Warum lebt der Mensch monogam?
Immer wieder ist die sexuelle Treue ein Thema, auch in meinem Bekanntenkreis. Wenn es vielen Menschen so schwerfällt, sich nur auf einen Partner zu fokussieren, fragt sich: Warum leben wir überhaupt monogam?
Generell gilt es, zwischen sozialer und sexueller Monogamie zu unterscheiden. Vermehrt findet auch eine Trennung der Begriffe Monogamie und Ehe statt, sodass mit Monogamie heutzutage meist die sexuelle Treue in einer Partnerschaft beschrieben wird – unabhängig von der Rechtsform.
Polygame Ehen
Aber leben wir wirklich monogam? Tatsächlich ist die Monogamie in einigen vor allem nicht westlichen Gesellschaften keinesfalls die typische Eheform, und es gibt zahlreiche Länder, in denen die Einehe nicht als sittliche oder gesetzliche Norm gilt, sondern in denen polygame Ehen anerkannt sind. Dabei handelt es sich in rund 80 Prozent der Fälle um Polygynie (Vielweiberei) und lediglich in ungefähr 0,5 Prozent um Polyandrie (Vielmännerei). Dies hängt hauptsächlich von der vorherrschenden Religion in den jeweiligen Ländern ab. So ist die Polygamie unter anderem im Islam und Hinduismus erlaubt. In Ländern und Kulturen, welche die Monogamie vorschreiben, bleibt es dennoch fraglich, wie viele Paare sich auch wirklich sexuell treu sind.
Kulturübergreifenden Untersuchungen zufolge gehen nämlich zwischen 15 und 50 Prozent der Menschen, Männer wie Frauen, aussereheliche Affären ein. Rund 70 Prozent würden es gern tun, wenn sie Gelegenheit dazu hätten. Das lässt schon mal Zweifel aufkommen, ob wir nicht womöglich völlig verfehlt und widernatürlich auf sexueller Monogamie und Treue beharren.
Vorteile der Monogamie
Untersuchungen zu den Faktoren, welche das Paarverhalten beeinflussen, gestalten sich im Tierreich deutlich einfacher. Bei uns Menschen sind unsere Verhaltensweisen und Normen so stark kulturell geprägt, dass es schwierig ist herauszufiltern, inwiefern biologische Faktoren unsere Lebensart geformt haben. Laut populationsgenetischen Studien ist die Monogamie jedoch ein relativ junges Phänomen, welches sich erst vor rund 20’000 Jahren stärker etabliert hat. Allerdings wird davon ausgegangen, dass wir von Anbeginn sozial monogame Beziehungen geführt haben. So findet die Monogamie als Zweckbündnis im Dienste der Fortpflanzung einen Kompromiss. Denn laut evolutionsbiologischen Theorien muss der Mann Untreue unterbinden, um nicht zu riskieren, dass er seine Energie auf mögliche Kuckuckskinder verschwendet, wohingegen die Frau sicherstellt, dass der Mann seine Ressourcen nur mit ihr und nicht mit anderen Frauen teilt.
Nebenbei haben Forscher herausgefunden, dass eine langfristige Beziehung gut für die psychische Gesundheit ist und sich auch vorteilhaft auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder auswirkt. Andere Studien fanden, dass monogame Gesellschaften besser vor Geschlechtskrankheiten geschützt sind und die Beziehungen sich weniger konfliktreich gestalten.
Monogam zu leben, hat also durchaus seine Vorteile. Aber der Wunsch nach Monogamie gründet nicht nur auf «faktischen» Vorteilen. Immerhin wünscht sich die Mehrheit der Menschen eine glückliche, langfristige Beziehung, welche auf Liebe als wichtigstem Motiv basiert. Dass Untreue dabei die häufigste Ursache für Streit und Trennung darstellt, liegt wohl an unserem unterschiedlichen und oft nicht realistischen Verständnis von Treue.
Sexualwissenschaftlerin Andrea Burri beantwortet einmal wöchentlich eine Leserfrage zum Thema Sexualität und Liebe. Diese wird vertraulich behandelt und ohne Namensnennung publiziert. Schreiben Sie uns an sexologisch@tages-anzeiger.ch.
12 Kommentare zu «Warum lebt der Mensch monogam?»
Man kann seine Träume und Fantasien ausleben.
Oder man zwingt sich zu einem Leben in dem immer irgendwas fehlt.
was Du nicht willst das man Dir tut, das tuh auch keinem Andern zu.
Wenn man also nicht betrogen werden will, sollte man sich an die Treue halten.
Wenn beide es für ok halten fremd zu gehen – auch ok, aber im Einverständnis bitte.
@Maier Tom:
Genau! Dankeschön.
Würden sich alle an diesen Grundsatz halten (oder zumindest bemühen, diesen umzusetzen), dann gäbe es weniger Schmerz und Elend.
Die Monogamie ist ein demokratisches und humanistisches Modell. Wenn sich die Polygamie fuer Jaeger und Sammler vorteilhaft auswirkt (bessere Chancen zur Verbreitung der Gene), jedoch fuer Hausgebundene negativ (kein stabiler Beschuetzer und Ernaehrer), dann stellt bloss die kinderlose Beziehung eine Patt-Situation dar, in der jegliches Beziehungs-Modell adoptiert werden kann.
Sobald jedoch Kinder in die Gleichung eintreten, die ebenfalls von der Monogamie profitieren (vorteilhafte Persoenlichkeitsentwicklung), sind die Vetreter der Polygamie ueberstimmt. Ein monogames Leben ist ein Kraftakt, genauso wie eine funktionierende Demokratie ein Kraftakt ist. Somit sollte es die Verpflichtung aller Familien-Mitglieder sein , an der Monogamie hart zu arbeiten um “Putschversuchen” vorzubeugen.
Bei aller Liebe, aber schon die Grundthese „Homo Sapiens Sapiens“ ist monogam hält keiner echten Prüfung stand: Zieht man die zeitliche Komponente ab, dann haben wohl die meisten Menschen mehr als einen Sexualpartner in ihrem Leben, sind also nicht monogam. Mit zeitlicher Komponente wird es schwierig: Wie gross muss die zeitl. Distanz zwischen sexuellen Kontakten mit unterschiedlichen Partnern sein, damit man noch als monogam gilt? Antworten hierzu sind höchst subjektiv. Scheidungsraten >50% sagen ihr übriges, denn auch hier wechselt in der Regel der Sexualpartner. Der Mensch versucht halbwegs monogam zu sein, aber seine Biologie ist nicht dafür gemacht. Man schaue nur auf die Schimpansen…
Monogamie meint „einen aufs Mal“ und nicht „nur einen für immer“.
Sex ist nach Injektionen die sicherste Methode, Infektionskrankheiten zu verbreiten. Schon deshalb sterben polygame Gesellschaften eher aus. Diese Krankheiten traten erstmals mächtiger auf mit dichtbesiedelten landwirtschaftlichen Gesellschaften mit Uebertragung von Tieren. Beispiele AIDS und Ebola.
Für den Mann ist Polygamie evolutiv ganz klar von Vorteil. Wenn ich 100 Frauen begatte, steigen meine Chancen, dass meine Gene weitergegeben werden.
Für die Frau ist es anders, ihre Anzahl Nachkommen ist begrenzt. Darum braucht sie den Beschützer, der sie und ihre Brut durchbringt.
Nope; es gibt (Ausnahmen bestätigen die Regeln) eigentlich zwei „Quantitätsmodelle“ bei der geschlechtlichen Fortpflanzung:
a) Möglichst viele, so dass auch ohne Obhut ein paar Durchkommen
b) eher weniger, die dafür mit Obhut
Der Mensch gehört zu zweiterem; wenn er sich zu viel „anschafft“, dann kann er nicht genügend Sorge aufbringen und risikiert, gar keinen durchzubringen
Zu folgender These: „So findet die Monogamie als Zweckbündnis im Dienste der Fortpflanzung einen Kompromiss. Denn laut evolutionsbiologischen […] mit anderen Frauen teilt.“ gibt es ein ganz spannendes Buch, welche diese komplett in Frage stellt: „Sex: die wahre Geschichte“ .
Ihre These ist, dass die Monogamie erst mit der Sesshaftigkeit der Menschheit begann und vorallem dem Zweck dient, Besitz zu wahren und klar zu verteilen. Davor hätte der Mensch in Gemeinschaften gelebt, welche Sex neben der Fortpflanzung auch als soziales Instrument genutzt haben. Damit, Ihre These, sei auch die anhaltende Mühe mit der Monogamie erklärt. Auch die evolutionsbiologische Erklärung der Monogamie wird von den Autoren in Frage gestellt.
So ist es. Sie meinen die das Buch „Sex at Dawn – How We Mate, Why We Stray, and What It Means for Modern Relationships“ von Christopher Ryan und Cacilda Jetha. Extrem lesenswert.
Ganz genau, unterdessen auch in einer Deutschen Übersetzung vorhanden, eben „Sex: die wahre Geschichte“.