Gestörte Männer

Auch immer mehr «mittelalterliche» Männer streben einen perfekten Körper wie jenen von David Beckham an. (Foto: H&M).
Essstörungen verbinden wir heute mit hungernden Teenager-Mädchen oder jungen Frauen, die Models nacheifern. Zunehmend sind aber auch Männer davon betroffen. Doch während Frauen aus Schlankheitsgründen hungern, wollen Männer mit Fitnesssucht ihr Gewicht kontrollieren. Dass immer mehr Männer ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Ernährung haben, ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. Eine Thematik, die Barbara Mangweth-Matzek von der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin untersucht hat. In einer Studie ist sie zum Ergebnis gekommen, dass Männer – im Gegensatz zu Frauen, die eher zur Bulimie neigen – ihr Gewicht mit extrem viel Sport zu halten oder zu senken versuchen. Dieses Verhalten heisst in Fachkreisen Sportbulimie. Für die Studie wurden 470 Männer zwischen 40 und 75 Jahren zu Themen wie Sportlichkeit, Essverhalten und Lebensqualität befragt. Zum Essverhalten von Männern gebe es, so die Medizinerin, bis zum heutigen Zeitpunkt wissenschaftlich «so gut wie nichts».
7 Prozent der Befragten wiesen mindestens ein Symptom für eine Essstörung auf – Essanfälle, Hungern oder Erbrechen. Letzteres scheint aber bei Männern tabu zu sein genauso wie der Griff zu Abführmitteln, der bei essgestörten Frauen häufig ist. Zum Vergleich: Eine Studie der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit hat ergeben, dass in der Schweiz 3,5 Prozent der Bevölkerung an einer Essstörung leiden.
Im Gegensatz zu den Frauen gab es bei den Männern mit Essstörungen auch Betroffene, die sich nicht zu dick, sondern zu schmächtig fühlen und die Sport in extenso betreiben, um Muskeln aufzubauen. Die Expertin betont, dass exzessiver Sport genauso gefährlich ist wie exzessives Hungern. Oft führe das nicht nur zu körperlichen Schädigungen, sondern auch zu Beziehungskrisen. «Die Sportsucht hat etwas Lebenszerstörendes», sagte sie gegenüber dem österreichischen «Standard». Nicht nur junge Männer, die einem Idealbild nacheifern wollen, sind davon betroffen.

Leiden für einen perfekten Körper. Foto: Richard Giles, Flickr.com
Laut Studie sind vor allem Männer in der Midlifekrise gefährdet, was am sinkenden Testosteronspiegel liegt. So wie zum Beispiel Hugo B., der wegen seiner Essstörung ein halbes Jahr in therapeutischer Behandlung war. Nach der Scheidung von seiner Frau hatte er immer wieder Erektionsstörungen, was seine neue Freundin zunehmend zu stören begann. «Mein Selbstbewusstsein hat gelitten, und so suchte ich statt auf sexueller Ebene im Sport Bestätigung», sagt er. «Ich dachte, wenn ich einen guten Body hätte, käme das auch mit dem Sex wieder gut.» In der Folge begann Hugo im Fitnessstudio zu trainieren, immer häufiger. Zuletzt verbrachte er jeden Abend mindestens zwei Stunden an den Geräten. Gleichzeitig führte er ein Ernährungstagebuch, in das er akribisch jede Kalorie, die er zu sich nahm, notierte. Seine Potenz hat dies allerdings nicht gestärkt, im Gegenteil: «Ich war vom Sport und von den Diäten damals so ausgepumpt, dass ich eh keine Lust mehr hatte.» Als ihn seine Freundin verliess, erlitt er einen Nervenzusammenbruch. In der Therapie erkannte er, dass es verletzte Gefühle aus der Beziehung mit seiner Ex-Frau waren, die ihn in seiner Sexualität hemmten.
Heute ist Hugo wieder in einer neuen Beziehung. Seine Sportsucht hat er überwunden, sein kontrolliertes Essverhalten ebenfalls. Und verliebt ist er auch wieder: «Meine neue Freundin mag mich auch mit einem Bäuchlein. Und der Sex ist ebenfalls wieder gut», sagt er lachend.
30 Kommentare zu «Gestörte Männer»
Die Frage ist, wen oder was nimmt man als Spiegel seiner selbst wahr. Wem will man (Mann oder Frau) gefallen und wieso? Eine Sucht ist oft mit einer Sehnsucht gekoppelt. Der mollige Teenager erhält von Peers und Frauen, denen er gefallen will, kein positives Feedback (Fremd- vs. Eigen-Wertschätzung!). Vielleicht fängt er nun an, sich intensiv mit Sport und Ernährung zu befassen, bis es ins andere Extreme ausschlägt. Positive Feedbacks sind für eine gesunde psychosoziale Entwicklung (lebens)notwendig. Leider haben viele Menschen den Respekt ggü. ihren Mitmenschen verloren und verstehen neo-liberalistische Wertehaltungen als Mass aller Dinge, wie es uns Werbe-/Polit-versprechen vorgaukeln: Mann ohne Sixpack und $$$ = Loser; Frau ohne 90-60-90 Figur = Loser… Haben Sie sich auch ertappt?
Ich wüsste nicht, was daran krankhaft sein soll, 2 Std./Tag Sport zu treiben, statt die gleiche Zeit vor der Glotze zu verbringen. Gerade für 50- bis 60-jährigen in der midlife crisis (so wie z.B. ich) führt diese „Sucht“ zu besserem Schlaf, zu einem viel besseren Körpergefühl, und insgesamt zu grösserer Lebensfreude. Ich fahre allerdings lieber 2 Std./Tag Mountainbike in der Natur (Uetliberg) als mich in einem verschwitzten Fitnessclub zu verkriechen.
Habe Sie jetzt besseren Sex?
Ich halte mich an den weisen Spruch, den ein bosniakischer Mitpatient in der Psychiatrischen Klinik immer wieder prustend von sich gab:
„Mann ohne Bauch ist wie Himmel ohne Sterne!“
Nur schon wegen diesem Spruch hat sich der Aufenthalt in der Klinik gelohnt.
Er war ein sehr wichtiger Baustein meiner Heilung.
Sorry, aber es bizzeli gar einfach! Schade, es muss offenbar immer ein wenig extrem sein…
Also sagen wir’s kompliziert:
Ich liebe die Bewegung, bei der -körperlich anstrengenden- Arbeit, beim Hobby und beim Tanzen.
Aber wenn vor lauter Bewegung keine Zeit mehr bleibt für das Sozialleben, geraten wir in einen Teufelskreis von Depression und „burn out“.
Da in „fitness-centers“ vor allem „Autisten“ (oft mir Stöpseln in den Ohren) ihre Trainings-Einheiten abspuhlen, verschlimmert sich der depressive Zustand eines „gestörten Mannes“.
Was dieser zu allererst braucht, ist Raum für ein gesundes Sozialleben, Freundschaften (inklusive Bierbauch-Risiko) und (wenn möglich) sogar Liebe!
P.S.:Wäre die Verletzungsgefahr kleiner, dann wäre Fussball spielen das beste Konditionstraining.
@Müller: Da habe ich etwas meine Zweifel, weil eine „gestörte“ Person, d.h. jemand mit einem latenten oder gar akuten psychischen Problem und insbesondere Menschen mit Tendenz zum Zwangsverhalten, generell dazu neigt, an sich positive Verhaltensweisen ins Gegenteil zu verdrehen. Die „Sportsucht“ oder Esstörungen sind ja das beste Beispiel: sinnvolle, gesunde Aktivitäten werden in diesen Fällen übertrieben und damit plötzlich zum Problem. Das Risiko ist darum gross, dass dies beim „Sozialleben“, „Freundschaften“, etc. nicht anders ausfallen würde. Sprich: In der Situation würde wohl das „Sozialleben“ zur oberflächlichen Tarnung für Alkoholismus, „Freundschaften“ werden zerstörerisch und missbräuchlich, usw.
Zum Artikel 3 Gedanken:
1. die Gesellschaft wäre besser dran wenn „Sportsucht“ die häufigste Sucht wäre
2. Männer die Sport nur des Äusseren wegen Sport betreiben sind nicht Opfer eines Schönideals sondern Modepüppchen
3. Es steht jedem Erwachsenen frei sich an einem Trend oder Streben nach einem Ideal zu beteiligen oder nicht. Eigenverantwortung statt Opferstempel und Passivität ist immer vor zu ziehen.
Im Standard steht: …Die Sportsucht habe daher etwas „sehr lebenszerstörendes“.
Und nicht wie falsch Zitiert: «Der Sport hat etwas Lebenszerstörendes»
Bitte zitieren sie zukünftig korrekt oder lassen es sein.
lea: ich finde konstruktive kritik immer gut und auch hilfreich… aber gehässige finde ich ziemlich daneben…edith
Liebe Lea
Danke für den Hinweis!
Silvia
Ich finde den Titel unpassend, denn er suggeriert dass die betroffenen Männer gestört im Sinne von selberschuld sind. Würde die Autorin in einem Bericht über Frauen mit Anorexie auch den Titel Gestörte Frauen benutzen? Ich denke weniger. Mit ihrem Titel verstärken sie die Sicht, dass Menschen mit einer Essstörung als gestört klassifiziert werden. Dabei lassen sie die gestörte Gesellschaft komplett weg.
Die sollten alle mehr Sex haben…
Wenn das so einfach wäre, woher nehmen?
Ich denke es ist wie überall: der goldene Mittelweg (Mesotes-Formel von Aristoteles) ist am sinnvollsten. Will heissen: Körper UND Geist trainieren. Körper definieren ist ästhetisch und mit einem Gewinn an erotischem Kapital für den Mann verbunden. Körper definieren ist mit einem vertretbaren zeitlichen Aufwand zu erreichen (dann hat Mann auch noch Zeit für den Geist und Soziales!). Wenn man auch noch andere Interessen hat, läuft man auch nicht Gefahr, sich mit anderen zu stark zu vergleichen und immer mehr Muskelberge ansammeln zu wollen.
Muskelaufbau macht durchaus Sinn: Körperspannung, Körperhaltung, Kräftigung, Vitalität.
Der Muskelaufbau hat mir sehr geholfen, um keine Rückenschmerzen mehr zu haben, den Anteil an Muskel / Fettmasse zu verbessern, und auch zur Erhöhung des Grundumsatzes.
Aber das geht auch im normalen Bereich. 1 bis 3 Stunden pro Woche. Z.B. Vitaparcous, Gymnastik, und z.B. Kurzhanteln von 5 – 30 Kilo Einzelhantel.
Was darüber hinausgeht, Maximalkraft, lautstarkes Gegrunze, Gelenkentzündungen, Schmerzmittel, Powerdrinks etc. sowas geht schnell mal gesundheitlich nach hinten raus.
Und: Spätestens nach 2,3 Jahren erreicht man die Obergrenze, und die Leute sieht man irgendwann kaum noch im Training.
Völlig einverstanden: Mens Sana in Corpore sano!
Yep, und bitte nicht vergessen: Mit zunehmendem Alter schreien alle, weil nun mal die Muskelmasse abnimmt – aber dafür gibts ja Physiotherapeuten, Chirurgen und die ganze Ärzteschaft, die da ist, um einen wieder ‚herzustellen’… Es ist empirisch belegt, dass gut 75% der Gesellschaft die Meinung vertreten, Gesundheit sei einfach da, und wenn nicht, dann Sache der Gesundheitsinstitutionen…. Rund 10% sind dezidiert der Ansicht, man müsse mit Training und (vor allem) Ernährung selbst was tun… Denke, viel mehr braucht man dazu nicht sagen…?!
Sich regelmässig zu bewegen, war eine meiner besten Entscheidungen in den letzten 10 Jahren. Aber es ist wichtig, nicht zu hohe Ziele zu stecken!
Die meisten Leute, die zu hart trainieren, sieht man früher oder später gar nicht mehr unterwegs.
Solange man entspannt trainiert, geht’s sogar täglich, doch alles, was in die Übersäuerung geht, wie anerobe Ausdauer (Intervalltraining etc.) oder Krafttraining bis zu Muskelkater oder Entzündungen, kann ab Alter 50 schnell mal auslaugen. 2 Wochen top, 2 Wochen Flop immer wieder.
In Ayurveda ist Sport gut bis 50% Auslastung, und so unrecht haben sie nicht mit dieser Aussage. Will natürlich keiner hören, der mit 45+ oder 50+ beweisen will, dass er topfit ist – aber mir hat’s sehr geholfen, das einzusehen.
Locker macht Sport enorm Spass!
exessives essverhalten oder eben sportmanie ist ja immer ein nebenschauplatz für etwas das mit uns ( frauen wie männer ) nicht ganz in der balance ist.. das ist meine meinung. was mir aber in letzter zeit aufgefallen ist, eine vielzahl junger sportlich sehr erfolgreicher männer, sind während dem sport gestorben. bei eishockey/ als velorennfahrer/ als boxer/ auch langläufer etc. ! viele von ihnen hatten nachweislich zu wenig eisen, was auf eine zusätzliche harte gangart in der ernährung schliessen musste! sport ist also mord? nicht ausgewogen essen ( auch fleisch) ist gefährlich? ich denke alles in gesunder dosierung und nicht als sucht gelebte ersatzhandlung für das eigentliche reale leben,wäre ideal! die eigenen ansprüche sind oft grössere stolpersteine, wie die der anderen an uns..edith
Mit dem Nebenschauplatz/Ersatzhandlung gebe ich Ihnen Recht. Bezüglich Eisen: Meine Frau und ich sind bereits seit über 15 Jahren Vegetarier. Mit Eisen hatten wir nie Probleme! Meine Frau hatte auch nach den Geburten super Eisenwerte. Tipp: grüne Smoothies, gut gemacht sind sie erst noch lecker! Trockenfrüchte wie Rosinen und Aprikosen enthalten auch viel Eisen. Pflanzliches Eisen mit Vit. C (z.B. aus Orangen) kann bis zu 7x besser aufgenommen werden als tierisches Eisen. Gleichzeitig Kaffee und Milchprodukte erschweren hingegen die Eisenaufnahme.
„Eine Vielzahl junger Männer sind während dem Sport gestorben“ ??? Das ist wohl mehr als übertrieben. Nun, ab wann ist Sport Sucht und Ersatzhandlung? Das sehen wohl nicht alle gleich. Und die Suche nach der Balance währt ja das ganze Leben…
Sportsucht ist etwas, das mir garantiert nie passieren wird 🙂
Gestörte Männer- gestörte Frauen: passt ja gut zueinander. Amerika, Hollywood macht es uns perfekt vor. Scheinbar dürfen nur absolut perfekte Menschen glücklich sein, ansonsten bist du ein Looser. Dieser extreme Schönheits- Schlankheits- Jugendlichkeitswahn wird uns alle noch in den Wahnsinn treiben. Wenn man am Äussern rumhantiert ist man deswegen noch lange nicht glücklich und es sichert dir auch keine Absolution in Partnerschaftsangelegenheiten. Aber Botox, Fitness-Studio, Yoga, Diäten, Vegan- alles einfacher, als den Fokus mal nach innen zu wenden.
Mein Mann hat auch einen kleinen Bauch und ich finde das sehr sexy! 🙂
Geht mir bei meinem auch so.
Geschmäcker sind ja sehr verschieden (zum Glück!), aber so formuliert fällt mir das trotzdem immer etwas schwer zu glauben. Zu sagen, der „kleine Bauch“ des Partners würde nicht stören, wäre sogar sympathisch o.ä., das ist nachvollziehbar. Aber „sexy“? Sofern „klein“ nicht quasi-inexistent meint, hört sich das ziemlich bemüht und unglaubwürdig an. Quasi wie jene Übergewichtigen, die sich zwanghaft und ungefragt überall selber rechtfertigen wie „wohl“ und „schön“ sie sich doch fühlen, obwohl bei jedem Wort das Gegenteil hörbar ist..
Gerade kommt es mir so vor, als wären die Menschen (von heute?) ganz schlicht vom Leben überfordert. Nicht wissend, wie man eine Ehe bewahrt, sondern scheiden lassen. Nicht wissend, wie man mit der neuen Freundin über Erektionsprobleme spricht, sondern Sportsucht. Erst der Mami-Ersatz, der zeigt, dass man über das Bäuchlein lachen kann hilft über die Runden.
Was macht denn so jemand, wenn er sich mal in einer richtigen Krise befindet?
Sorry, aber mein Verständnis von Essstörungen bewegt sich in einem ernsthafteren Bereich…
Lieber Robert
Ich glaube dass fast 100% vom Leben überfordert werden..
Falls SIE NICHT dazugehören, WIE machen Sie das? WO haben Sie das gelernt? UND WAS machen Sie, wenn sie mal in einer richtigen Krise sind??
Sorry, aber mein Verständnis von Ratgebern bewegt sich in einem ernsthafteren Bereich…
wie schon paracelsus sagte: entscheidend ob etwas ein gift oder ein heilmittel ist, hängt von der dosierung ab.
müssten wir nicht tagtäglich «zu tode retouchierte» bilder von promis ankucken (auch das beckhambild hier ist überretouchiert!), kämen wir gar nicht auf die idee. mittlerweile wird jedoch auch für den durchschnittmann zahlbare kleidung auf magersüchtig geschnitten. anstatt, dass wir uns wehren, kaufen wir den scheiss (das ist der grund, warum es in den kleiderläde NIE grosse grössen hat).
wir sind längst willenlos & glauben jeden stuss, den irgendwelche «wissenschaftler» (meist «amerikanische») von sich geben. wir sind opfer von photoshop & werbung. da wir frauen, uns eh nur noch über äusserlichkeiten definieren, wen wundert es, dass die männer mittlerweile auch schon spinnen?
Als Frau kommt man doch irgendwann in das Alter wo man über Körperkult lachen kann. Als Teenie einen riesen Stress und ab 30ig lässt man es lockerer angehen. Dann ist nun mal die Cellulite da, das Füddli nicht perfekt knackig…aber solange man nicht aus dem Rahmen fällt, regelmässig sich bewegt und anständig isst…sollen doch andere über einen denken was sie wollen und wenn man für andere hässlich erscheint, sollen die doch weggucken. Es zwingt sie ja niemand mich anzuschauen.