Tage, die wir nie vergessen

Auch 20 Jahre nach ihrem Todestag noch Prinzessin der Herzen: Lady Diana 1983. (Foto: Boris Spremo/Getty Images)

Am 31. August 1997 schaltete ich kurz vor 10 Uhr am Morgen den Radioapparat ein. Es war ein nebliger Sonntagmorgen. Ich hatte gerade die Aufbackgipfeli in den heissen Ofen geschoben und mir die Finger verbrannt. Der Schmerz war allerdings innert Sekunden vergessen, als ich die erste Meldung in den Nachrichten hörte: Lady Diana war wenige Stunden vorher nach einem Autounfall in Paris gestorben.

Heute, 20 Jahre später, kann ich mich noch genau an die Details erinnern, die in Zusammenhang mit diesem Morgen standen. Ich trug weiss-blau gestreifte Shorts und ein weisses T-Shirt mit einem Loch unter dem Arm. Unvergessen auch die Reaktion meines Mannes, der mich ungläubig anstarrte, als ich ihm davon erzählte. Und ich weiss auch noch, dass ich dachte: Seltsam, dass ihn das so berührt, Diana hat ihn doch nie gross interessiert.

Gedächtnisforscher sprechen in diesem Zusammenhang von Ankerpunkten. Im Gedächtnis haften bleibt, was uns emotional berührt. «Die Erinnerungen an die Umstände, unter denen man von Ereignissen mit grosser öffentlicher und emotionaler Bedeutung erfahren hat, nennt man Flashbulb Memories», sagt der Sozialpsychologe Gerald Echterhoff von der Universität Münster. Mit dem Begriff werde metaphorisch ein Mechanismus angesprochen, durch den sich die ursprünglichen Umstände wie von einem Blitzlicht erleuchtet direkt und in allen Details im Gedächtnis einprägen. Und irgendwie verbindet dieses gemeinschaftliche Erleben die Zusammengehörigkeit unter den Menschen. Nicht umsonst haben zurzeit Umfragen Hochkonjunktur, bei denen Prominente haarklein erzählen, wo sie gerade waren und was sie machten, als sie die Todesnachricht von Diana hörten.

Emotional gefärbte Wahrheiten

Prof. Dr.  G. Echterhoff, Sozialpsychologe.

Auch wenn viele von uns genau zu wissen glauben, was in diesen speziellen Minuten passierte, ist die Forschung nicht überzeugt, dass all diese Erinnerungen der Realität entsprechen. «Denn Flashbulb-Erinnerungen unterliegen wie auch andere autobiografische Erinnerungen an Ereignisse Verzerrungen, Abweichungen und Gedächtnisfehlern», sagt Gerald Echterdorff.

Schaffen wir uns also unsere Erinnerungen selber? Der Gedächtnisforscher Hans J. Markowitsch ist davon überzeugt, dass selektiv aufgenommene Wahrheiten emotional gefärbt sind. Wichtig sei auch, wie wir uns im Moment gefühlt haben, als wir die Nachricht erfahren haben.

Aber warum glaube ich mich haargenau an Ereignisse zu erinnern, die Jahrzehnte zurückliegen? Als mir meine Mutter sagte, Apollo 11 sei auf dem Mond gelandet, überquerten wir gerade den Fussgängerstreifen an der Technikumstrasse in Winterthur. Ich trug ein gepunktetes Kleid und dazu blaue Riemenschuhe, die mich an der Ferse schmerzten, weil sie zu klein waren. Noch klarer aber fühle ich die Freude und Aufgeregtheit, die ich bei meiner Mutter wahrnahm, als sie mir von diesem Ereignis erzählte. Sehr wahrscheinlich ist meine kindliche Wahrnehmung dieser Gefühle dafür verantwortlich, dass diese Erinnerung an den 21. Juli 1969 so genau abgespeichert ist. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich mir doch nicht mehr so sicher, ob meine Schuhe rot waren. Vielleicht waren sie auch blau.

13 Kommentare zu «Tage, die wir nie vergessen»

  • Albert Fiechter sagt:

    Mich wundert, dass der Tages-Anzeiger nicht auch schon den Bericht in einer spanischen Tageszeitung (La Vanguardia) aufgegriffen hat, in dem steht, dass Lady Di nicht auf der kleinen Insel in dem Weier bei Althorp bestattet sei, sondern neben ihrem Vater in der Familienkrypta in der Kirche von Great Brington. Der Sarg auf der Insel sei leer. Ein argentinischer Designer und einst grosser Freund der Prinzessin habe sein Schweigen ueber sein Wissen nach 20 Jahren gebrochen. Ob die Vermutung zutreffend ist, dass es sich um eine Verschwoerungsente handelt?

  • Majordomus sagt:

    ich weiss noch genau, wie mein Vater mir vor 40 Jahren – ich war 11 Jahre alt – beim gemeinsamen Zähne putzen am Morgen im Bad erzählte, dass Elvis gestorben ist. Ich war etwas traurig.

  • Gregory B. sagt:

    9/11 habe ich verpasst. Wir waren gerade auf Schulreise in Lyon. Meine Mutter hat mich angerufen und vom Ereignis erzählt. Ich dachte aber es handle sich lediglich um ein Kleinflugzeug und um einen unbemannten Antennenturm. Das Ausmass der Katastrophe habe ich erst einige Tage später begriffen. Das war noch vor der Smartphonezeit. Heute undenkbar.

    Bei Dianas Tod war ich 13. Wie ich es erfahren habe weiss ich nicht mehr. Um mich zu informieren las ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Zeitung. Seither bin ich diesem Medium treu geblieben. Zuerst nur Verbrechen und Unfälle auf der letzten Seite, ab 16 dann auch Politik. Ich zähle zur aussterbenden Spezies derjenigen, die sogar 2 Tageszeitungen abonniert haben. Nur den Wirtschaftsteil lege ich immer ungelesen zur Seite.

  • R.Kull sagt:

    Wie einige schon schrieben: Mondlandung, 9/11 und die Ermordung Kennedy Martin Luther Kings etc., das sind prägende Ereignisse. Auch Erfindungen wie das Licht, Strom, Luftfahrt u.v.m. Diana, was genau hat SIE verändert? NICHTS. Lediglich ein Business gefördert (Früchteschalen, Löffel, Tassen uvm. wird mit dem Konterfei verkauft und füllt die Kassen) und hält die Presse in der lauen Zeit am Leben. Sonst nichts prägendes. Dieses unwürdige Theater noch nach 20 Jahren mit all den Vermutungen und Verschwörungen etc. Wird echt langweilig und zeigt uns wie dekadent wir geworden sind. Wichtiges können wir von unwichtigem Quatsch nicht mehr unterscheiden.

    • Petra sagt:

      Da scheinen Sie aber Vieles nicht mehr präsent zu haben. Lady Di hat sich z.B. bereits Ende der 80er Jahre stark für HIV/Aids betroffene Personen eingesetzt. Damit hat sie bei vielen Menschen die Einstellung gegenüber HIV/Aids betroffenen positiv geändert. Genau daran und an ihre weiteren sozialen Engagements kann ich mich noch sehr gut erinnern. Und deshalb war der 31.8. auch für mich ein trauriger Tag.

      • R.Kull sagt:

        Ebenso ANDERE und bedeutend eindrucksvoller als LADY DI, Es geht um tatsächliche Leistungen nicht königliche Alibiübungen. Händeschütteln und dann den Staat oder andere machen lassen, der u.a. das Königshaus teilweise mittragen muss. Solche Aussagen Sorry, sind eher peinlich und zeigen wie sehr sie mit der Wirtschaft, deren Umsetzung und Finanzierung verbunden sind. Das Königshaus selbst kostet und hat noch nie finanzielle Leistungen (eigene Apanage) für solche Zwecke aufgewendet. Denn… dann würden den Königlichen doch einiges in der Kasse fehlen. Evtl. nicht grundlos, wieso man da und dort das Königshaus abschaffen will. Aber solange die sich mit auf unnützen Zeugs abgebildetem Konterfei teilw. unterstützend mitfinanziert, lässt man sie gewähren.

  • Flo, die echte! sagt:

    erste Mondlandung: auf dem Dorfplatz in einem kleinen sizilianischen Dorf. Der Besitzer der Bar hat seinen Fernseher auf dem Platz aufgestellt und alle Dorbewohner sassen mit ihren Stühlen drum herum – was für eine, noch immer, lebhafte Erinnerung

  • Flo, die echte! sagt:

    An beides erinnere ich mich nur zu gut:
    Diana’s Tod : wir sassen am Frühstück, hörten wie immer Radio und ich dacht es sei eine Falschmeldung, erst als wir dann den Fernseher einschalteten und auf allen Sendern dieselbe Meldung kam, habe ich kapiert das es so ist. Das hat Trauer bei mir ausgelöst, bei all dem was vorher in Sachen Ehe, Scheidung schon abgelaufen ist und man den eindruck hatte das sie nun glücklich sei.
    9/11: lag ich die 4te Woche im Spital, kein Ende abzusehen und schaute wie gewöhnlich Fernsehen. Beim rumzappen kam auf einem Sender diese Nachricht. Als ich die Bilder des Flugs in den Tower sah dacht ich, ich würde einen Ausschnitt aus einem Film sehen und habe dabei sogar an King Kong gedacht – erst später habe ich realisiert was wirklich geschehen ist..

  • Martin Frey sagt:

    Am meisten wird mir vom heutigen Tag in Erinnerung bleiben, dass es Leute gibt, deren Erinnerung an monumentale Tage wie dem 9/11 oder die Mondlandung, die die Welt unwiderbringlich veränderten, sich doch mehrheitlich darauf beziehen, welche Schuhe sie anhatten. Und welches Kleidchen.

    • Silvia Aeschbach sagt:

      Ja, lieber Martin, als kleines Mädchen, das ich damals war, speicherte ich die Dinge anders ab als eine Erwachsene. Und wenn Sie das Posting bis zum Schluss gelesen hätten, wäre Ihnen auch klar, dass ich dieses Ereignis vor allem mit den Emotionen meiner Mutter verbunden habe.

      • Martin Frey sagt:

        Ich habe den Beitrag bis zum Schluss gelesen, liebe Frau Aeschbach. Ja, bei der Mondlandung waren Sie wohl ein kleines Kind. Bei den anderen erwähnten, mehr oder weniger monumentale Ereignissen aber wohl kaum. Nehme ich zumindest an.
        Aber ich bin eigentlich überzeugt davon, dass Sie mit den erwähnten Ereignissen noch ganz viele andere Engramme verbindet, als das Loch im T-Shirt. Denn jede/r von uns weiss wohl, was er/sie am 9/11 wo gemacht hat, und was dabei emotional in uns vorging. Weshalb Sie aber derart den Fokus aufs Aeussere legen, ist mir ein Rätsel. Ich kenne niemanden, der sich nicht an den 9/11 erinnern würde, und zwar wie wenn es gestern gewesen wäre. Aber ich kenne persönlich auch niemanden, der noch weiss, ob das T-Shirt damals ein Loch aufwies oder nicht. Ganz ehrlich.

  • Pirmin Meier sagt:

    An 22. November 1963, gegen Abend, als die Nachricht von der Ermordung des Präsidenten Kennedy auf Radio Beromünster durch Heiner Gautschy gemeldet und kommentiert wurde, herrschte in der Zentralschweiz ein warmer sonnig gewesener Herbsttag, die Schüler des Internats des Kollegiums Sarnen hatten eine verschobene Herbstwanderung nachgeholt. „Sic transit gloria mundi“, so vergeht die Herrlichkeit der Welt, notierte ich auf Lateinisch auf einen Zettel, den ich an meinem Pult anbrachte, hingegen sagte ein politisch sehr interessierter Kollege: „Das war die Vergeltung für den Tod von Präsident Diem“ (in Südvietnam vielleicht unter dem Einfluss des CIA unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, kurz vor der Eskalation des Vietnamkrieges, den die Kennedys mitverantworteten).

  • The American sagt:

    Hervorragender Bericht Frau Aeschbach. Wir mögen uns an den Moment und die wichtigsten Punkte wie etwa den Standort und den Inhalt der Nachricht erinnern, aber je mehr man in die Details geht desto verschwommener wird das Bild. Derselbe Effekt beeinträchtigt auch Zeugenaussagen vor Gericht, bei welchem die Zeugen von Dingen wie etwa der Farbe eines vorbeiflitzenden Autos felsenfest überzeugt waren. Soches hat auch schon zu Fehlurteilen geführt.

    Der wohl berühmteste solcher einprägsamen Momente meiner Generation ist 9/11.

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