlichen Hauptzweck entsprechend zur Bindung von Feuchtigkeit. Jedermann ist klar, dass man bei der Verwendung keine Atemübungen veranstaltet. Bei „normaler“ Verwendung (Applikation mit etwas Puder auf der Hand) kann man dies auf die Innenseite der Oberschenkel bzw. in die Leistengegend aufbringen, ohne Staubwolken zu veranstalten. Hierzulande wird oft zu viel verwendet, was (bei Frauen) in der Intimgegend möglicherweise mit Risiken verbunden ist.

  • Nina sagt:

    Ich frage mich was Erwachsene mit Babypuder machen. Gehört das in die Kategorie „kinky“?

    • Roland K. Moser sagt:

      Mit Talkpuder kann man z.B. vor den Velopneu innen leicht pudern, bevor man den Schlauch reinmacht, das sorgt für weniger Reibung zwischen Pneu und Schlauch. Oder man pudert sich vor dem Wandern die Füsse und die Socken. Gibt weniger Blasen.

  • Bernhard Piller sagt:

    Hätte gewettet, dass es „Talgpuder“ heisst, aber es stimmt, es handelt sich nicht um Talg, sondern um MagnesiumSilikathydrat (Talk).

  • Christoph Bögli sagt:

    Die entscheidenden Fragen wurden aber gar nicht beantwortet: Das machen sich erwachsene Menschen ernsthat in den Intimbereich? Wirklich? Und wieso?

    • Leonie Keller sagt:

      Ja! ist das beste und günstigste Mittel, um Rasierpickelchen in der Intimzone vorzubeugen.

      • Hanna Schmuki sagt:

        Mit diesem Puder kann Wasser gespart werden. Man denke an Länder, wo das Wasser knapp ist.

  • Roland K. Moser sagt:

    Die Frage ist: Ist der Talk das Problem, oder die dem Talk beigemengte Chemie? Dann gibt es in der Drogerie noch den „Talk technisch“. Meines Wissens ist das nackter Talk ohne chemische Zusätze. Hat man damit auch Studien gemacht?

    • Ralf Schrader sagt:

      Chemie ist völlig egal. Das Krebsrisiko ist proportional der Proliferationsgeschwindigkeit der jeweiligen Gewebe und alles was diese zunehmen lässt, erhöht Krebsrisiko. Egal ob aus der Retorte oder aus dem häuslichen Garten.

      • Roland K. Moser sagt:

        Ganz im Gegenteil.
        Wenn der Talk nicht krebsfördernd ist, die zugefügte Chemie aber schon, ist die zugefügte Chemie krebsfördernd und nicht der Talk.
        Dann ist also nicht der Talk das Problem, sonden die Chemie.

  • Ralf Schrader sagt:

    Die Sumerer haben schon bevor das AT geschrieben wurde, auch ohne Studie beobachtet, dass man vom Schweinefleischverzehr recht unmittelbar sterben kann und dass Frauen von beschnittenen Männern länger leben. So haben sie zwei grosse Krankheitsrisiken empirisch entdeckt und diese beiden Regeln in ihre Kultur übernommen.

    Was heute mit spitzfindigen Statistiken als Krankheitsrisiko entdeckt wird, ist so klein, dass jeder darüber geschriebene Satz Energieverschwendung ist. Alles kann die Entstehung von Krebs begünstigen, nur das eine mehr, oder weniger. Talkum dürfte in die Kategorie ‚weniger‘ gehören, sonst hätte man das schon ohne Studie empirisch bemerkt, wie die Sumerer das einst auch taten. Die grossen Risiken sind seit > 100 Jahren alle bekannt.

    • Thomas Nauser sagt:

      Einverstanden! Am Bahnhof neben einem Raucher stehen ist ziemlich sicher gefährlicher als Talkum verwenden.

      Und etwas holzschnittartig bemerkt: In der Angst vor der eigenen Vergänglichkeit werden in unserer Kultur riesige Mengen an Geld und Energie in Bereiche investiert, wo sie minimalen Effekt haben. Diese Ressourcen fehlen dann anderswo.

    • Keilschrift sagt:

      Schrader, Gilgamesch der Neuzeit. Erleuchte uns!

    • Gerhard Engler sagt:

      @Schrade: DIe Chinesen sind ein genau so altes Kulturvolk wie die Sumerer und im Unterschied zu diesen ist die Chinesische Kultur bis heute von grosser Bedeutung. Und nun raten Sie mal, ob die Chinesen ab und zu Schweinefleisch essen.

    • Kristin Sager sagt:

      An Naivität, Leichtgläubigkeit und Beschneidung kann man auch sehr unmittelbar sterben. So ein Bockmist Herr S.

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