Schatz, mach die Badezimmertüre zu!

Wasserspiele, wie sie Kim Basinger und Mickey Rourke im Film «9 1/2 Weeks» trieben, sind nicht jedermanns Sache. (Foto: Trimark Pictures)

Es soll ja Paare geben, die lieben es, miteinander zu duschen und/oder zu baden. Und dies nicht nur in der ersten Phase des Verliebtseins. Sie können stundenlang im Wasser planschen oder sich anderen Vergnügungen hingeben.

Laut einer britischen Umfrage verbringen jedenfalls junge Paare unter 34 Jahren heute mehr Zeit miteinander im Bad als am Esstisch. Für mich eine unverständliche Vorstellung. Ich teile nämlich nicht gern. Weder das Badezimmer noch die Wanne. Und was den Sex unter der Dusche betrifft: Der sieht in Filmen immer hammermässig aus, im wahren Leben verbinde ich damit blaue Flecken und Krämpfe in Armen und Beinen. Und bei lustigen Spielen in der Badewanne wäre ich beinahe einmal abgesoffen. Das zu heisse Wasser und die körperliche Aktion waren zu viel für meinen Kreislauf. Und statt heisser Küsse bekam ich von meinem Liebsten schmerzhafte Klapse auf die Wangen, die mich aus der Ohnmacht holten.

Auch was die Körperpflege betrifft, bestehe ich auf einer gesunden Distanz zu meinem Umfeld. Ich habe mir noch nie vor einem Mann die Achseln rasiert, die Haare gefärbt oder die Zehennägel geschnitten. Und ich hoffe, dass ich mir diese Privatspähre auch erhalten kann. Ausser es wird mich, in hoffentlich ferner Zukunft einmal, ein männlicher Pfleger im Altersheims betüddeln müssen. Aber dann werde ich sehr wahrscheinlich andere Sorgen haben als unerwünschten Haarwuchs.

Angeblich gehen 46 Prozent der Deutschen sogar ungeniert vor dem Partner auf die Toilette. Was sagt das über die Beziehung aus? Je grösser die Liebe, desto offener die Klotür? Oder ist es gar ein Zeichen von Vertrautheit? Ich kenne Frauen, deren grösster Horror am Anfang einer Beziehung war, vor dem Geliebten aufs Klo zu gehen. Sie sind der Meinung, dass allfällige Geräusche der Leidenschaft Abbruch tun könnten. Von Männern habe ich das noch nie gehört. Aber die haben ja auch einen unverkrampfteren Umgang mit Körperausscheidungen. «Wenn sich Partner neu kennenlernen, werden sie auch sicher nicht voreinander zur Toilette gehen. Sie halten diesbezüglich Abstand, weil die körperliche Anziehung möglichst nicht eingeschränkt werden soll. Wenn sich das im weiteren Verlauf der Beziehung ändert, ist das ein Zeichen dafür, dass die Beziehung mehr partnerschaftlich und weniger leidenschaftlich geworden ist», sagte der Hamburger Paarberater Michael Mary (62), Autor von über 30 Beziehungsratgebern.

Ist Schamgefühl also geschlechtsspezifisch? Nein, mit den Genen hat das nichts zu tun. Aber sicherlich ist sie rollenspezifisch. «Wenn – meist sind es die Frauen – Partner versuchen, ihre sogenannten körperlichen Schwächen zu verbergen, dann wollen sie sich nicht im Rohzustandzeigen, sondern erst nach der Verschönerung», sagt der Experte.

Doch zurück zur Klotüre. Ich frage mich: Was hat eine offene Klotüre mit Partnerschaftlichkeit zu tun? Fühle ich mich meinem Liebsten enger verbunden, wenn ich mehr über seine Darmtätigkeit weiss? Auch wenn der Darm momentan der Liebling des Smalltalks ist und sich der Bestseller «Darm mit Charme» seit zwei Jahren in der Buchhitparade hält: So genau will ich es nicht wissen!

Natürlich bleibt im Laufe einer langjährigen Beziehung wenig Platz für Geheimnisse, und das ist durchaus gut so, auch wenn zu viel Vertrautheit die Leidenschaft killen kann. Aber eine gemeinsam erlittene Magen-Darm-Infektion kann durchaus eine enge Verbindung schaffen. Doch wenn es um die alltägliche Körperpflege geht, dann bestehe ich auf meinem Freiraum. Das wusste übrigens schon Julia Roberts, als sie sich in «Pretty Woman» die Erdbeerreste mit Zahnseide hinter verschlossener Türe herauspulte.

13 Kommentare zu «Schatz, mach die Badezimmertüre zu!»

  • Mac Andy sagt:

    Schamgefühl und Verklemmtheit ist ein Stempel der Religionen und Kirche.
    Wieso sollte ich mich vor einem Partner verstecken oder etwas verheimlichen.
    Wenn man wirklich liebt, stört es einem doch nich, wenn der Partner ein Fältchen hat oder ein Pickel am Po. Die Gerüche nach dem Geschäft riecht man auch nachher noch, wenn es nur ein WC hat im Zuhause.
    Alles ist doch einfach natürlich, ich möchte nicht wissen, was diese Personen beim Sex machen. Da wird dann wild geleckt und berührt, was so schmutzig und versteckenswert sein soll.
    Die Menschheit ist doch merkwürdig und welche Probleme sie sich selber auferlegt.

  • HomeImprovementQueen sagt:

    Schamgefühl, den Partner nicht anpupsen, Klotüre schliessen, bei klirrender Kälte das WC-Fenster offenlassen, bloss damit der Partner nicht merkt, dass mein Geschäft nicht nach Rosen riecht – alles schön und gut. Dann kommt das erste Kind, der Mann ist bei der Geburt dabei und bekommt innert Stunden alles serviert, was wir ihn während Jahren gerade nicht sehen lassen wollten.

  • Benni Aschwanden sagt:

    Es geht dabei letztendlich um etwas, das sich heutzutage zur aussterbenden Verhaltensweise entwickelt, nämlich Respekt und Rücksichtnahme. Dass ich meine Partnerin/ meinen Partner gut kenne heisst nicht, dass ich mich zu Hause wie ein Schwein benehmen muss. Genauso wie ich meine Partnerin nicht anrülpse oder anpupse (ausser ich bin ein Oger) gibt es neben akustischer und geruchlicher eben auch die optische Belästigung. Ich erachte solches Sich-gehen-lassen nicht als Vertrautheit, sondern als Zeichen schwindender Bemühung, beim anderen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Zeiten des Balzens und Flirtens sind vorbei, man ist sich seiner Partnerschaft (manchmal allzu) sicher.

  • Irene feldmann sagt:

    Fühlt man sich gegenseitig genug verbunden, dann existiert Schamgefühl eigendlich nicht. Takt und Rücksicht fände ich aber unerlässlich.

  • Max Blatter sagt:

    Schamgefühl? Für mich zu 100% anerzogen! Ich kann das auch begründen: Zuhause war Nacktheit etwas Selbstverständliches. Entsprechend gab es für mich beim ersten Schwimmbadbesuch im Kindergarten keinen Grund, beim Umziehen irgend einen „Blickschutz“ aufzubauen. Dass das für andere (Jungen und Mädchen in der gleichen Garderobe) nicht ganz so selbstverständlich war, merkte ich am Gekicher um mich herum und an leichten Klapsen aufs Hinterteil. Worauf ich künftig halt wie die andern das Badetuch über die Lenden legte… Ich will jetzt daraus keine schlimme Traumatisierung konstruieren, aber es war doch eine erste Beeinträchtigung des natürlichen Umgangs mit Nacktheit und der mit ihr untrennbar verbundenen Sexualität. Diese Natürlichkeit aber sollte sich die Gesellschaft unbedingt bewahren!

    • Andi sagt:

      Das ist mir etwa ähnlich ergangen.
      In der ersten Klasse wollte unsere Lehrerin, dass wir uns alle in der selben Umkleide umziehen, um alle im Auge zu haben. Da haben mich die Jungs das erste Mal ausgelacht, weil ich mich nicht ins Tüechli eingehüllt habe…
      Später haben sich Jungs und Mädchen getrennt umgezogen, und ich wurde wieder ausgelacht, weil ich es unterdessen mit dem Tüechli gelernt habe. Ich konnte ja nicht wissen, dass sich kleine Jungs nur vor Mächden nicht nackt zeigen…

  • Tischhauser Heinrich sagt:

    Was soll man da noch sagen? Höchstens gut ist gut. Lebensnah, wirklich und passend. Weiter so.

  • lis fankhauser sagt:

    Wie wahr, Sie sprechen mir aus dem Herzen!!!

  • edith schmidt sagt:

    ich bin genau wie silvia für geschlossene türen im bad.. je grösser mein gefühl für einen menschen desto grösser mein respekt vor mir selber, das heisst, eine engen emotionale bindung bedeutet für mich eine für mich normale! distanz in ganz intimen und ganz alleine zu erlebenden momenten.. sogar geburten fand ich, gehörten nur mir und der hebamme. meinen töchtern würde ich auch heute noch keine nackt herumlaufende mam zumuten..ich bin sehr zufrieden in diesem blogbeitrag zu lesen, dass eine ( für mich wichtige) scham auch gegenüber dem partner noch nicht ganz ausgestorben ist. einen neuen wert finden, im sich zurückhalten fände auch ich besser, wie eine noch grössere blosstellung all unserer intimen momente.. mich bereeichert mein ,,schamgefühl,, ich würde dieses nie! aufgeben. edith

    • Sportpapi sagt:

      Ich frage mich gerade, was ich denn als Mann von einer Partnern haben könnte, die sich vor mir schämt (und darauf noch stolz ist), die sich für ihre Nacktheit schämt, die ich vermutlich nie ungeschminkt kennenlernen dürfte (also vermutlich getrennt schlafen? – und sowieso nur im Dunkeln, wenn überhaupt). Die immer versucht, Distanz zu wahren, sich selbst zu schützen.
      Ist es nicht gerade dieses sich einlassen, voll und ganz, sich zeigen, Intimität teilen, die Basis für eine erfüllende Beziehung und erfüllende Paarmomente?

  • Flo sagt:

    Schamgefühl – manchmal könnte man den Eindruck gewinnen das dieses Wort immer mehr an Bedeutung verliert!
    Was man da als Selfies und auf Social Medien so alles zu sehen bekommt lässt diesen Eindruck aufkommen.

  • sagt:

    Super Artikel Bravo!!

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