Wenn einen die Gier überfällt

Man muss ja nicht gleich zur Haxe greifen, wenn einen der Heisshunger kalt erwischt: Filmszene aus «La grande bouffe». (Arthaus)

Plötzlich überkommt es einen, und man würde für ein Stück Schokolade, eine Tüte Chips oder ein paar Essiggurken seine Grossmutter verkaufen. Diese Heisshungerattacken auf bestimmte Lebensmittel sind heimtückisch, und oft kann man sich nicht erklären, warum sie einen überfallen: Man hat ausgewogen gegessen, leidet unter keiner Unterzuckerung, und die letzte Mahlzeit liegt nicht Stunden zurück. Aber diese Gier, die aus einem einen regelrechten Junkie macht, sorgt dafür, dass man die Hosentaschen seiner Kinder nach ein paar Smarties durchsucht oder für den salzigen Snack um Mitternacht noch an die Tankstelle fährt, weil man zu Hause vor leeren Schränken steht.
Nun könnte man solche Gierschlünde als willenlose Weichlinge bezeichnen, oder man überlegt sich, warum der Körper so extrem reagiert. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte Fettsäuren offenbar in der Lage sind, das Gehirn zu beeinflussen und dort die Ausschüttung von bestimmten Hormonen zu veranlassen – und zwar von Hormonen, die die Stimmung heben. Dies weist ebenfalls darauf hin, dass der Heisshunger den Körper gezielt mit jenen Stoffen versorgen will, die der Organismus gerade dringend benötigt. Experten wie die Heilpraktikerin und Ernährungsberaterin Elke Müller aus Winterthur sind überzeugt, dass solch starke Gelüste oftmals auch auf ein Ungleichgewicht an Vitaminen und Mineralstoffen und auf einen Energiemangel im Körper hinweisen.

1. Die Gier nach Zucker

Möglicher Grund: Lange Zeit wurde darüber gestritten, ob es so etwas wie eine Sucht nach Zucker gibt. Inzwischen liegen jedoch auch eindeutige wissenschaftliche Hinweise darauf vor. Forscher der Princeton University in New Jersey wiesen das enorme Suchtpotenzial des Zuckers an Ratten nach. Die an Zucker gewöhnten Tiere litten unter extremen Entzugserscheinungen, als man ihnen den gewohnten Zucker wegnahm. Als man ihnen wieder Zucker gab, frassen sie davon mehr als je zuvor. Essen wir Süsses, steigt der Blutzucker an und Insulin wird ausgeschüttet. Nach dem Anstieg des Blutzuckerspiegels sinkt dieser wieder rapide, und der Körper giert erneut nach Süssem. Ein Teufelskreis.
Was tun? Den Blutzucker stabil halten. Eine ausgewogene Ernährung mit Früchten, Gemüse, Fleisch, Fisch und Vollkorn sorgt unter anderem auch für genügend Chrom im Körper, welches für den ausgewogenen Insulinhaushalt eine Rolle spielt.

2. Die Gier nach Schokolade

Möglicher Grund: Experten sind sich einig, dass 80 Prozent der Bevölkerung unter einem Magnesiummangel leiden.

Was tun? Magnesium kann im Körper nicht nur das Immunsystem bei allfälligen Entzündungen und Erkältungen unterstützen, es spielt auch eine wichtige Rolle für ein funktionierendes Nervensystem, bei der Knochendichte und bei der Angstbekämpfung. Essen, das reich an Magnesium ist wie dunkelgrünes Gemüse, Nüsse, Samen, Fisch, Bohnen, Avocado, Joghurt und Bananen, ist also nicht nur gut für die Gesundheit, sondern verschont auch vor Heisshungerattacken. Falls es trotzdem Schokolade sein muss, dann ein Stück dunkle Schoggi.

3. Die Gier nach Salz

Möglicher Grund: ein Natriummangel. Wer nach sportlicher Betätigung viel geschwitzt hat, nach einer Krankheit oder nach zu viel Alkohol, der leidet oft an einem Ungleichgewicht des körpereigenen Wasserhaushaltes. Müdigkeit und Mattigkeit sind die Folgen.

Was tun? Trinken, trinken, trinken. Und: Ein paar getrocknete Sardellen oder eine Bouillon verfügen über einen hohen Anteil an Natrium und sorgen dafür, dass wir uns gleich besser fühlen.

4. Die Gier nach Kohlenhydraten

Möglicher Grund: ein Mangel an L-Tryptophan. L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, das heisst ein Bestandteil des Eiweisses, der für die Ernährung notwendig ist, weil ihn der Körper nicht selbst bilden kann. Heisshunger auf Brot, Reis und Pasta, also sogenanntes Comfort-Food, kann mit einem Mangel an diesem Eiweissbaustein zusammenhängen, der auch das Hormon Serotonin produziert. Ein Mangel an Serotonin kann dazu führen, dass wir anfällig für depressive Verstimmungen und Ängste sind. Serotonin sorgt zusätzlich für einen guten Schlaf und eine regelmässige Verdauung.

Was tun? «Gute» Kohlenhydrate, wie sie in Eiern, Bananen, Walnüssen und Truthahn vorhanden sind, sorgen für genügend L-Tryptophan im Körper.

5. Die Gier nach Fleisch

Mögliche Ursachen: Eisenmangel. Immer mehr Menschen schränken ihren Fleischkonsum von rotem Fleisch ein oder sind Vegetarier oder Veganer. Fast ein Drittel der Weltbevölkerung ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Eisenmangel betroffen. Eisenmangel ist somit der häufigste Nährstoffmangel überhaupt. Erste Symptome sind Abgeschlagenheit, denn Körperzellen brauchen Eisen für die Energiegewinnung, zudem ist der Nährstoff unabkömmlich für den Sauerstofftransport und Entgiftungsreaktionen.

Was tun? Einmal pro Woche rotes Fleisch essen. Relativ viel Eisen kann der Körper aus Haferflocken, Hirse, Linsen, Randen, Erbsen, Kohlgemüse und Sauerkraut sowie Sesam gewinnen. Auch Vollkornprodukte werden für Vegetarier empfohlen: Ein gutes Multivitaminpräparat kann einen möglichen Mangel ausgleichen.

 

11 Kommentare zu «Wenn einen die Gier überfällt»

  • Doria Gray sagt:

    Vielen Dank für diesen Blog-Beitrag! Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass eine ausgewogene Ernährung am besten vor Gier nach bestimmten Nahrungsmitteln schützt. Das funktioniert auch bei Kindern, sofern nicht ein seelisches Problem (Schulstress, Streit mit Freunden etc) dahintersteckt.

  • Christoph Bögli sagt:

    Angenommen, dass die Triebkräfte hinter solchem Essverhalten ein effektiver Mangel sind – was ich so pauschal eher bezweifeln würde – dann erklärt das trotzdem nicht das Verhalten an sich. Denn dieses an sich ist wohl oder übel ein antrainiertes Verhaltensmuster, das willentlich geformt oder zumindest sich formen gelassen wurde. Insofern sollte man auch dort durch Kontrolle ansetzen. Aber das ist wohl zu unangenehm, lieber pathologisiert man einmal mehr ein Verhalten, damit die Betroffenen entschuldigend was von „Magnesiummangel“ schmatzen können während sie ihre Schoggiriegel reinstopfen..

    • Widerspenstige sagt:

      Und was motiviert Sie eigentlich so etwas zu schreiben, Christoph? Auch wenn es ‚ein antrainiertes Verhaltensmuster‘ wäre bei vielen Betroffenen, darf doch hier in diesem Blog über die Ursachen etwas vertiefter recherchiert und publiziert werden. Ursache und Wirkung sind keine Einbahnstrasse gerade in der Ernährung, sondern es gibt verborgene Wege dazu. Sie sind doch ein intelligenter Mann und wissen bestimmt auch Bescheid über ausgeklügelte Werbebotschaften mit Schoggiriegel & Co. oder irre ich mich, Christoph?

  • Christoph Bögli sagt:

    Eine Heilpraktikerin in dem Kontext als „Expertin“ anzuführen ist ja wohl ein schlechter Witz. Als würde man einen Rutengänger als Experten für Wassertechnologie zitieren. Man darf sich auch fragen, welche „Experten“ sich da punkto Magnesiummangel einig sein sollen, da der zitierte Artikel keineswegs 80%, sondern 10-20% mit latentem Magnesiummangel aufführt. Und dabei geht es primär um Personen, die zwar zu wenig Magnesium aufnehmen, aber (noch) unter keinem effektiven Mangel leiden.

    • Widerspenstige sagt:

      Wieso darf sich eine Heilpraktikerin und Ernährungsfachfrau gerade in diesem Kontext nicht als Expertin betiteln, Christoph? Darf das nur die Pharmaindustrie und die Schulmedizin? Mir haben Heilpraktikerinnen mehr geholfen bei meinen Beschwerden als jede Schulmedizin und dass ich ca.10 kg abgenommen habe nach der dritten Schwangerschaft. Das hat nur meine chin. Ärztin mit Akupunktur, Phythotherapie, Schröpfen, Hydrotherapie etc. bewerkstelligt. Ist schon ein gutes Weilchen her, aber auch die Migräneanfälle konnte nach Jahren meine Heilpraktikerin erfolgreich beheben!

      • Hanspeter Müller sagt:

        Heilpraktikerin ist kein geschützter Titel und darf auch von Menschen ohne jegliche Ausbildung geführt werden. Im Kanton Zürich darf zudem jedermann als Heilpraktiker praktizieren, es gibt ausser für Akkupunktur und TCM keinerlei Regulierungen oder Kontrollen. Die in der Schweiz praktizierenden Chinesischen Aerzte sind zudem tatsächlich Aerzte mit Schulmedizinischer Ausbildung an der Universität und ergänzender Ausbildung in TCM, ebenfalls Universitär. Sie mit hiesigen Heilpraktikern zu vergleichen ist deshalb nicht sinnvoll. Damit dürfte sich die Frage nach Expertin oder nicht erübrigen.

      • Lea sagt:

        Nach der Schwangerschaft 10-20 kg abzunehme ist das natürlichste der Welt. Etwa 7-15 kg dürften es bei jeder Geburt sein, sowohl bei einer natürlichen Geburt in der Steppe begleitet von einer Schamanin oder bei einem Kaiserschnitt im Spital begleitet von einem Ärzteteam. Ein Paar weitere werden in einer allfälligen Stillphase folgen, ausser frau isst extra viel um das Gewicht zu halten

  • tststs sagt:

    Interessant… etwas machte mich jedoch ein wenig stutzig:
    „Experten sind sich einig, dass 80 Prozent der Bevölkerung unter einem Magnesiummangel leiden.“
    Also wenn 80% aus der Norm fallen, dann wäre es evtl. Zeit den Bewertungsmassstab zu hinterfragen.

  • markus kohler sagt:

    Gute Kohlenhydrate wie sie in Eiern, Truthahn enthalten sind, bei einem Tryptophanmangel?? 100g Ei enthält nicht einmal 1g Kohlenhydrate, Truthahnfleisch ist überhaupt kein Kohlenhydratelieferant. Zudem ist Serotonin kein Hormon, sondern ein Neurotransmitter. Die Grundidee des Bloggs, nicht nur verzichten, stattdessen intelligenter essen passt schon, aber der Artikel ist schlecht recherchiert.

    • Silvia Aeschbach sagt:

      Serotonin, auch 5-Hydroxytryptamin (5-HT) oder Enteramin, ist ein Gewebshormon und Neurotransmitter.

      • Valeria sagt:

        Ok, neuer Versuch.

        Serotonin ist ein Neurotransmitter und eben kein klassisches (!) Hormon. Letztere werden von Drüsen hergestellt und wirken verhältnismässig langsam, im Gegensatz zu Neurotransmittern. Es gibt zwar eine Grauzone, aber Serotonin wird aufgrund seiner Wirkung in den Synapsen des zentralen und peripheren Nervensystems zu den Neurotransmittern gezählt.

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