Im roten Bereich

Die Boulevardzeitung «Blick», liebes Publikum, verfügt über eine Rubrik, wo sich Evastöchter aus dem Volk wenig bekleidet ablichten lassen können, was dann drolligerweise als «VIP Shooting» bezeichnet wird. Die Sache wird ausserdem begleitet durch einen Fragebogen bzw. Ausfüllbogen, und ebendort entdeckte ich neulich eine Wendung, die ich für Sie fotografiert habe, nämlich: «Den würde ich nicht von der Bettkante stossen». Ich war überrascht, dass diese Metapher noch im Schwange ist; ich dachte, sie sei im Aussterben begriffen, so wie «Da brat mir einer ’nen Storch!» oder «Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!». Doch offenbar wird «XY würde ich nicht von der Bettkante stossen» im Angestelltenmilieu (oder wenigstens in jenem Teil davon, der sich für den «Blick» auszieht) immer noch benutzt für: «XY wirkt auf mich erotisch attraktiv.» (Das Angestelltenmilieu wiederum habe ich deduziert einerseits aus der Wahl von Channing Tatum für ebendiese Person, die man nicht von der Bettkante stossen würde; andererseits aus der Entscheidung für «Sex unter der Dusche» sowie der Benennung von «Ich gehe zu oft shoppen» als «grösstes Laster» sowie die Verwendung des Wortes «shoppen» überhaupt.) Sie wissen ja, meine Damen und Herren, dass ich eine Schwäche für Wörter habe; yes, I know, I’m a total nerd. Schon vor einigen Jahren ist bekanntlich das «Lexikon der bedrohten Wörter» erschienen, das Begriffe wie «Yuppie» oder «Sättigungsbeilage» auflistet, die angeblich vom Aussterben bedroht sein sollen – das Projekt wird online laufend fortgesetzt. Ich hingegen möchte Ihnen heute einige Wörter und Wendungen ans Herz legen, deren Aussterben Sie unbedingt befördern sollten – sofern Sie nicht für ein Mitglied der Mittelklasse gelten wollen, das sich für 300 Franken in Unterwäsche photographieren lässt. Da hätten wir:
«Kult»
«mega»
«Knackpunkt»
«Querdenker»
«querbeet»
«ein gutes Glas Wein»
«ein gutes Gespräch»
«im grünen Bereich»
«Urgestein»
«Power-Frau»
Wieder viel häufiger benutzt werden sollten dagegen folgende Ausdrücke:
«schammpaar»
«gäbig»
«schammpaar gäbig»
«dufte»
«Krawallnudel»
«Rowdy»
30 Kommentare zu «Im roten Bereich»
Die 0815 Floskel von Frauen: Ich wünsche mir einen Mann der mit beiden Beinen auf dem Boden steht!
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Heisst das jetzt sie will einfach keinen Rollstuhlfahrer? – rund 98-99% aller Männer stehen doch zumeist mit beiden Beinen auf dem Boden…da kann man also deuten sie will praktisch jeden!
Es lebe das Wort! Zum Glück hat der Herr Tingler nichts über Schampus gesagt. Und wenn er mir das verbieten will, dann schreibe ich einfach Schämpäin! Klingt eh fast wie schampar. Muss also erlaubt sein.
Krawallnudel finde ich dufte.
„…von der Bettkante stossen“ wird allerdings in meinem Umfeld – allesamt unter zwanzig, in guter Ausbildung und definitiv nicht aus dem Blickschen Angestelltenmillieu – rege genutzt, wenn auch eher scherzhaft. Muss ich mir nun ein neues Umfeld suchen oder ist dieser Fauxpas zu verzeihen?
Von mir aus gerne verzichten darf man auf:
-klönen
-äufnen
-aufgleisen und ausrollen (ausser man arbeitet bei der Bahn)
Kommt jetzt grausam drauf an, WARUM man gewisse Wörter nicht mag. Allenfalls mag man eher die Leute nicht, die gewisse Wörter gern benutzen und möchte nicht mit denen in einen Topf geworfen werden. Was für diese andersrum auch gelten könnte. Dünkel ist auch ein schönes Wort.
Richtig peinlich ist es aber, wenn man Wörter benutzt, deren Bedeutung man ganz offensichtlich nicht verstanden hat. Gern genommen wird „Quantensprung“ wenn man einen grossen Unterschied meint, was genauso falsch ist wie „Trimester“ für ein Dritteljahr.
Gottseidank weiss aber doch jeder, was gemeint ist.