Schlechte Nachrichten gut überbringen

Eine Herausforderung für viele Ärzte: Schlechte Nachrichten ehrlich und empathisch zu überbringen. Foto: asiseeit (iStock)
Stellen Sie sich vor: Sie sind im Spital und haben eine wichtige Untersuchung hinter sich. Zu Beginn des aufklärenden Gesprächs mit dem Arzt sagt dieser zu Ihnen: «Haben Sie einen Bausparvertrag?» Sie antworten: «Ja.» Worauf dieser entgegnet: «Kündigen Sie den bitte, und zwar bald.»
«Wir haben es nicht gelernt»
Jalid Sehouli ist Chefarzt für Gynäkologie und Onkologe an der Charité in Berlin. Und diese Begebenheit hat ihm eine seiner Patientinnen erzählt. Es geht auch anders, ist der Arzt überzeugt. Wie? Das hat er in seinem Buch «Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen» (Kösel-Verlag) beschrieben. Sehouli hat unzählige Gespräche mit Patienten und ihren Angehörigen geführt. Gespräche darüber, ob ein Leben gut, einigermassen oder schlecht weitergeht.
Das Überbringen schlechter Nachrichten gehört sicher zu den schwierigsten Dingen, die Ärzte, Polizisten oder Kriseninterventionshelfer machen müssen. Und dies in Zeiten, in denen viele von ihnen sowieso am Anschlag mit ihren Kräften sind. «Es gehört zu unserem Leben, für viele auch zum Beruf, aber wir haben es nicht gelernt. In der Aus- und Weiterbildung werden wir kaum darauf vorbereitet, obwohl es doch diese Gespräche sind, die uns am meisten verfolgen», schreibt Sehouli.
Aber bringt die «kunstvolle» Form der Vermittlung bei schlimmen News überhaupt etwas? Wenn die Nachricht niederschmetternd ist: Spielt es überhaupt eine Rolle, wie sie verpackt ist?
Warum es wichtig ist
«Ja», sagt der Onkologe. Er ist überzeugt, dass selbst das Überbringen einer schlechten Nachricht Teil eines guten Gesprächs sein kann. Dann nämlich, wenn sich der Patient danach adäquat informiert fühlt und nicht ohne Orientierung und Hoffnung zurückbleibt. Oder, wenn die Hoffnung nur winzig ist, er sich trotzdem bei seinem Arzt aufgehoben fühlt. Und, wenn er seine Würde behalten kann. Die Erlebnisse, von denen Sehouli erzählt, handeln denn auch von Schicksalsschlägen und dramatischen Momenten. Sehouli beschreibt sehr bildlich – der Arzt ist auch Autor verschiedener Romane – die unterschiedlichsten Emotionen und Perspektiven sowohl der Überbringer wie auch der Empfänger schwieriger Nachrichten.
Ehrlichkeit sei das oberste Gut in solchen Fällen. Und dass solche Gespräche gut strukturiert und vorbereitet werden. Wichtig sei für ihn, auch sein eigenes Bedauern auszudrücken. Aber die Realität dürfe nicht geschönt werden: «Die schlechte Nachricht muss sachlich, wahrhaftig und empathisch ausgesprochen werden», sagt Jalid Sehouli.
Checkliste für beide Seiten
Am Schluss des Buches findet man eine Checkliste zur Vorbereitung auf solch schwierige Gespräche. Und zwar sowohl aus der Sicht des Überbringers wie auch des Empfängers. Dies mag auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken, kann aber durchaus ein Leitfaden dafür sein, sich einmal zu überlegen, wie man in einer solchen herausfordernden Situation handeln würde. Sei es als Betroffener, Vorgesetzter, als Elternteil oder als Freund.
Wie aber verarbeitet Sehouli solch schwierige Erfahrungen? Natürlich finde man mit den Jahren einen professionellen Umgang damit, aber trotzdem bleibe er Mensch. Er konzentriere sich immer wieder auf gute Nachrichten, die er dann, zusammen mit seinen Patienten zelebriere, schreibt er. Und am Ende jedes Tages versuche er, immer einen Patienten zu besuchen, dem er eine gute Nachricht überbringen könne.
6 Kommentare zu «Schlechte Nachrichten gut überbringen»
Da Bild stammt aus einem Kursmaterial fuer Medi Studis.
Die Person auf dem Bild ist keine Aerztin/Studi, sondern eine Nurse.
Aber, passt gut zum Mainstream: schwarze ‚Aerztin‘ mit weisser Patientin.
Mit Schaudern erinnere ich mich daran, wie man mir 2007, meine Krebsdiagnose an den Kopf schmiss. In ein seperates Zimmer abgeschoben (immer noch nichts ahnend) verliess uns die Krankenschwester mit folgenden Worten: Der Tumorspezialist kommt jetzt dann um das weiter Vorgehen zu besprechen. BUMM. Türe zu. Die Minuten danach waren die schlimmsten. Sterbe ich jetzt?? Muss ich einen Grabenstein aussuchen gehen?? Vom Gespräch weiss ich nicht mehr viel. Habe wohl nonstop geweint und für die Untersuchungen danach wurden die Krankenschwestern auch nicht gebrieft. Jede fragte mich, warum ich denn so weine…… Ich war seit dann nie mehr in diesem Spital. Habe mich geweigert. Und muss jetzt ich dorthin, weil eins meiner Kinder dort einen Termin hat. Augen zu und durch!
Gar nichts Neues. Vor 20 Jahren wurden im Kantonsspital Basel entsprechende Kurse angeboten. Sehouli arbeitet aber in Berlin und alles was aus Deutschland kommt wird eher wahrgenommen, als entsprechende Studien und Projekte in der Schweiz. Gut abgekupfert ist aber auch was.
Wenn wir die Menschlichkeit vernachlässigen, dann erodiert der Zweck unserer Existenz
Als unsere Mutter starb, erhielten wir vom Spital als erstes die Aufforderung, das Zimmer doch bitte zu räumen, d.h. Schubladen zu leeren und die persönlichen Gegenstände mitzunehmen. Begründung; Das Zimmer müsse desinfiziert werden, es herrsche ein Mangel an freien Zimmern. Es gab kein einfühlendes Wort, eine Pflegefachfrau war vor Ort, die mit strengem Blick prüfte, ob wir auch alles geräumt hatten. Danach wurde die Mutter in den Kühlraum verfrachtet, wir hatten gerade noch 5 Minuten Zeit, um der lieben Mutter ein letztes mal adieu zu sagen. Das war 1990 in einem grossen Kantonsspital. Leider haben wir uns damals nicht gewehrt ob dieser unmenschlichen Überbringung der Nachricht, dass unsere Mutter gestorben sei.
Unzählige Male habe ich beobachten müssen, wie erschreckend gross die Kluft zwischen dem, was Idealisten predigen, und dem, was sie ausleben, oft ist. Die Feinfühligsten etwa legen bisweilen eine Härte an den Tag, die sogar Hartgesottene befremdet. Und die grössten Maria-Verehrer, um auf die Historie zurückzugreifen, gehören wohl zu den schlimmsten Sauhunde, die je geboren wurden. Hier in der Schweiz ist es eh besonders verpönt, Dinge beim Namen zu nennen: Alles, erst recht die unangenehmsten Wahrheiten, muss hierzulande aufgehübscht werden, und sogar denen, denen wir ein Messer in den Rücken rammen (möchten), lächeln wir zu: Wir sind die freundlichsten „Mörder“ der Welt. Somit wir das erwähnte Buch meine Landsleute ansprechen.