Wann «Comfort Food» zum Problem wird

Manchmal muss einfach Pizza sein. Wird aus «manchmal» aber «immer», wird der Genuss zur Sucht. Foto: Pexels.com

Die knusprige Pizza aus dem Holzofen, die Baguette zum Zmorge, Kartoffelstock mit Seeli: Jeder von uns hat seine Vorlieben, wenns um «Comfort Food» geht, um Essen, das uns tröstet und guttut – vermeintlich! Denn wenn Essen zur Ersatzhandlung wird, wirds gefährlich. Die österreichische Ernährungswissenschaftlerin und Psychotherapeutin Laura Milojevic setzt in ihrer Praxis auf bewusst achtsames Essen und Trinken.

Comfort Food soll für seelisches und körperliches Wohlbefinden sorgen – oder?

Ein feines Gericht führt im Belohnungszentrum unseres Gehirns tatsächlich zu einer Dopaminausschüttung, die uns ein Wohlgefühl beschert. Ist aber mit Comfort Food eher das emotionale (Über-)Essen aufgrund von Stress, Einsamkeit, Frust und so weiter gemeint, dann geht die Gleichung selten auf. Dann ist es der Versuch, sich in emotional herausfordernden Situationen durch Essen wieder gut zu fühlen, und der Erfolg ist nur von kurzer Dauer. Sobald die Ablenkung durchs Essen wegfällt, sind die ursprünglichen Probleme wieder da, oft sogar durch Schuld- und Schamgefühle zusätzlich verschlimmert.

Mit Achtsamkeit gegen Essstörungen: Psychotherapeutin Laura Milojevic. Foto: PD

Der Kopf wüsste eigentlich, welches Essen für unseren Körper bekömmlich ist. Trotzdem setzt sich der Bauch meistens durch, wenn es um Gelüste geht. Warum?

Die logischen Entscheidungen des Kopfes werden in anderen Gehirnregionen getroffen. Gelüste sind stark von unseren Gefühlen beeinflusst. Die emotionalen Zentren im Gehirn übernehmen dann sozusagen das Kommando. Sofern der Heisshunger nicht durch einen Energiemangel bedingt ist, kann man mithilfe von Achtsamkeitsübungen einen bewussten, selbstbestimmten Umgang erlernen, sodass man den Gelüsten nicht mehr hilflos ausgeliefert ist.

 Essensgelüste lassen sich steuern?

Achtsamkeit wird weniger mit dem Verstand erfasst als vielmehr als ganzheitliche Erfahrung im Körper erlebt. Das ist der grösste Unterschied zur diktatorischen Diätmentalität. Beim achtsamen Essen geht es nicht darum, über das Essen nachzudenken, sondern um die tatsächliche Erfahrung beim Essen. Denn unabhängig davon, was mein Kopf über das Essen sagt, entscheidet letztlich das eigene, innere Erleben darüber, ob ich mich anschliessend satt und zufrieden fühle oder nicht.

Ist achtsam essen denn so schwierig zu erlernen?

Viele Menschen haben schlichtweg verlernt, beim Essen wirklich präsent zu sein und diese Signale wahrzunehmen beziehungsweise ihnen zu vertrauen, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, allen Vorgaben, die uns von aussen vorgegeben werden, nachzueifern. Indem ich meine Aufmerksamkeit ganz bewusst weg vom Kopf hinein in den Körper lenke, spüre ich, was und wie viel mir gut tut, was mir schmeckt und was nicht. Entscheidend dabei ist eine liebevolle, annehmende Haltung, die mir erlaubt, meine Erfahrung genau so sein zu lassen, wie sie im Moment ist. Dies, ohne mich dafür zu kritisieren, zu schämen oder abzuwerten. Es ist vor allem dieser letzte Aspekt des wohlwollenden Umgangs mit sich selbst, der einen ganz neuen Zugang zum Thema Essen und auch zu sich selbst ermöglicht.

8 Kommentare zu «Wann «Comfort Food» zum Problem wird»

  • Robert Tanner sagt:

    Comfort food, kann man diese schwachsinnigen Ausdrücke nicht einfach weglassen. Einfach nur hohl für 100 Jahre alte Sachen stetig neue Begriffe zu erfinden. Wer verdient an dem?

  • Schär Alex sagt:

    „Ein feines Gericht führt im Belohnungszentrum unseres Gehirns tatsächlich zu einer Dopaminausschüttung, die uns ein Wohlgefühl beschert.“
    Was hat ein feines Gericht denn mit Comfort food zu tun? Klar finde ich eine Holzofenpizza auch fein, eine aus dem Tiefkühlfach kommt mir jedoch nicht auf den Teller.
    Feines Kochen kann anspruchsvoll sein, muss aber nicht. Die Balance zwischen ungesundem und gesundem kann man jedoch finden. Schwieriger ist es sich dafür die Zeit zu nehmen.
    „Ich habe keine Zeit“ geht dann natürlich gut als Ausrede, vielleicht hilft da ein Überdenken seiner Freizeitgestaltung.
    Ich esse reichlich und mit Genuss. Klar hab ich ein paar Kilo zuviel nach BMI, aber ich halte mein Gewicht seit Jahren konstant. Ohne Sport und FDH.

  • Patrick sagt:

    Ironirscherweise ist der Tipp mit den Achtsamkeitsübungen genau das, was am schwierigsten einzuhalten ist.
    Man sagt doch: wer gestresst ist, der soll sich was Gutes tun, und was Gutes ist eben auch Comfort-Food.
    Den Kopf über die Emotionen zu setzen hlft zwar, sich gesund zu ernähren, aber darum geht es einerseits nicht und anderseits können das nicht alle.
    Was nützt es ihnen richtig zu essen und trotzdem frustiert und gestresst zu sein?
    Zudem weiss jeder, der sich Genüssen zu fest hingibt: Jeden Tag Pizza zu essen verliert ihren Charme. Die meisten Frustesser wechseln automatisch zwischen gesunder Ernährung und Comfort-Food. Nur wer die Emotionen überhaupt nicht kontrollieren kann kommt in die Spirale, und genau bei denen sind die Achtsamkeitsübungen als autodisziplin nicht umsetzbar.

  • Maria Sah sagt:

    Man kann den Bauch auch erziehen, sodass der Konflikt sich selbst erledigt.
    Den Körper erzieht man am wirkungsvollsten mit LCHF. Dem Gehirn muss man die Fettangst austreiben. Nach der Umstellung hat man dann immer etwa gleich viel Energie, weder Hochs noch Tiefs beim Blutzucker und damit kein Stress wenn man ein paar Stunden nichts gegessen hat und die Stimmung ist ausgeglichener. Weil so auch der Insulinspiegel sinkt, hat der Körper nun problemlos Zugriff auf die Fettreserven. Die nutzt er dann auch aus, sodass die Pfunde wie von selbst und ohne Hunger dahinschmelzen.

  • Michael sagt:

    Hilfe holen kostet, oft sind gerade Geringverdiener Frustesser.

  • Nina sagt:

    Man kann das Essen auch über-psychologisieren.

    Mehr Bewegung und FdH ist der einfachste Ansatz. Bei Essstörungen diese einsehen und sich Hilfe holen.

    Dann das Wichtigste: einfach Leben und geniessen. Akzeptiert euch wie ihr seid, ein jeder Körper ist schön.

    • Jasi sagt:

      Essen Überpsychologisieren: Ja, wird ständig gemacht. Mehr Bewegung: Ganz klar ja. FdH: Falscher Ansatz, denn erstens bleibt man ständig hungrig und deshalb schlecht gelaunt und zweitens halbiert man auch die Vitamine. Lieber ausgewogen und bewusst essen. Leben und Geniessen: Klar, aber ist im heutigen Fitness- und Ernährungswahn nicht einfach. Und zu guter Letzt: Nicht jeder Körper ist schön. Ein ausgemergelter oder aufgedunsener Körper ist nicht schön und vor allem fühlt sich der Besitzer darin nicht wohl. Im schlimmsten Fall ist er sogar deswegen krank und spätestens dann muss er etwas tun.

    • Michael sagt:

      Hilfe holen kostet, oft sind gerade Geringverdiener Frustesser.

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