Best of: Ja, Schatz, du bist zu dick!
Die Autorin ist in den Ferien. Deshalb publizieren wir Postings aus den vergangenen Monaten, die besonders viel zu reden gaben. Dieses erschien erstmals am 22. Januar 2017.

Wenn es um die Figur geht, stimmen Fremd- und Selbstwahrnehmung selten überein. (Bild: «Venus mit dem Spiegel» von Diego Velázquez)
Irgendwann im Verlauf meines Lebens habe ich gelernt, dass es Fragen gibt, die ich besser nicht stellen sollte. Vor allem nicht meinen jeweiligen Partnern. «Findest du mich zu dick?», war eine davon. Denn entweder wurde ich angelogen, weil mein Gegenüber jeder Auseinandersetzung aus dem Weg ging, oder ich hörte, was ich nicht hören wollte, nämlich die ernüchternde Wahrheit. Natürlich gab es auch die Fälle, in denen meine eigene Körperwahrnehmung und die Zweitmeinung, «Nein, das bist du nicht», kongruent waren, aber diese Fälle waren selten.
Was aber, wenn man diese für die Psyche so gefährliche Frage nicht stellt, der eigene Körper jedoch trotzdem beurteilt wird?
Eine meiner Freundinnen hat das kürzlich erlebt. Ihr sehr körperbewusster Freund, mit dem sie seit gut zwei Jahren zusammen ist, sagte zu ihr: «Ich finde, du solltest etwas gegen deinen wabbligen Bauch unternehmen.» Meine Freundin war tief getroffen. Natürlich kennt sie ihre Schwachstelle, aber so direkt darauf angesprochen zu werden, ist eine andere Sache. «Als wir frisch verliebt waren, hat ihn meine Wampe auch nicht gestört», heulte sie sich bei mir aus.
Ab in die Wüste?
Meine erste Reaktion war: «Schick den Typen in die Wüste!», aber nach einer Weile relativierte ich meine Meinung. Sie war zu Beginn der Beziehung tatsächlich schlanker gewesen, und sie wusste, dass ihrem Freund eine gute Figur wichtig war. «Stört dich dein Bauch auch?», wollte ich von ihr wissen. «Ja, natürlich», entgegnete sie. «Dann unternimm etwas dagegen, aber nicht, um deinem Lover zu gefallen, sondern, weil du dich schlanker wohler fühlst. Und falls er weiter an dir rumkrittelt, soll er sich besser eine andere suchen.»
So weit die Theorie. Die Praxis ist meist etwas komplizierter.
Ich erinnerte mich an eine Episode aus meinem Leben, die schon lange zurückliegt. Ich (zu jenem Zeitpunkt sehr schlank) lag, innig umschlungen, mit meiner neuen Liebe im Bett, da kniff er mich sanft in die Hüfte und flüsterte: «Ohne dieses Speckli würdest du mir noch besser gefallen.» Statt zu kontern: «Du mir mit ein paar Haaren mehr auf dem Kopf auch», tat ich so, als ob ich diesen Spruch nicht gehört hätte, war aber tödlich beleidigt. In der Folge verzichtete ich auf manches Dessert, aber mein sadistischer Ex fand immer weitere Kritikpunkte, sodass ich ihn schliesslich in die Wüste schickte.
Niemand ist perfekt
Was mich zu meiner ursprünglichen Frage zurückbringt: Darf man seiner Partnerin bzw. seinem Partner sagen, dass man sie bzw. ihn zu dick findet?
Nein, das darf man nicht. Auch diskrete Hinweise wie: «Schatz, wann warst du das letzte Mal im Fitness?», oder: «Muss dieses Dessert wirklich noch sein?», sollte man unterlassen. Denn solche Aussagen haben noch niemanden motiviert, etwas gegen zu viele Kilos zu unternehmen. Im Gegenteil, solche Belehrungen schüren nur Aggressionen und untergraben das Selbstbewusstsein. Denn seien wir doch ehrlich: Niemand ist perfekt, und das ist auch gut so.
17 Kommentare zu «Best of: Ja, Schatz, du bist zu dick!»
besser zu dick als zu dünn. hunger-haken sind unattraktiv.
Traurig diese Hypersensibilität! Was für eine Intimität ist das, wenn ich meinem nächsten Mitmenschen nicht mehr meine Meinung sagen darf. Wo bleibt das Vertrauen? Auch das Selbstwertgefühl! Arbeitet an Euch und lasst das Mimosenhafte. Es gibt wirkliche Probleme.
Na ja, ich stelle immer wieder fest, dass gerade die Menschen, die zu totaler Ehrlichkeit aufrufen, beleidigt und verletzt reagieren, wenn man mit ihnen selber sehr ehrlich ist.
Es kommt wohl auf die jeweilige Beziehung an: mein Mann hat nie ein Wort zu meinen Gewichts- und Stimmungsschwankungen verloren, er hat mir nie gepredigt, als ich noch rauchte. Das einzige, was er dafür ‚verlangt‘, ist derselbe Respekt von mir. Und genauso halte ich es, denn er ist alt genug, um selber zu wissen, was ihn warum an sich selber stört.
In anderen Beziehungen ist das anders, aber genauso zu respektieren.
Problematisch wird es immer dann, wenn einer meint, dem anderen seine Vorstellungen aufdrängen zu müssen, obwohl vorher nie darüber gesprochen wurde, was es verleidet.
Das darf man nicht verallgemeinern. Dass ich dick wurde, kam (wegen einer durch Kindsmissbrauch gestörten körperlichen Selbstwahrnehmung) erst wirklich in meinem Bewusstsein an, als es zum Problem wurde. Ich wäre dankbar gewesen, hätte mich jemand vorher freundlich, aber deutlich drauf gestossen. Wenn man sich kaum noch am eigenen Ranzen vorbeiquetschen kann, um Schuhe zu binden, ist das deprimierend.
Inzwischen bin ich das Übergewicht dank dem Absetzen von Kohlehydraten wieder los.
Wie ich die Menschen sehe, steht und fällt mit dem Charakter. Ich kenne Leute, die allgemein als sehr schön gelten, die ich hässlich finde. Und andere, die als unattraktiv beleidigt werden, die ich wunderschön finde. Abgesehen von Gesundheit und Mainstream liegt Schönheit im Auge des Betrachteres.
Meine ehemalige Freundin (56) hatte wirklich eine sexy Figur. Schlank, kaum Orangenhaut, ein paar Spuren am Bauch von 3 Geburten, straffer Busen, schönes Haar, intelligent, humorvoll. Und ihr Körper duftete in einer Art, dass es mir schwindlig wurde. Alles, wirklich alles perfekt. Ich machte ihr oft Komplimente wegen ihrer Figur, ihrem Charme, ihrem ganzen Wesen. Ich vermute, sie hat mir kein einziges Mal geglaubt. Schade. Leider hat sie sich anders entschieden. Wenn ich könnte, würde ich auch ohne all diese Äusserlichkeiten sofort wieder noch so gerne in ihre Arme versinken. Meine Konklusion: Du kannst es machen wie du willst, es wird immer falsch sein.
Sie armer Hund.
Die Franzosen sagen dazu „Il faut trouver la prochaine.“
Nodli Schwarz; was für eine Liebeserklärung an eine Verflossene – so schön!
Wer den Partner kritisiert (à la: Du engagierst dich zuwenig im Haushalt, du könntest dich mehr mit den Nachbarn/mit mir/den Kindern abgeben etc), der soll auch kritisiert werden dürfen.
Speziell Frauen in Beziehungen versuchen ihre Männer zu Haus/Familienmännern nach ihrem Gusto zu formen. Da darf Mann auch eine Haltung zu Fraus Formen haben…
@Sepp z.: Mutig, mutig, diese Einstellung! Ich habe gelernt, dass es besser ist, die Frauen nicht zu kritisieren, denn sie ertragen es nur ganz schlecht! Frauen zu kritisieren bringt einem dem die Bezeichnung „Sexist, Nazi, Macho“ oder ähnliches ein. Deswegen lebe ich lieber alleine. Mir geht nämlich die Nörgelei der Frauen auch gewaltig auf die Nerven! Aber nörgeln ist ja des Schweizers liebster Sport! Wer also keinen Hausdrachen zu Hause hat, der wird von den Nachbarn kontrolliert, irgendwelchen übereifrigen Polizisten usw. Die Hauptsache ist, die anderen haben recht. Ich bewundere Ihre Einstellung, wirklich!
Mutig? Ich finde Sie beide eher so ziemlich kindisch und egoistisch….so ist es wohl tatsaechlich besser Sie leben alleine…und ersparen einer Frau damit viel Kummer.
Den nicht mehr taufrischen oder gar alten Körper einer Frau finde ich nicht wüescht. Den einer Übergewichtigen hingegen schon…….
Find ich nicht, mir gefallen die beinmageren, älteren (über 50, wie ich) Frauen mit viel verrunzelter Haut gar nicht. Da sind die etwas molligen, aber noch „ausgefüllten“ älteren Körper doch lebensfroher…
ist doch perfekt das Geschmäcker verschieden sind
Ganz besonders mag ich als Mann den folgenden (realen) Verlauf der Konversation:
Sie: findest du mich zu dick?
Ich (ehrlich gemeint): Nein, sicher nicht
Sie: das stimmt nicht, du findest mich bestimmt zu dick
Das hat sich öfter mal wiederholt und nervt dann irgendwann beträchtlich…
Wenn das Gewicht ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem darstellt, ist obiger Artikel hinfällig.
Ideal ist eine Beziehung zu einer Partnerin, die gruusig kocht: Ein Freund von mir hat 20 Kilos verloren, die er angesetzt hatte, als er aufhörte zu rauchen.
Fragen die man/frau überhaupt nicht stellen sollte!
Ich hatte einmal einen etwas eitlen Chef, der sich immer gerne bestätigen liess wie toll er doch war. Grösstes Augenmerk richtete er auf seine Kleidung,und da ganz speziell auf sene Hemden/Kravatten Kombinationen.
Meine Bürokollegin bestötigte ihm jeden Morgen wie toll, ausserordentlich elegant und gut sein Geschmack doch sei. Wenn er mich dann ganz direkt auf meine Meinung ansprach, fragte ich jeweils zurück: möchten sie eine nette oder ehrliche Antwort? Diese Frage gefiel ihm nicht besonders und meist verzichtete er dann auf meine Antwort – was mich aber eher erleichterte.
Ich weiss nicht ob mein Geschmack oder seine Kombinationsgabe so unterirdisch war!
Wer von uns beiden Büroangestellten beliebter war – ist auch ziemlich klar!