Bitte gehen Sie!

Die Hauptreisesaison steht vor der Tür, meine Damen und Herren, und – wer reinkommt ist drin. Halt. Nicht ganz. Diese bewährte Maxime gilt leider nicht unbedingt für den zivilen Luftverkehr; sie gilt in der Tat immer weniger. Da hat man nun all diese Sachen und Umstände unternommen; man hat gebucht, gepackt, sich an den Flughafen bewegt, womöglich noch mit dem Gate Agent geflirtet, um einen besseren Sitzplatz zu kriegen und die Übergepäckgebühr nicht zu bezahlen; man hat die üblichen Zumutungen der Sicherheitskontrollen und Verspätungen ertragen, endlich sitzt man in der Maschine … und dann fliegt man möglicherweise doch wieder raus. Wenn nämlich die letzten paar Jahre irgendeine Entwicklung aufzeigen, dann die, dass die Fluggesellschaften nicht nur schärfer darüber wachen, was an Bord eines Flugzeugs gelangt, sondern auch darüber, wer an Bord kommt – und bleibt. Der Rauswurf von «unruly passengers», also von widersetzigen oder aggressiven Fluggästen, ist gar nicht so selten. «Widersetzig» wiederum ist nicht selten eine Abwägungsfrage. Der Kapitän (juristisch: Luftfahrzeugführer) hat hier die Bordgewalt oder auch luftpolizeiliche Hoheitsgewalt, sobald der Einstieg geschlossen ist, denn das Luftfahrzeug gilt als im Flug befindlich, wenn die Türen zu sind (Tokioter Abkommen von 1964, Kapitel III, Artikel 5, Absatz 2). Um die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten und um die Ordnung und Disziplin an Bord aufrecht zu erhalten, kann es dann also sein, dass ebendieselbe Türe wieder aufgeht, und zwar, um den einen oder anderen (mutmasslich) renitenten Passagier wieder auszuspucken. Kulturübergreifend mit Bordverweis geahndet werden regelmässig der Konsum von Pornographie sowie der Konsum von Zigaretten (hingegen ist allgemein bekannt, dass im Cockpit gelegentlich geraucht wird, aber das Cockpit hat seinen eigenen Luftkreislauf und der Kapitän hat, wie gesagt, die Bordgewalt). Auch der Versuch von Fluggästen, dem sogenannten Mile-High Club beizutreten, endet bei Entdeckung mit Rauswurf. Das war schon immer so. Doch haben Sie gewusst, dass auch Übergewicht, Körpergeruch oder Slogan-T-Shirts den Bordverweis zur Folge haben können? Nein? Dann folgt hier als kleine Hilfestellung und Übersicht für Sie eine grobe Übersicht über die neueren Rauswurfgründe, zusammengefasst in fünf Kategorien. Damit Sie sehen, welche Parameter Sie zu beeinflussen haben, um möglichst an Bord zu bleiben. I’m a fountain of wisdom. Drink from me.
- Zu fett
In der von Euphemismen beherrschten Sprache der Fluggesellschaften heissen dicke und sehr dicke Leute «Passengers of Size». Doch Euphemismen schützen vor Rauswurf nicht. Dies musste zum Beispiel der amerikanische Regisseur Kevin Smith erfahren: Smith, 42, wurde aus einer Maschine der Line Southwest Airlines geschickt, mit der Begründung er sei «too fat to fly» (wie es der Betroffene später selbst paraphrasierte). Nun ist Smith in der Tat nicht gerade dünn, kauft aber in der Regel, wie es die Passengers-of-Size Policy etlicher (insbesondere amerikanischer) Airlines verlangt, zwei Sitze pro Flug. In besagtem Falle allerdings war er Standby-Passagier auf einer Maschine, wo nur ein freier Sitz zur Verfügung stand, und nach Einschätzung der Crew füllte Herr Smith, der sich nach eigenen Angaben bereits platziert und angeschnallt hatte, diesen Sitz offenbar im Übermass aus. Folge: Er musste wieder raus. Nachdem er sich darüber via Twitter echauffiert hatte, entschuldigte sich Southwest und offerierte einen Gutschein über einhundert Dollar, den Smith ablehnte.
- Zu laut
In der Kategorie «zu laut» sind meistens Kinder involviert. Zum Beispiel Kleinkinder, die wieder und wieder und wieder «Bye-bye, plane!» rufen, wie der seinerzeit 19 Monate alte Garren Penland an Bord einer Maschine der Continental Airlines von Houston nach Oklahoma. Oder «Go! Plane! Go!», wie der zweijährige Adam Root auf einem Flug von Amarillo nach San Jose. Beide Fälle endeten damit, dass Mutter und Kind von Bord gebeten wurden. Wozu wir übrigens an dieser Stelle gerne die Grundregel von «Debrett’s Guide to Etiquette» in Bezug auf Kinder zitieren möchten: «Kinder können, obschon sie für Eltern die reinste Freude sind, für andere Leute eine extreme Geduldprobe darstellen. Eltern müssen ihren Nachwuchs in Ordnung halten. Dazu gehört, Kinder von der Produktion von Lärm und Unordnung sowie von vorlautem, dominantem und unhöflichem Benehmen gegenüber Erwachsenen und anderen Kindern abzuhalten. Sowie ganz allgemein zu verhindern, dass Kinder ihrer Umgebung das Leben zur Hölle machen.»
- Zu indezent
Wohl die grösste Anzahl der Bordverweise fällt in diese Kategorie, die sich allgemein subsumieren lässt unter «Fehlendes Mass an Zurückhaltung». Legendär wurde der Fall der Hooters-Servierkraft Kyla Ebbert, die einst in San Diego eine Maschine der Southwest Airlines verlassen musste, weil sie nach Auffassung der Fluggesellschaft zu wenig anhatte. Doch auch anderweitig provokative Kleidung, zum Beispiel ein anstössiger Slogan auf einem T-Shirt, kann zum Bordverweis führen. Eine ganz andere Art von Entblössung hingegen führte im Jahre 2006 zum Ausschluss von einer Dame namens Emily Gillette von Bord eines Delta Airlines Fluges am Burlington International Airport in Vermont, USA. Frau Gilette hatte begonnen, ihre 22 Monate alte Tochter zu stillen. Eine ihr vom Kabinenpersonal angebotene Decke zur Erhöhung der Diskretion lehnt sie ab. Darauf musste sie aussteigen, mitsamt Tochter und Mann. Hier wurde also Beschwerden von Mitreisenden vorgebeugt, während ebensolche Reklamationen in einem anderen Fall eines reisenden Herrn aus Düsseldorf, Deutschland, dazu führten, dass besagter Herr von Bord eine British-Airways-Fluges gebeten wurde. Grund: exzessiver Körpergeruch. Der Mann klagte, doch die Klage wurde abgewiesen. Es stellte sich heraus, dass British Airways eine strikte No-Fly Policy (NFP) stipuliert hat mit Blick auf Personen, von denen offensive Ausdünstungen ausgehen. Geklagt hat übrigens auch Emily Gillette, die stillende Mutter. Worauf wir gerne wieder «Debrett’s» zitieren möchten. Dort findet sich zum Thema «breast-feeding in public» folgende Aussage: «It is bad manners to expel any liquid from any orifice in public, and breast-feeding is no different.»
- Zu ignorant
Manche Sachen macht man einfach nicht. Auch wenn man nicht mit den Einzelheiten der Verhaltenspflichten für Passagiere vertraut ist, die Teil der Allgemeinen Beförderungsbestimmungen von Luftfahrtunternehmen und der Hausordnung auf Flughäfen bilden, denen man mit dem Erwerb eines Tickets implizit zustimmt, – so weiss man, dass beispielsweise beim Check-in Bemerkungen über Bomben zum Beförderungsausschluss führen (zu Recht). Und auch andere Themen können heikel sein. So wurde im Jahre 2009 eine Familie in Washington, D.C., von einem AirTran-Airways-Flug ausgeschlossen, weil sie beim Einsteigen und anschliessenden Gang durch das Flugzeug darüber diskutiert hatte, wo sich die sichersten Plätze in der Maschine befänden. Mitreisende Passagiere und die Crew alarmierte die Richtung dieser Unterhaltung; während der Pilot den Start vorbereitete, wurde ein FBI-Agent an Bord geholt und die Familie musste zwecks Befragung wieder aussteigen.
- Zu dumm
Damit meine ich: Manchmal läufts einfach dumm. Man macht alles richtig, und irgendwie landet man trotzdem draussen. Wie Cynthia Angel, eine Dame aus Südkalifornien, die von Bord eines Delta-Airlines-Fluges gebeten wurde, nachdem sie pflichtschuldig gemeldet hatte, dass dessen Kapitän möglicherweise alkoholisiert sei. Frau Angel, die sich auf dem Rückweg von Georgia befand, hatte vor Betreten der Maschine zusammen mit anderen Mitreisenden eine kurze Konversation mit dem Kapitän, in dessen Folge sie nicht sicher war, ob sie eine Wodkafahne gewittert hatte. Also sprach sie an Bord mit dem Purser. Nach diversen anschliessenden Befragungen durch den Co-Piloten und durch Manager von Delta Airlines und nachdem der Kapitän einen Alkoholtest unternommen hatte, der negativ ausgefallen war, wurde Cynthia Angel schliesslich gebeten, den Flug Nummer 2355 zu verlassen. Ihr wurde bedeutet, dass der Kapitän und seine Besatzung sie nicht an Bord wollten. Dafür bekam sie Essens- und Hotelgutscheine und die Versicherung, anderntags einen anderen Delta-Flug nach Los Angeles nehmen zu können.
So weit unsere kleine Übersicht. Wir lernen daraus: Die Wahrscheinlichkeit, von Bord eines Flugzeugs gebeten zu werden, ist zu grössten Teilen von Parametern abhängig, die man hinlänglich selbst bestimmen kann. Achten Sie in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass Sie nicht zu dick, laut, leichtbekleidet oder übelriechend sind. Doch auch dann – und sogar in der Kombination all dieser Parameter – scheinen die Aussichten, an Bord bleiben zu können, irgendwie noch hinreichend gut zu sein; dies jedenfalls ist der Schluss, zu dem man kommen muss, wenn man sich heutzutage in jedem beliebigen Flugzeug auch nur flüchtig umsieht. Oder, in den unsterblichen Worten von Noël Coward: «Why Do the Wrong People Travel?»
Im Bild oben: Ein grosser Passagier. (Screenshot Youtube)
55 Kommentare zu «Bitte gehen Sie!»
Punkt 5 zu dumm, ja tatsächlich, denn eine Wodkafahne gibt es nicht, Wodka ist Geschmacksneutral.
Gewisse Regeln kann ich nachvollziehen, beispielsweise die mit dem Körpergestank. Andere finde ich einfach nur lächerlich und idiotisch, besonders wenn es um Prüderie geht. Was zum Geier ist das Problem mit einer Passagierin, die leicht bekleidet ist? Wenn ich mich als Mitpassagier von sowas beleidigt fühle, ist doch das MEIN Problem! Oder die Regel mit dem Mile-High Club. Meine Güte, was ist schon dran, wenn halt ein Pärchen eine kurze Nummer auf dem Klo schiebt? Aber am Danebensten finde ich mit Abstand das Still-Verbot für Mütter. Das ist absolut frauenfeindlich und geradezu viktorianisch.
Was sind die ‚ueblichen Zumutungen‘ der Security Staff? Reise viel. Zuerich ueberraschte mich mit seiner Security crew und der offensichtlich damit verbundenen Uniform-Macht. Fondue war das Problem, ein Grinsen des Security staff, was ein Aufgebot von 3 schwer bewaffneten ‚echten‘ Polizisten mit Machine guns und Handschellen nach sich zog, um mich einzuschuechtern. Ist das ‚uebliche Zumutung? Nach einiger Korespondenz erhielt ich eine Entschuldigung und Entschaedigung. CH Airports versuche ich zu umgehen!
Was durch die Siko darf ist genau geregelt. Dann gibt ja immer noch einen Sektorenchef der für Unstimmigkeiten zuständig ist. Und wenn sie wegen mangelnder Sozialkompetenz dies mit ihm nicht regeln können, sind sie das Problem. Und es kann vorkommen, dass die Polizei bewaffnet ist und Handschellen dabei hat……
Frau Oconnor, dürfen wir Sie bitten, Ihr Erlebnis klarer zu schildern? Es interessiert uns.
Mach mal den klassischen Anfängerfehler bei der TSA und erzähl im unpassenden Moment (also in den Wochen nach irgendeiner Anti-US-Terroraktivität) einen Security-Witz. Die Reaktion kann noch übler ausfallen….
frau o’connor: das ist harmlos. waren sie schon mal auf dem ben gurion in tel-aviv?!
Die Beispiele stammen, weiss der Geier warum, alle aus USA ? Ab ZH-Kloten habe ich in aller Regel immer mit gesitteten, ruhigen Menschen zu tun, auch in vollbepackten Ferienfliegern. Oder liegt das einfach an meiner eingeschränkten Wahrnehmung – ich habe mir im Laufe der Jahre ein ähnliches Arsenal wie Herr Rittermann zurechtgelegt (OK, bis Singapur geht das nicht so, aber für 3-4 Stunden Flug im geistigen Nebel reicht es allemal).
ich kann ihnen versichern, lieber herr knapp – es hat von frankfurt – peking hervorragend geklappt – bin so pünktlich zum landeanflug erwacht.
Leider nein Herr Knapp, selbst erlebt und zwar schon ein paar wenige Jahre her, aber eine Gruppe schlimmst-alkoholisierter Absolventen der Rekrutenschule wurden bei einem Schweizer Ferienflieger rausgeschickt. Diese johlten und liessen magenbedingten Luftdruck oben und unten in einem Masse aus, dass die Crew zurechtermassen wieder von der Startbahn umkehrte und die Herren Landsdiener sich woanders austoben liessen.
mike: wenn man geschäftlich viel fliegt weiss man ziemlich genau, wieviel es erträgt, um die grossen peinlichkeiten zu verhindern und trotzdem einen schönen sitzen zu haben.
Ich finde dass die Ami Airlines wie AA, Delta etc. genau nach Reglement arbeiten. Also zero toloranz. Das ist fuer uns CH Leute nicht einfach zu verkraften denn wir sind uns an anderes ( mehr toloranz) gewoehnt. Manchaml hat man eine sehr angenehme crew und manchmal eben nicht. Dasselbe beim Zoll. Mit dem Zoll die gleiche Geschichte, manchmal klappt es und manchmal nicht. Am, besten ist wenn man ganz stur ohne laecheln durch das Zoll geht. Ja keine Bemerkungen auch wenn es auf der Zunge brennt. Unsere Welt ist voll von geistig kranken Menschen und viele davon findet man beim filegen.