An den Haaren herbeigezogen

Actress Julianne Moore poses for photographs on the red carpet for the film,"Freeheld," during the 2015 Toronto International Film Festival, in Toronto, on Sunday, Sept. 13, 2015. (Nathan Denette/The Canadian Press via AP)

Sie ist ein Rotschopf – aber ob Julianne Moore deswegen besonders temperamentvoll ist, wissen wir nicht. Foto: Nathan Denette, Keystone

Haare haben mich schon immer fasziniert. Wer mich kennt, weiss, dass ich alles, was mit Haaren zu tun hat, wirklich liebe. Ich kann stundenlang über Farbe und Form und neue Schnitte referieren. Wie seidige, blonde Haare perfekt zu einem Pferdeschwanz gebunden werden, wie man Jean Sebergs Ultrakurzhaarfrisur kopiert und wie man Sienna Millers Long Bob frisiert. Kurz: Ich bin in einem meinen früheren Leben sicher eine Coiffeuse gewesen, auch wenn meine ersten eigenen Fingerübungen kläglich scheiterten. Der selber geschnittene Pony war viel zu kurz, die erste Heimdauerwelle hatte Pudelformat, und meine selbst gefärbten Strähnchen wurden nach dem Baden im Pool grünlich.

Grünlich? Stimmt das jetzt, oder ist das nur eine Mär? Und überhaupt, welche Mythen rund ums Thema Haar stimmen eigentlich? Hier zwölf Behauptungen.

1. Haare wachsen schneller, wenn man sie regelmässig schneidet.

Falsch.

Die Haare sehen oft einfach nur gesünder aus, wenn man die Spitzen abschneidet. Einen Einfluss auf den Haarwuchs hat das nicht, die Haare wachsen pro Monat etwa einen Zentimeter. «Wer die Haare wachsen lassen will, sollte die Spitzen also nicht häufiger als einmal pro drei Monate schneiden», sagt  Coiffeur Reto Holzer vom gleichnamigen Salon in Zürich. Sonst wird das nie was.

2. Männer mit Glatze sind besonders potent.

Falsch.

Erblich bedingter Haarausfall und das männliche Sexualhormon Testosteron hängen zwar zusammen. «Allerdings haben Männer mit Haarausfall nicht unbedingt besonders viel Testosteron im Blut», sagt die Dermatologin Daniela Kleeman. «Ihre Haarwurzeln reagieren nur besonders empfindlich auf das Hormon.» Jeder zweite Mann ist genetisch zum Glatzkopf vorbestimmt. Schon von Geburt an tickt in jedem Haarfollikel ein Programm, das die Haarwurzel ab einem bestimmten Lebensalter für Testosteron sensibilisiert. Von dem vorbestimmten Zeitpunkt an, geht der Follikel zugrunde. «Ob der Testosteronspiegel ein bisschen höher oder niedriger ist, hat auf die Glatzenbildung keinen Einfluss», sagt Kleeman.

3. Rothaarige sind temperamentvoller.

Vielleicht richtig.

Ebenso wie blondes Haar ist auch rotes Haar extrem klischeebesetzt. Kirchenvertreter sahen im Mittelalter in Rothaarigen verführerische Weiber oder teuflische Hexen. An der Harvard University in den USA wurde festgestellt, dass Rothaarige weniger Anti-Stress-Hormone ausschütten als ihre Umwelt und dadurch eine geringere Reizschwelle haben. Das könnte ihr oftmals temperamentvolles Verhalten erklären.

4. Menschen können über Nacht kahl werden. 

Falsch.

«Einen derart plötzlichen Haarausfall gibt es sicher nicht», sagt Hans Wolff, Leiter der Haarsprechstunde an der Universitätsklinik München gegenüber der Onlineausgabe der deutschen Zeitung «Die Welt». Allerdings kann ein Mensch in nur wenigen Wochen sämtliche Kopf- und sogar Köperhaare bis hin zu den Wimpern verlieren. Alopecia areata, zu Deutsch «kreisrunder Haarausfall», heisst die Erkrankung, deren Ursachen noch immer nicht bekannt sind. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich um eine erblich mitbedingte Autoimmunerkrankung handelt.

5. Je mehr ein Shampoo schäumt, desto sauberer werden die Haare.

 Falsch.

Sulfate machen, dass es so richtig schön schäumt beim Haarewaschen. «Sie haben aber auch die Tendenz, die Kopfhaut auszutrocknen und greifen die hauteigene Schutzschicht der Kopfhaut an», sagt Reto Holzer. Die Alternative sind Naturprodukte, die ohne Sulfate auskommen.

6. Spliss kann repariert werden.

Falsch.

Auch wenn die Werbung uns weismachen will, dass man kaputte Spitzen mit gewissen Produkten kitten kann, zusammenwachsen kann strapaziertes Haar nicht mehr. «Durch Spülungen und Kurpackungen kann es geschmeidiger werden, aber nicht gesund», sagt Reto Holzer.

7. Nach längerer Verwendung verliert ein Produkt seine Wirkung, und man sollte es wechseln.

Richtig.

Ähnlich wie bei kosmetischen Produkten kann es sein, dass sich bei längerer Verwendung des gleichen Produktes die optimale Pflegewirkung nicht mehr voll entfalten kann. Einfach ein- bis zweimal ein anderes Produkt verwenden, danach sollte die alte Wirkung wieder vorhanden sein.

8. Stress kann zu Haarausfall führen.

Richtig.

Und zwar bei Frauen wie auch bei Männern. Studien aus der Haarforschung zeigen, dass stressbedingte Veränderungen den Haarzyklus beeinflussen. «Ein Verlust von 80 bis 100 Haaren pro Tag gilt noch als normal», sagt Dermatologin Daniela Kleeman. Normalerweise reguliert sich das nach einiger Zeit aber von selbst wieder; wenn nicht, sollte man einen Dermatologen konsultieren.

9. 100 Bürstenstriche pro Tag macht das Haar glänzend.

Nicht ganz richtig.

Durch das Bürsten wird die Haarstruktur geglättet, die Haare werden entwirrt, und das Licht kann sich besser auf der ausgerichteten Haaroberfläche brechen. Mit der Bürste wird ausserdem das natürliche Fett in den Längen verteilt und dient so als Schutzmantel. Bei brüchigem Haar ist ein zu starkes und häufiges Bürsten allerdings kontraproduktiv.

10. Die Haare wachsen schneller und gesünder, wenn man sie nach dem Mondkalender schneidet.

Nicht ganz falsch.

«Es gibt keine wissenschaftlichen Artikel über mondabhängige Auswirkungen auf das Haar», sagt Dermatologin Daniela Kleeman. Aber gewisse Patienten würden darauf schwören. Sie selber habe keine Zeit, die Haare nach einem bestimmten Rhythmus zu schneiden, könne sich aber trotzdem durchaus vorstellen, dass «etwas dran ist» an dieser Meinung.

11. Häufiges Haarewaschen regt das Nachfetten an.

Falsch.

Früher waren Shampoos oft aggressiver, die Kopfhaut wurde extrem gereinigt und somit zur Nachproduktion von Fett angeregt. Heute beugen Rückfetter in Shampoos diesem Effekt vor. Wie viel Fett die Talgdrüsen produzieren, hängt hauptsächlich vom Haartyp ab.

12. Nahrungsergänzungsmittel machen das Haar schöner.

Nicht ganz falsch.

Manchen Nahrungsergänzungsmitteln wie Hefe oder Biotin wird nachgesagt, dass sie Haare schneller wachsen lassen – ihre Wirksamkeit ist jedoch wissenschaftlich nicht belegt. «Allerdings können Nahrungsergänzungsmittel die Gesundheit in ihrer Struktur und Dicke positiv beeinflussen», sagt Ärztin Daniela Kleeman. Was bei den Nägeln funktioniere, klappe auch bei den Haaren. «Aber es braucht Geduld, bis man ein Ergebnis sieht», sagt Kleeman.

PS: Dass blondierte Haare nach dem Schwimmen leicht grünlich schimmern, kann tatsächlich vorkommen. Ursache sind Kupferionen, die statt Chlor zum Desinfizieren des Wassers verwendet werden. Sie lagern sich in den durch das Blondieren porös gewordenen Haaren ab und lassen so den Grünstich entstehen.

4 Kommentare zu «An den Haaren herbeigezogen»

  • Anna Meier sagt:

    Gott sei dank haben meine beiden Eltern mit knapp 70 immer noch sehr viele Haare auf dem Kopf…. Auch alle meine Grosseltern hatten Haare…. wenn ich auch bei den Haaren die Gene meines Vaters gekriegt habe werde ich später ein richtiger Silberfuchs… gibts das farblose Grau meiner Mutter muss dann halt kosmetisch nachgeholfen werden 😀

  • Peter sagt:

    4. Menschen können über kahl werden.

    Da fehlt etwas…

  • Valentina sagt:

    Als ziemlich Rothaarige habe ich herzlich darüber gelacht, dass für das „Temperament“ angeblich ein nicht-ausgeschüttetes Anti-Stress-Hormon verantwortlich sein soll. Rothaarige hören sich im Laufe ihres Lebens eine Menge an, das aber mehr über die Gesellschaft, in der sie leben, als sie selber aussagt. Sie sind vielen Vorurteilen, guten wie schlechten, ausgesetzt. Das Geplapper über Hormone berücksichtigt viele Faktoren nicht. Jede und jeder Rothaarige wird bestätigen, dass es unter uns alle Arten von Menschen mit allen Arten von Temperamenten gibt. Rothaarige sind also genauso wie andere auch, nur eben mit roten Haaren, wobei die Farbe ebenso viele Schattierungen hat wie bei Brünetten oder Blonden. Der Unterschied zu früher ist vielleicht der, dass viele von uns heute weniger ihre natürlichen Haare verstecken und es als natürlich empfinden, so zu sein, wie sie sind.

  • edith schmidt sagt:

    haare sind wirklich ein ganz emotioneller bestandteil unseres lebens.. mit wallenden haaren oder frisch gestylten haaren kann ich mich in die ältesten klamotten werfen! die schlimmsten fehleinkäufe machte ich immer bei den absoluten hair bad days… denn so eine haarpracht gibt einem halt, selbstsicherheit und ein ganz positives lebensgefühl. darum ist auch der verlust ( für männer und frauen) ein wirklich tragischer moment den man nicht unterschätzen darf.. zum glück gibts da manchmal modeströmungen ( glatze ist zb total in) oder sängerinnen die sich stolz mit kahlem haupt präsentieren und damit neue andere signale senden. auch die farbe des alters ( grau/weiss) ist noch nicht lange her, ein fast unüberwindbares farbproblem gewesen. heute sieht man grau/weiss bereits auf den laufstegen und weil uns unsere haare total wichtig sind, pflegen wir sie, damit wir uns gut fühlen und dafür geben wir viel! geld aus… aber nur von einem einzigen produkt bin ich total überzeugt: biotin forte.. 6 monate einnehmen und das haar hat mehr halt und alles was horn beinhaltet auch.. dh zusätzlich sind dann die nägel auch wunderschön stark… edith

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