Wünschen sich Frauen wirklich eine Lustpille?
Andrea Burri beantwortet heute keine Leserfrage, sondern berichtet aus der Welt der Sexualwissenschaften.

Mehr Lust statt öfter Lust: Frauen haben andere Erwartungen an eine Lustpille. (Bild: Raisa Durandi)
Vor gut zwei Jahrzehnten kam Viagra auf den Markt und löste eine pharmako-sexuelle Revolution aus. Die Resonanz war schlicht überwältigend. Ein Milliardengeschäft für den ursprünglichen Patenteigner Pfizer, aber auch eine grosse Herausforderung für die Pharmaindustrie, ein ähnlich wirkungsvolles und erfolgreiches «Potenzmittel» für die Frau zu entwickeln. Emsig wurde nach dem Erfolg von Viagra an einem pinken Äquivalent geforscht – doch lange Zeit ohne Erfolg.
Nachdem 2004 Pfizer seine Pläne für ein luststeigerndes Medikament für Frauen mangels erfolgreicher Studienresultate auf Eis gelegt hatte, kam sechs Jahre später neue Hoffnung auf. Boehringer Ingelheim behauptete, mit Flibanserin einen Wirkstoff gegen sexuelle Lustlosigkeit bei Frauen entdeckt zu haben. Die US-Gesundheitsbehörde FDA äusserte jedoch Zweifel am Nutzen des Mittels und hatte Bedenken bezüglich möglicher Nebenwirkungen. Daraufhin stellte man die Entwicklung der Pille ein.
«Pinkes Viagra» ist ein Psychopharmakon
In den Jahren danach übernahm das US-Unternehmen Sprout Pharmaceuticals die Weiterentwicklung des Präparates, welches im 2015 unter dem Produktnamen Addyi schliesslich für den US-Markt zugelassen wurde. Addyi wird häufig als «pinkes Viagra» bezeichnet, was jedoch weder in Bezug auf die Wirkungsweise noch auf die Indikation korrekt ist. Denn im Gegensatz zu Phosphodiesterase-5-Hemmern handelt es sich bei Addyi um ein Psychopharmakon. Das heisst, das Präparat wirkt weniger körperlich als psychisch. Zudem zielt das Medikament auf die Erhöhung der sexuellen Lust ab und nicht in erster Linie auf die Behandlung von Erregungsproblemen.
Doch besteht denn überhaupt die Nachfrage nach chemischen Liebesstimulanzien in Tablettenform? Natürlich halten Pharmakonzerne die Entwicklung einer solchen Pille für absolut notwendig. Doch wie sieht es mit der eigentlichen Zielgruppe aus? Die Verkaufszahlen von Addyi präsentieren sich nämlich enttäuschend und lassen die Vermutung aufkommen, dass Frau möglicherweise gar kein grosses Interesse an einer solchen Pille hat.
Nicht mehr Sex, aber mehr Spass am Sex!
Eine soeben publizierte Schweizer Studie hat die Frage genauer untersucht: So sollen rund 61 Prozent der befragten Frauen die Einnahme eines sogenannten Präparats für «Sex-Boosting» in Betracht ziehen. Dabei erhoffen sich die Frauen hauptsächlich «mehr Spass am Sex» und «grössere sexuelle Zufriedenheit» – und zwar durch erhöhte sexuelle Lust und intensivere Orgasmen. Idealerweise sollte ein solches Medikament eine Stunde nach der Einnahme Wirkung zeigen und lediglich auf Verlangen hin eingenommen werden müssen.
Die Forscher fanden ebenfalls – nicht ganz überraschend – heraus, dass Frauen, die unzufriedener in ihrer Partnerschaft sind, die Einnahme einer solchen Pille eher in Betracht ziehen. Dies scheint jedoch auch abhängig von der Persönlichkeit zu sein. Generell lässt sich also sagen, dass die Nachfrage nach einer «Liebespille» zwar existiert. Sie soll jedoch weniger dazu dienen, die Frequenz sexueller Aktivitäten zu erhöhen, sondern generell mehr Spass am Sex bieten. Es scheint einmal mehr an der Zeit, uns vom männlichen Paradigma zu lösen: Nicht die Funktionalität soll im Vordergrund stehen, sondern vielmehr Intimität, Zufriedenheit und der Lustfaktor.
27 Kommentare zu «Wünschen sich Frauen wirklich eine Lustpille?»
die lustpille für die frau scheint ein männerthema zu sein *LOL*
Der unterschied zwischen mehr koennen oder mehr wollen…einfach! Anstatt die milliardenkonzerne zu unterstuetzen waere es mit gespraechen und ehrlichkeit billiger und effektiver geloest.
Who was XY? Who is his or her incarnation?
Wäre ich eine Frau, würde ich auch nicht ein Psychopharmakon einnehmen wollen: allerdings gibt es (in California wo Cannabis legal ist) das natürliche Mittel namens Foria das für Frauen luststeigernd wirkt ohne zu berauschen. Ist hier in der Schweiz aus politischen Gründen illegal. Aber völlig harmlos. Interessierte könnens googeln.
„Es scheint einmal mehr an der Zeit, uns vom männlichen Paradigma zu lösen: Nicht die Funktionalität …“
Oje. Ich dachte, das sei ein weibliches/matriarchalisches Paradigma.
Die neue Fake-Wissenschaftlichkeit.
Die Schlussfolgerung geht m.E. völlig am Thema vorbei. Dass ein „männliches Paradigma“ quasi verantwortlich sein soll, dass nicht längst pharmazeutische Präparate entwickelt wurden, die einfach mal so „Intimität, Zufriedenheit und [den] Lustfaktor“ erhöhen, ist doch absurd. Alleine weil so etwas natürlich nicht auf medizinischem Weg erzeugen lässt.
Interessant an der Thematik ist eher, dass in der Frage ständig zwei Produkte verglichen werden, die auf völlig andere Probleme abzielen. Viagra hilft, mal salopp gesagt, Männern, die zwar wollen, aber nicht können. Addyi hingegen scheint auf Frauen abzuzielen, die zwar wohl könnten, aber nicht wollen. Wenn man aber keine Lust auf Sex hat, dann haben wohl auch die wenigsten Lust, sich diese Lust mit Psychopharmaka anzutherapieren.
Es gibt nun mal Frauen, die haben keine Lust mehr, aber Lust auf mehr Lust…
Das mag sein, die Frage ist halt, ob Psychopharmaka da wirklich hilfreich sind, zumal diese in den klinischen Tests ja so weit mir bekannt lachhaft geringe Effekte gezeigt haben trotz täglicher Einnahme.
Zumal „fehlende Lust“ eine sehr vielschichte und individuelle „Diagnose“ ist, entsprechend ist es auch eher naiv zu meinen, eine Wunderpille könne das wegzaubern. Alleine weil das in vielen Fällen eher an äusseren Umständen (der Lebenssituation, dem Partner, etc.) liegt. Oder auch ganz einfach am fehlenden Willen. Ein Hauptproblem bei angeblich „fehlender Lust“ ist ja, dass die Betroffenen meinen, diese würde irgendwie aus dem Himmel fallen. Dabei reicht oft einfach schon, bewusst zu wollen und dann zu machen..
Ich bitte um Aufklärung: Handelt es sich denn bei Viagra für den Mann denn um eine Lustpille? Im Artikel ist es angetönt und ich dachte, Viagra würde ausschliesslich die Erektion hervorrufen – also einen rein physischen Effekt erzeugen. Da ich selber nie Viagra probieren konnte, würde ich doch gerne wissen, ob die Einnahme der Pille beim Mann auch einen – psychischen – Lusteffekt erzeugt.
Wenn nicht, dann verstehe ich die ganze Diskussion nicht ganz: Genügt es beim Mann, einen physischen Effekt hervorzurufen, während es nur der Frau gegönnt sein soll, auch einen Lust-Boost zu bekommen? Wenn schon, sollte die Diskussion doch unabhängig vom Geschlecht geführt werden. Als Mann hätte ich nichts dagegen, mit einer Pille die sexuelle Lust erhöht zu bekommen …
Nein – sie haben das schon richtig verstanden. Die Problematik bzw. Herausforderungen sind eben verschieden.
Deshalb muss man sich ja von der Vorstellung verabschieden, dass Frauen dieselbe Art Hilfsmittel brauchen, wie Männer.
Lust-Boosts gibt es natürlich schon lange, auch ohne Pharma, aber nicht alle fahren auf das Gleiche ab. Und Boosts hin oder her: das Wichtigste bleibt natürlich, dass Männlein und Weiblein begreifen, wie die eigene und jeweils andere Sexualität funktioniert. Und dass sie sich finden. Etwas so persönliches läuft auch mit aphrodisierenden Boosts nicht von alleine.
Viagra ist für den Mann, der will aber aufgrund mangelnder Erektion nicht kann. Im Gegensatz dazu soll das Medikament Flibanserin bei der Frau dazu führen, dass sie überhaupt erst will.
Warum ist das ein männliches Paradigma? Und: Nehmen denn die Männer Viagra nur und ausschliesslich zu ihrem eigenen Vergnügen?
„Fragen Sie nicht, warum andere Männer Viagra nehmen, fragen Sie sich, warum Sie es nehmen.“
frei nach JFK
Mich würde noch interessieren, ob Sie Bur ri zustimmen würden, dass dies ein männliches Paradigma ist: „Es scheint einmal mehr an der Zeit, uns vom männlichen Paradigma zu lösen: Nicht die Funktionalität soll im Vordergrund stehen, sondern vielmehr Intimität, Zufriedenheit und der Lustfaktor.“
Ist der Lustfsktor, Intimität und Zufriedenheit nicht auch wichtig für Männer? Für Sie?
Ja – HH – aber es war doch der SP der dauernd plädiert hat, dass Männer eben nicht so sind wie Frauen im Bett da Männer einige Mia für Bezahlsex locker machen (wo er ja nicht ganz unrecht hat).
Und ja es ist offensichtlich ein Unterschied: Weibliche Lustlosigkeit ist nicht vergleichbar mit dem männlichen Problem das sich mit Viagra beheben lässt. (Deshalb konnte man ja keine analoge Pille herstellen.) Und deshalb hat Frau B recht, wenn sie sagt, es wäre Unsinn, wenn sich Frauen an diesen männlichen Paradigmen orientieren.
Zu ihrer Frage: Meine Sexualität scheint nicht ganz repräsentativ zu sein für die Männer. Bei mir läuft das ganz über die Schiene Intimität und Vertrauen, deshalb war und bin ich immer gegen Bezahlsex (selbst das wurde mir schon als Männerfeindlichkeit angedichtet).
Bei mir und vieler meiner Kumpels läuft das ganz über die Schiene Intimität und Vertrauen, wie bei Ihnen.
„Meine Sexualität scheint nicht ganz repräsentativ zu sein für die Männer.“ oder viele Männer sind halt nicht so, wie das Bild über sie besagt. Oder kann es sein, dass Sie sich auch datin gefallen, ein ganz spezieller Mann zu sein? Anders/ besser als all die anderen?
Könnten Sie sich auch vorstellen, dass einige Männer Viagra auch nehmen, weil sich ihre Frauen auch wieder eine erfüllte Sexualität wünschen? Es nicht einseitig ist?
Nein, nein – der SP hat mir ja darin stets widersprochen und meine Haltung irgendwie männerfeindlich ausgelegt.
Und jetzt wieder, wenn man sagt, es sei anders… ist es auch wieder nicht recht.
Zudem – habe ich ja beantwortet, warum Frau B. durchaus, objektiv recht hat. Frauen brauchen etwas anderes als Viagra. Für viele viele viele Männer hingegen scheint Viagra genau das zu sein, was ihren Wünschen entspricht.
HH hat recht. Vermutlich nehmen viele Männer Viagra auch ihren Frauen zu liebe (ob die das wirklich wollen ist eine andere Frage).
Tatsächlich ist das für mich das Befremdliche. Sex ist Teil der meisten Partnerschaften und äusserst wichtig, gerade wegen der Intimität. Da würde man doch erwarten, dass man einiges unternehmen würde, um dies aufrechtzuerhalten.
JA SP, Sie haben recht. Das bessere Geschlecht scheut kein Bemühen, während sich das undankbare Geschlecht einfach nicht bemühen will. Es ist wirklich ungerecht. Ich habe das in meinem vergangenen Leben auch so erlebt.
Jedoch ist die Lösung einigermassen gerecht: ein Mann muss dieses komplexe, irrationale Ding namens Frau irgendwie (mehr wird nie möglich sein) verstehen und lieben; und eine Frau muss dieses komplexe, irrationale Ding namens Mann irgendwie (mehr wird nie möglich sein) verstehen und lieben, wenn sie gemeinsam Everest um Everest erklimmen wollen. Es gibt keinen anderen Weg. ABER diesen Weg gibt es tatsächlich. Aber ihn zu finden, kann bisweilen sehr schwer sein. Doch irgendwer muss einfach mal damit anfangen ihn zu suchen.
@RoXY: Warum nur immer dieser leicht überhebliche, leicht aggressive Unterton? Auch Sie kochen nur mit Wasser, auch Ihre Lösungen und Wege sind keine Patentrezepte.
Ich verstehe Ihr Anliegen durchaus, bei partnerschaftlichen Problemen die Ursachen auch und vor allem bei sich selbst zu suchen. Das ist sehr löblich. Dennoch darf man vom Gegenüber eine ähnliche „Investition“ in die Beziehung auch erwarten oder zumindest erhoffen. Beziehung auf Augenhöhe funktioniert ja nur, wenn beide Seiten daran arbeiten.
SP Ich sagte: Sie haben recht. Ich kenne das. Es ist ungerecht. Es gibt aber dennoch eine Lösung.
Aber die Lösung kann u.U. schwierig sein. Es ist keine Patentlösung, weil es zwei braucht. Es ist keine Lösung mit Garantie. Aber es ist die einzige wirklich befriedigende Lösung.
Ich vermute, Ihr einziges Problem liegt im allerletzten Satz: Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: am Ende müssen wir uns (als Heteros) mit den Frauen arrangieren und sie mit uns.
Wir können ewig streiten, ewig „berechtigte“ Vorwürfe an die andere Seite postulieren. Wir können ewig bestätigende Rückmeldung unserer Leidensgenossen erhalten und im Recht sein, aber auf diese Weise bekommen wir nie, was wir wirklich wollen.
Ich koche nur mit Wasser. Stimmt.
Ich kenne die „Ungerechtigkeit“, an der Sie sich seit Jahren nun schon stossen aus eigener Erfahrung. Aber es ist möglich, das zu überwinden. WIE? Muss wohl jeder selbst einen Weg finden. Aber eines ist ganz klar: niemals auf dem Weg von „XX … sollte sich mal ändern“ oder „XY sollte sich mal ändern“.
Das ist für Männer, wie für Frauen genau gleich. Aus einem Trauma oder einer Kränkung heraus, wird man nie den Weg finden, dass es läuft.
Meine subtilen Sticheleien sind also stets gut gemeint. Da ich aus Erfahrung weiss, auf welchem Weg man die Probleme überwinden kann und auf welchem Weg EBEN NICHT.
Das ist die lächerliche feministische Logik. Männer nehmen Viagra weils sie selbst wollen. Frauen lassen Brustvergrösserungen und Schönheits-OPs durchführen, weil sie unter dem Druck des Patriarchats müssen. Ob die Feminazis merken, wie peinlich solche Argumentationen sind?
@Fabian: Bitte mässigen Sie sich. Sie können Ihre Argumente doch auch vorbringen ohne solche Ausdrücke/Beleidigungen.
Fabian, ich lese gerne Deine Komentare, aber witzig und locker vorgetragen, sitzt der Stachel tiefer.
Wünsche Dir ein schönes Wochenende!!
fabian, auf den punkt gebracht.
danke.