So fördern Sie Ihre seelische Widerstandsfähigkeit

freude

Freude macht uns stark. (Foto: Kate T. Parker)

Kürzlich interviewte ich für einen Artikel über Kinder von depressiven Eltern ein Mädchen. Serainas alleinerziehende Mutter war schwere Alkoholikerin und warf sich vor den Zug. Das ist zwei Jahre her. Während des Gesprächs hatte ich das Gefühl, einem etwas altklugen Teenager gegenüberzusitzen, der sonst aber glücklich schien. «Mami fehlt mir, aber ich habe es jetzt mit Papa auch schön», sagte Seraina beim Abschied. «Ich mache jetzt einfach das Beste aus der Situation.»

Die Worte dieser 13-Jährigen berührten mich und machten mich gleichzeitig nachdenklich. Warum strahlte das Kind, das so viel Schweres erlebt hat, eine solche innere Stärke aus? Woher kommt seine Widerstandskraft? Oder anders gefragt: Warum genügt beim einen Menschen ein Windhauch, um ihn umfallen zu lassen, während andere beim gleichen Schicksal aufblühen? Woran liegt es, dass manche Menschen selbst nach Katastrophen wieder aufstehen und kaum einen seelischen Schaden nehmen?

Fachleute sprechen in solchen Fällen von Resilienz, von psychischer Widerstandsfähigkeit. Das Wort hat seinen Ursprung im lateinischen Verb «resilire», was so viel bedeutet wie abprallen. Resilienz ist also die Fähigkeit, Krisen und Rückschläge als Anlass für die eigene Weiterentwicklung zu nehmen.

Wissenschaftler wie der Resilienz-Forscher George Bonanno haben herausgefunden, dass diese Eigenschaft nur zum Teil angeboren ist und dass man sie im Laufe eines Lebens auch erlernen kann. Wenn Kinder in schwierigen Situationen eine stabile Beziehung zu einer Bezugsperson haben, fördert das die Resilienz. Im Falle von Seraina waren dies der Vater, die Lehrerin und die Therapeutin, die das Mädchen nach dem Tod der Mutter begleiteten.

Viele Menschen bilden ihre Resilienz auch erst im Laufe ihres Lebens aus, indem sie Höhen und Tiefen erleben, in denen sie alle Ressourcen in sich selber ausschöpfen müssen. Das Sprichwort «Was dich nicht umbringt, macht dich stärker» scheint zwar abgedroschen, trifft diesen Prozess jedoch genau.

Widerstandsfähigkeit lässt sich fördern, wenn man die innere Bereitschaft entwickelt, sich auch mit schwierigen Situationen auseinanderzusetzen. Und man kann sie auch messen. Der Schweizer Neurowissenschaftler Pasquale Calabrese von der Universität Basel erklärt, wie das passiert: «Dazu gehören eine Stressdiagnostik, eine umfassende Stoffwechselanalyse und eine Neurotransmitterdiagnostik.» Die sogenannte Herzratenvariabilität gibt darüber hinaus Auskunft über die Balance von Erholungs- und Stressphasen und wird während 24 Stunden mit einer Spezialtechnik gemessen.

Auch ohne Wissenschaft lässt sich die eigene Stärke fördern. Der deutsche Autor Denis Mourlane macht in seinem Buch «Resilienz – Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen» sieben Faktoren fest, die widerstandsfähige Menschen auszeichnen: Sie steuern Emotionen, können ihre Impulse kontrollieren, Situationen analysieren, fühlen sich nicht als Opfer, denken optimistisch, bringen ihren Mitmenschen Empathie entgegen und denken lösungsorientiert.

Weitere Faktoren, die eine starke Psyche fördern

Akzeptanz: Veränderungen und Unvermeidbares annehmen können, statt dagegen anzukämpfen. Mit Jammern und Klagen ändert man eine Situation nicht. Die Kunst ist zu lernen, zwischen veränderbaren und unveränderbaren Dingen zu unterscheiden.

Eigenverantwortung: Anderen die Schuld zu geben, löst Konflikte nicht. Wer Verantwortung für sein Handeln übernimmt, trägt auch die Konsequenzen für sein Handeln.

Netzwerke pflegen: Schweres trägt sich besser mit anderen Menschen. Doch Achtung: Die Beziehung sollte unter dem Strich im Gleichgewicht bleiben, sonst fühlt sich das Gegenüber ausgenutzt.

Prioritäten setzen: Sich überlegen, was einem hilft, sich besser zu fühlen. Und diese Dinge auch angehen.

Neuausrichtungen suchen:  Bei der Zukunftsplanung nicht auf zu hohe Ziele fokussieren, sonst wird man automatisch enttäuscht. Kleine Schritte in die richtige Richtung führen auch ans Ziel.

Selbstliebe: Lernen, gut zu sich selber zu sein, so als wäre man sein bester Freund, stärkt die Psyche mehr als alles andere. Dabei geht es nicht um Narzissmus, sondern um das Annehmen der eigenen Persönlichkeit.

 

25 Kommentare zu «So fördern Sie Ihre seelische Widerstandsfähigkeit»

  • Pedro Papas sagt:

    Die Schweiz absoluter Weltmeister in Therapieangebot. Wieso das? In der Insel (Isolation) = selbst gemacht durch die ‚richtigen Schweizer‘ gibt’s nach Statistik der Unesco am meisten Suzide. Sonderfall Schweiz: Arbeiten bis zum umfallen oder Burnout. Rette sich, wer kann ..

    • Eduardo sagt:

      Basel ist anscheinend sogar weltweit die Stadt mit der höchsten Dichte an Psychologen und Psychiatern. Und das liegt sicherlich nicht nur am übertriebenen Wert, der der Arbeit für das Leben gegeben wird, sondern auch am lieblos-kalten, ständig belehrenden Umgang der Basler miteinander und damit verbunden am extremen Konformismus hier. Als der Philosoph Friedrich Nietzsche schrieb, dass die Schweizer alle Köpfe abschneiden würden, die die Menge überragen, so dachte er dabei vermutlich vor allem an die Basler.

  • Stalder sagt:

    Nassima Taleb, Antifragilität lesen. Lernen, dass Antifragilität nicht gleich Resilienz ist.

    • monnier sagt:

      was denn ? Antifragil ist ein Unwort, man FRAU kann Resilienz haben und trotzden zart und fragil sein.

  • sofie müller sagt:

    Auch ich habe viel Schweres erlebt. Und ich bin Gott Sei Dank stark, manchmal sage ich leider stark. Denn von anderen hörte und höre ich immer nur, Du bist stark, Du schaffst das schon. Dabei will ich heute gar nicht mehr immer stark sein, sondern möchte Mitgefühl spühren, einfach einmal nur in den Arm genommen werden. Bitte, hört auf mit diesem Standard-Satz „Du bist stark, Du schaffst das schon“. Dieser Satz kann sehr weh tun und einsam machen.

  • Christoph Meyer sagt:

    Meine Mutter hat mir mit 12 gesagt, ich sei nicht lebensfähig, wegen meiner sensiblen Seite. Das war damals wie ein Todesurteil für mich. Ich habe überlebt, weil mir das Gebet geholfen hat und ich mir immer wieder gesagt habe, wenn ich wirklich nicht mehr ein und aus wusste, dass wenn ich jetzt aufgeben würde, die „anderen“ dann gewonnen hätten. Ich habe zum Glück nie mit Rauchen begonnen und auch kaum Alkohol getrunken, weil ich damals wusste, dass das der Anfang vom Ende sein könnte. Ein spiritueller Lehrer meinte mal, ich solle ein Buch schreiben, um anderen Mut zu machen.

    • Christoph Meyer sagt:

      Noch etwas: Ich habe einen langen Weg hinter mir. ich konnte mittlerweile sogar meiner Mutter verzeihen, unter der ich (und meine Geschwister) während Jahren schwer gelitten haben. Ich habe auf dem sehr langen Weg auch gelernt, wie viel man mit Worten bei anderen zerstören kann. Ich habe auf dem langen Weg auch Mitgefühl entwickelt – richtiges Mitgefühl. Ich möchte das, was ich durchgemacht habe, nicht mehr durchmachen und bin mir gleichzeitig bewusst, dass das notwendig war, um mich zu dem zu machen, was ich heute bin. Ich bin mir aber auch bewusst, dass mein Weg noch lange nicht zu Ende ist.

      • Hans Reuter sagt:

        Lieber Herr Meyer. Ein unerschütterliches Gottvertrauen ist der beste Begleiter den man im Leben haben kann. Mit dem Gebet und dem Vertrauen ziehen Sie jene Wesen aus der für uns im Normalfall unsichtbaren Welt an die uns helfen können. Dies habe ich selbst mehrfach erlebt.

  • Noch ein Martin sagt:

    Im Unkenntnis der Hinergründe möchte ich mir keine Deutung anmassen, aber ob im angegebenen Beispiel über Resilienz gesprochen werden kann, darüber habe ich persönlich meine Zweifel. Gerade in einem Umfeld mit Alkoholmissbrauch sind die die Auswirkungen auf ein Kind vielfältig. Nach zwei Jahren ist m.E. ein Kind weit davon entfernt über den Verlust der Mutter hinweggekommen zu sein, um von Resilienz zu sprechen. Zu formelhaft wirken die kindlichen Aussagen. Wie schon von Vorkommentaren erwähnt, melden sich seelische Schäden oft erst später im Leben wieder zurück.

  • Christoph Meyer sagt:

    Ich habe in meinem Leben schon viele schwierige, sehr schwierige Situationen gemeistert.
    Oft hilft mir das Gebet. Dann hilft mir auch das Wissen, dass ich schon mehrmals schwierige Situationen gemeistert habe und stärker wieder daraus gekommen bin.Nicht zuletzt hilft mir dabei auch die Astrologie, weil ich schon früh gelernt habe, dass schwierige Situationen und deren Meisterung zu meinem Leben gehört. Die Astrologie hilft mir aber auch oft, zu verstehen, was ich in der Krisensituation zu lernen habe. Und ich hole mir auch immer Rat von weisen Menschen und reflektiere diese.

  • Alles etwas vage, finde ich. Was mir „tonnenweise“ Resilienz gibt, trotz derber Schicksalsschläge, ist meine tiefe Verbindung mit der Natur. Ich verstehe kaum, wie Irgendjemand glücklich sein kann, der/die nicht regelmässig und ausgiebig in der Natur herumstreift, in Wäldern, an Flüssen und Seeen. Die Natur ist doch unsere „Hintergrundfamilie“ mit der wir immer seelisch verwandt bleiben. Natur schaut mich nicht blöd an, stellt keine dummen Fragen, aber hilft mir, eigene Fragen zu beantworten. Meine sonstige Umgebung, Städte, Strassen, Produkte, Fernseher empfinde ich dagegen als fremd, dumm…

    • Paul sagt:

      Nicht ganz beim Thema und ein bisschen wirr dein Kommentar Gerd. Wie auch dein „Reisebericht“ auf Geo. Aber dir scheint es gut zu gehen. Nur das zählt.

  • edith sagt:

    lachen, freude, genussvolle momente sichern bestimmt unsere abwehrkräfte für weniger angenehme tage, aber die kathastrophen im leben muss jeder mensch ganz alleine verarbeiten. da ist meines erachtens ein bereits angelegtes system ( gen) dann sehr hilfreich. unbewusst können diese menschen sich schneller und intensiver aus den krallen der jeweiligen traurigkeit und schwierigkeit befreien. für mich sind menschen die dieses gabe haben, die vom glück begünstigten.positiv denken kann man zwar lernen, richtig tiefgreifend ist es in den wirklich schwierigen tagen kaum oder nicht das alleinige. edith

  • Thomas Bachmann sagt:

    Der Optimismus der 13-Jährigen hat weniger mit Resilenz, als mit Abspaltung zu tun. Ein so junger Mensch könnte das erlebte nicht verarbeiten, dabei werden die unerträglichen Emotionen weggeschlossen. Im Unbewussten wird das erlebte jedoch weiter existieren und zu Problemen führen.

    • Sind Sie Hellseher? Spezialist für tiefenpsychologische Tiefenkenntnis?
      Mir tönen Ihre Vermutungen recht kategorisch. Das Leben funktioniert anders, komplizierter.

      • Alexander Roski sagt:

        Für solche Leute ist klar, dass ein Trauma vorliegen muss. Da kann die Betroffene sagen was sie will …

      • Thomas Bachmann sagt:

        Nein, ich bin kein Hellseher, aber habe eine vergleichbare Vergangenheit. Damals haben auch alle gestaunt, wie „erwachsen“ ich doch sei.

  • Jin sagt:

    Was zu wenig erforscht ist und bisher nur mit einzelnen Studien untersucht wurde: wie geht es den „resilienten“ Kindern als Erwachsene? Sie haben „es“ scheinbar geschafft, aber sind sie glücklich? Besagte Studien belegen Aengste, Depressionen, Erschöpfungszustände die sich erst ab 40 oder älter manifestieren können.
    Ich selber hatte eine Kindheit mit Missbrauch, Alkohol, psych. Gewalt und dann eine akademische Blitzkarriere hingelegt. Heute, mit knapp 50 muss ich wohl IV beantragen.

    • Kara sagt:

      Mir geht es ähnlich. Ich hatte eine schwierige Kindheit, nicht erst seit dem Suizid meines Vaters. Bis Anfang dreissig war ich eine unabhängige Frau mit Rückgrad, die auf dem Weg zu einer guten Karriere war. Die Kehrtwende war vielleicht der Tod meiner Mutter. Heute, bald vierzig, frage ich mich, wie es geschehen konnte, dass ich meine Power verloren habe. Man kann äusserlich stark sein, mit einem guten Panzer, was jedoch auch Verhärtung bedeutet, oder, nachdem man die Verhärtung abgebaut hat, wird man, nach einer Phase der Verletzlichkeit und der Selbstzweifel, innerlich stark. Ich hoffe es.

      • Christoph Meyer sagt:

        Ich war wohl so ein resliientes Kind. Ich habe mal in einem astrolog. Gutachten gelesen, die zweite Lebenshälfte würde bei mir einfacher. Ja, das glaube ich. Ich konnte in jahrzehntelanger intensiver Arbeit an und mit mir selbst, auch dank vieler Hilfe von anderen, meine Erfahrungen verarbeiten und auch überwinden. Ich habe weder eine Familie gegründet, noch Karriere gemacht, sondern vorwiegend den Fokus auf meine Ent-Wicklung gesetzt, weil ich wusste, dass das sehr wichtig war. Jetzt, mit Anfang/Mitte Vierzig kann ich langsam die Früchte dieser langen und harten Arbeit ernten. Das befriedigt.

  • Martin sagt:

    Diese „Resilienz“ ist bestimmt gut, wenn nur ein Schicksalsschlag eintrifft. Gerade bei einem Jugendliche kann es doch gut möglich sein, dass durch das Vorhandensein des anderen Elternteils, der Verlust eines Elternteils gut weggesteckt werden kann. Der Jugendliche hat immer noch eine sichere Bleibe. Ein Schicksalsschlag ist einfach zu verkraften. Wer aber von einem Umfeld umgeben ist, dass grosse Trauer voraussetzt usw. der wird in einen Strudel runter gezogen. Mir ist schon aufgefallen, dass die CH ein sehr depressives Land ist, sehr negativ teilweise. Sieht man auch an Traditionen und Namen

    • Blanche Wu sagt:

      Nicht zwingend. Es gibt auch Kinder die in schrecklichen Bedingungen aufwachsen und aus einem inneren Impuls oder aus Überlebenswille nicht aufgeben und sich durch den Dreck durch kämpfen und sich sagen „nie aufgeben, immer weiter, sonst gewinnen sie“. Und wie süss wäre es aufzugeben und evt. sogar sterben zu wollen. Es gibt die Kämpfer und es gibt diejenigen welche rasch resignieren. Das Umfeld ist wichtig, aber es gibt auch Menschen die aus sich selbst heraus das schaffen und die Lebensfreude bewahren obwohl es eigentlich keinen Anlass dazu gibt.

      • Martin sagt:

        Was heisst durch den Dreck kämpfen? Ich denke, in der CH gibt es nicht so viele Leute, die sich wirklich durch den Dreck kämpfen müssen! Die meisten Leute hier leiden eher am Druck aus ihrem Umfeld, der Gesellschaft oder dergleichen. Ich denke, dass Leute in der CH noch eher den Platz für Träume und dergleichen haben, als in anderen Ländern. Mehr Freiheit für Selbstverwirklichung. Wer genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, genug Kleider und gute Gesundheit hat, ohne von Sozialhilfe abhängig zu sein, der hat kann doch auch Lebensfreude haben, oder nicht?

      • Dieter Neth sagt:

        Man KANN schon Lebensfreude haben, wenn einem materiell nichts Existenzielles fehlt. Dazu braucht es aber vor allem ein dienliches Umfeld, wie Sie angetönt haben. Und das ist hierzulande eben meistens sehr kalt. Man muss funktionieren, angepasst sein. Allzu schnell droht sonst die Ausgrenzung, das Nicht-Dazugehören, das Fertigmachen. Das allgemeine Gemotze von allen seiten über Themen wie Weltpolitik und das Sommerwetter(!!), die man sowieso nicht ändern kann, hilft der Lebensfreude auch nicht gerade. Lebensfreude kann es auch ohne 3x Essen in einem kalten Haus geben.

      • Martin sagt:

        @Dieter Neth: Ja, ich muss Ihnen zustimmen! Mir ist auch aufgefallen, wie bissig und negativ einem manchmal der Wind in der Schweiz ins Gesicht weht! Ich gebe zu, ich bin kein Mensch, der jeden „Hafechäs“ toll findet, aber so ist es in anderen Ländern eher möglich Erfolg zu haben, die richtigen Kontakte zu knüpfen, als hier. Die Schweiz ist teilweise sehr frostig. Der Umgang mit den Leuten untereinander. Weshalb das so ist, das weiss ich auch nicht. Anstatt zu fördern, wie zerstört. Sehr oft auch zu Hause. Dafür werden dann eher fragwürdige Ideen sogar noch von der Regierung unterstützt.

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