Die schwulste Lampe der Welt

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Ich habe die mutmasslich schwulste Lampe der Welt für Sie entdeckt, meine Damen und Herren, und zwar bei Ikea. (So ein- bis zweimal im Jahr zwinge ich den besten Ehemann von allen, mit mir zu Ikea zu fahren, wo wir dann Fleischbällchen essen, und anschliessend kaufe ich ein paar Kerzen, was ebenfalls pretty gay ist, doch bei weitem nicht so gay wie die Lampe, die Sie auf obigem Bild sehen.)

OK, im Grunde nehme ich als stolzer Homo die allgemeine Verschwulung der Welt mit ebendiesem grosszügigen Gleichmut hin, den Sie unterdessen alle so an mir schätzen und lieben gelernt haben, werte Leserschaft. Nun gibt es einen Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin, einen Herrn namens Byung-Chul Han, von dem ich nicht sehr viel halte, weil ich sein Herumnörgeln an der sogenannten Leistungsgesellschaft ziemlich altbacken, prätentiös und klischeehaft finde. Byung-Chul Han konstatiert einen «Zwang zur Transparenz» in unserer Gesellschaft, angeblich bewirkt durch «neoliberale Marktkräfte». Das ist ungefähr so platt wie wenn man die Freiheitskämpferin Margaret Thatcher über die Liberalisierung der Finanzmärkte für die heutige Euro-Krise verantwortlich machen will. Die Euro-Krise ist entstanden, weil gewisse Länder sich mehr Geld geliehen haben als sie bewältigen konnten, und dies nun gerade entgegen einem eisernen Diktum von Mrs T: One must not borrow. Doch ich schweife ab. Byung-Chul Han konstatiert also für die digitalen Gesellschaft eine neue, erzwungene, quasi-pornografische kulturelle Norm, nämlich den Druck auf den Einzelnen zur pseudofreiwilligen Offenlegung intimer Details, ein totalitäres System der Offenheit mit Zwang zur permanenten Vigilität und Visibilität, zu Lasten anderer sozialer Werte wie Scham, Vertraulichkeit und Vertrauen.

Richtig ist in der Tat, dass Scham und Diskretion ja nun irgendwie fortlaufend den Bach runtergehen, und, wissen Sie was: Ich selbst würde hier theoretisieren, dass quasi die materielle Seite dieses Prozesses sich unter anderem in einer Zunahme von Formschrott äussert. Wie der Lampe oben. Jedenfalls frage ich mich beim Anblick solcher Sachen: Wer kauft das? Könnte sich bitte hier mal jemand melden, der diese Lampe gekauft hat oder kaufen würde, und sagen, warum. Danke. And please come again.

34 Kommentare zu «Die schwulste Lampe der Welt»

  • Martheli Mummenthaler sagt:

    Ich kenne ein ballettbegeistertes Teenager-Mädchen, das eine solche Lampe zum Geburtstag erhalten hat.

  • Susanne Kernen sagt:

    Jedesmal bleibe ich FAS-sungs-los vor dieser Lampe stehen und frage mich dasselbe: WER um alles in der Welt kauft diese Lampe??! Und dann – ich gestehe – frage ich mich als nächstes, ob ich nicht doch vielleicht…? Unter dem Titel „prämiert weil jenseits“…? Mein Mann drohte bei diesen Gedanken zu kollabieren – ich lasse es. Vielleicht.

  • Marion sagt:

    Visuelle Agonie nenn‘ ich das. Es ist beleidigend dieses Produkt als gay zu bezeichnen, da viele schwule Menschen (also,mindestens jene die ich kenne) einen sehr dezenten Geschmack haben. Ich fände „hässlicher Schrott“ treffender. Aber let’s be honest, wäre die Welt nicht etwas langweiliger, wenn alle guten Geschmack hätten?

    • Lord Henry sagt:

      Nein meine Liebe, langweiliger wäre sie nicht, sie wäre schöner, erträglicher und lebenswerter. Aber auch schwieriger. Schwieriger für mich. Ich meine, wenn Sie sich die Leute als Kulisse vorstellen, war es doch noch nie so einfach, sich morgens vor dem Kleiderschrank oder, je nach Ihrem Einkommen oder Stand, Ihrem Ankleidezimmer, so herzurichten, daß Sie sich eben positiv vor bzw. von dieser Kulisse unterscheiden.

    • nicetoall sagt:

      Die tuntigste Leuchte aller Zeiten mit „visueller Agonie“ zu bezeichnen, finde ich nicht ok, Marion. Kitsch ist bekanntlich das, was heimlich gefällt!

  • Stephan Brupbacher sagt:

    Ja, heisst denn „gay“ nicht auch fröhlich? Aber das wäre ja dann viiiiel weniger trendig, oder?

  • Mike sagt:

    Die Frage, wer zum Teufel diesen hässlichen Krempel kauft, stelle ich mir bei 90% aller anderen Ikea-Produkte auch. Von dem her weiss ich jetzt nicht, ob diese Lampe wirklich etwas irgendwie Herausragendes darstellt. Jedenfalls sieht sie für mich aus wie ein aufgespiesstes Tiefseetier, und ich nehme darum an, sie wird von Tauchern gekauft.

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