Im roten Bereich

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Die Boulevardzeitung «Blick», liebes Publikum, verfügt über eine Rubrik, wo sich Evastöchter aus dem Volk wenig bekleidet ablichten lassen können, was dann drolligerweise als «VIP Shooting» bezeichnet wird. Die Sache wird ausserdem begleitet durch einen Fragebogen bzw. Ausfüllbogen, und ebendort entdeckte ich neulich eine Wendung, die ich für Sie fotografiert habe, nämlich: «Den würde ich nicht von der Bettkante stossen». Ich war überrascht, dass diese Metapher noch im Schwange ist; ich dachte, sie sei im Aussterben begriffen, so wie «Da brat mir einer ’nen Storch!» oder «Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!». Doch offenbar wird «XY würde ich nicht von der Bettkante stossen» im Angestelltenmilieu (oder wenigstens in jenem Teil davon, der sich für den «Blick» auszieht) immer noch benutzt für: «XY wirkt auf mich erotisch attraktiv.» (Das Angestelltenmilieu wiederum habe ich deduziert einerseits aus der Wahl von Channing Tatum für ebendiese Person, die man nicht von der Bettkante stossen würde; andererseits aus der Entscheidung für «Sex unter der Dusche» sowie der Benennung von «Ich gehe zu oft shoppen» als «grösstes Laster» sowie die Verwendung des Wortes «shoppen» überhaupt.) Sie wissen ja, meine Damen und Herren, dass ich eine Schwäche für Wörter habe; yes, I know, I’m a total nerd. Schon vor einigen Jahren ist bekanntlich das «Lexikon der bedrohten Wörter» erschienen, das Begriffe wie «Yuppie» oder «Sättigungsbeilage» auflistet, die angeblich vom Aussterben bedroht sein sollen – das Projekt wird online laufend fortgesetzt. Ich hingegen möchte Ihnen heute einige Wörter und Wendungen ans Herz legen, deren Aussterben Sie unbedingt befördern sollten – sofern Sie nicht für ein Mitglied der Mittelklasse gelten wollen, das sich für 300 Franken in Unterwäsche photographieren lässt. Da hätten wir:

  1. «Kult»

  2. «mega»

  3. «Knackpunkt»

  4. «Querdenker»

  5. «querbeet»

  6. «ein gutes Glas Wein»

  7. «ein gutes Gespräch»

  8. «im grünen Bereich»

  9. «Urgestein»

  10. «Power-Frau»

Wieder viel häufiger benutzt werden sollten dagegen folgende Ausdrücke:

«schammpaar»

«gäbig»

«schammpaar gäbig»

«dufte»

«Krawallnudel»

«Rowdy»

30 Kommentare zu «Im roten Bereich»

  • Marcel Zufferey sagt:

    Im Angestelltenmilieu, soso. Gut, wer natürlich von den Anhöhen unserer Kultur aus (nach unten) predigen kann, was man soll und was man nicht soll, der hat gut reden. Ich blicke zu ihnen hoch, Herr Tingeler, zu ihnen ganz hoch oben da, so hoch, dass mir beinahe der Atem stockt. Und bedecke mein Haupt mit Asche, ja: Asche. Wohlwissend, dass es mir wohl ewig verwehrt sein wird, zu solch profundem Wissen zu kommen, was man denn heute noch alles sagen darf und was nicht. Oder hätte ich eher von profanem Wissen schreiben müssen? Also bitte: Standesdünkel nannte man so etwas früher!

  • Coccinelle sagt:

    mega ist mein Lieblingswort! Das wird schon alleine dank mir nie aussterben 😉

  • Philipp Rittermann sagt:

    🙂 aber „dufte“ gehört in erstere kategorie – so oder so; aber ich vermute, der werte herr doktor hat das absichtlich am falschen ort platziert. und eigentlich brauchen wir noch eine 3. kategorie, mit den ausdrücken, welche sich im täglichen gebrauch etabliert haben, aber dennoch irgendwie anrüchig sind. da wären u.a.: „geil“, „pfütze“, „tschutsch“, „schpagalö“, „fanta-girl“, „sack“, „frechheit“, „nuttendiesel“, „maximal-pigmentiert“, „rot-grün“, „schlumpf…..“, „asyl-industrie“, „sozial-mafia“, „rassismus“, „zürIcher“, „schtänz“, „vetterliwirtschaft“, „grottenmolch“, „billet-kontrolleur“…

  • S. Ali sagt:

    Dufte? Dufte! Schade, dass es in meinem „Züricherdeutsch“ nicht die Möglichkeit zur Verwendung dieses Wortes gibt. Selbes gilt für Krawallnudel, die dann nämlich eine Krawallnuddle sein müsste. Schampaar blöd.

    • Philipp Rittermann sagt:

      gott, es heisst „zürichdeutsch“ – ist denn das so schwierig, hei nomal!!

  • Anja S. sagt:

    „…sofern Sie nicht für ein Mitglied der Mittelklasse gelten wollen…“ – echt jetzt?

    Und was bedeutet „schammpaar“? Das Internet konnte mir nur mit „schampar“ weiterhelfen für besonders und außerodentlich. Meinten Sie das? Dann würde als Beispiel folgender Satz wohl richtig sein? „Dieser Artikel ist schammpaar ungäbig!“
    …wenigstens hab ich etwas über Dialekt gelernt. Find ich mega!

    Und für Sie hoffe ich, daß die Luft da oben nicht immer so dünn ist wie zum Entstehungszeitpunkt dieses Blogbeitrages.

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