Wie eitel dürfen Männer sein?

Frauen sind eitel. Alle. Jede kennt den Drang, die eigene Erscheinung in jeder reflektierenden Oberfläche zu kontrollieren und nur wenige bringen die Selbstbeherrschung auf, diesem nicht nachzugeben.
Männer quittierten diese weibliche Zwangsneurose bis vor wenigen Jahren mehrheitlich mit milder Verwunderung oder manchmal auch Kopfschütteln. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass das männliche Geschlecht punkto Eitelkeit aufzuholen beginnt. Seit wir alle nicht mehr nur über eine Persönlichkeit in der realen Welt verfügen, sondern auch über eine in der virtuellen Welt, die man zudem viel leichter manipulieren kann, ist Eitelkeit von einer leicht verschämt im Verborgenen praktizierten weiblichen Kulturtechnik zum einem Imperativ für beide Geschlechter geworden.
Darauf deutet zumindest der Umgang mit den sogenannten Selfies hin. Darunter versteht man jene Selbstporträts, die insbesondere Menschen unter dreissig ein steter Quell der Freude und Selbstversicherung zu sein scheinen. Wobei die jungen Männer den jungen Damen in dieser Hinsicht inzwischen in nichts mehr nachstehen. Und sie schämen sich nicht einmal dafür, im Gegenteil. Mit einer beneidenswerten Nonchalance stellen sie ein Bild von sich ums andere aufs Netz, um ihrer Fangemeinde zu zeigen, wie unglaublich gut sie aussehen. Nun wissen wir, dass Männer den eitlen Frauen gegenüber grosszügig Milde walten lassen. Trotz gelegentlichem Kopfschütteln haben sie sich im Verlaufe der Menschheitsgeschichte an das Buhei gewöhnt, das Frauen rund um ihr Erscheinungsbild veranstalten. Die Frage ist nur, wie Frauen eigentlich darauf reagieren, wenn die Männer sie nun auf diesem Feld zu konkurrenzieren beginnen.
Dazu muss man sich vielleicht fragen, wo der Hang zur permanenten Selbstversicherung über das Erscheinungsbild eigentlich herkommt. In einem Artikel über Selfies erklärte die Journalistin Emily McCombs neulich, dass sie sich deshalb zwanghaft selber fotografiert, weil sie ihrer eigenen Erscheinung gegenüber so unsicher ist. Ein Befund, den wohl jede Frau, und sei sie noch so selbstsicher, bestätigen kann. Frauen werden so früh darauf konditioniert, dass ihre Oberfläche mehr ist als eben bloss das, eine Oberfläche, sondern eher so etwas wie eine Funktion ihres wahren Selbst, das es an den guten Tagen modisch zu gestalten, an den schlechten einer feindseligen Welt gegenüber zu verantworten gilt, dass wir den Blick von aussen immer mitdenken. Wir sind selber der Blick und der lässt keine Gelegenheit ungenutzt zu prüfen, wie unser wahres Selbst so daherkommt und ob es irgend eine Übereinstimmung gibt zwischen dem, wie wir uns fühlen und dem, wie wir aussehen. Leider gibt es beinahe nie eine Übereinstimmung, aber oft einen Abgrund zwischen diesen beiden und aus diesem Abgrund kriecht der Selbstzweifel und greift mit seinen verwesenden Armen nach unserem wahren Selbst wie die bösen Dementoren in Harry Potter.
Wenn die Selbstzweifel Dementoren sind, dann sind Selfies das Mittel der Wahl, sie zu bekämpfen, behauptet zumindest Emily Combs. Fotos zu veröffentlichen, auf denen sie sich attraktiv findet, helfe ihrem Selbstwertgefühl auf die Sprünge, schreibt sie. Und auch wenn ich bezweifle, dass ein schlichtes Foto solch magische Fähigkeiten entwickeln kann, so hat es zumindest die Kraft, den Abgrund zwischen innen und aussen für einen Moment zu schliessen, unsere Erscheinung für den flüchtigen Augenblick des Fotos zu objektivieren – so dass wir uns betrachten und uns vorstellen können, was wir von dieser Person denken würden, wenn sie jemand anders wäre als wir selbst.
Aber das alles gehörte bislang zur rein weiblichen Matrix. Dass nun junge Männer damit beginnen, sich genau so zwanghaft in dieser zu bewegen, indem sie sich zwanghaft selbe betrachten, fotografieren, bewerten, um eine Ahnung davon zu bekommen, wer sie sein könnten, so stimmt mich das betrüblich. Ich weiss, dass es viele Frauen gibt, die ihre Männer am liebsten wie Puppen herrichten würden und ihnen dauernd in den Ohren liegen, wie sie auszusehen und sich aufzuführen haben. Ich meinerseits fand es immer erfrischend, dass Männer sich diesen Fragen gegenüber viel entspannter verhalten. Dass sie andere Quellen anzapfen, um sich ihrer selbst zu versichern, als ihre schnöden Erscheinung. Ja, ich würde sogar sagen, dass Männer grosse Erfindungen und Entdeckungen gemacht haben liegt daran, dass es bei ihnen von Anfang an nicht reichte, sich ein bisschen die Haare zu bürsten, um vor dem andern – und natürlich dem eigenen Geschlecht als attraktiv zu gelten. Das müsste doch das Ziel sein.
Und deshalb hoffe ich, dass das mit der männlichen Eitelkeit nur eine vorübergehende Laune ist. Ein bisschen eitel darf man schon sein, aber nur ein bisschen. Denn eigentlich wünscht man sich ja in Sachen aufweichende Geschlechterrollen genau das Gegenteil. Dass die Männer sich bei den Frauen den guten Teil abgucken – und umgekehrt. Und deshalb liebe Männer, übertreibt es mal lieber nicht mit der Eitelkeit, denn das macht euch feminin und also letztlich eher unattraktiv für die Durchschnittsfrau. Dafür dürft Ihr ihr auch mal sagen, sie solle sich mal lieber anstrengen, etwas Richtiges aus sich zu machen und sich ihre Selfies bis dahin sonst wohin stecken.
Im Bild oben: Eines von unzähligen Selfies, die Justin Bieber ins Netz gestellt hat. (Foto: Justin Bieber/Instagram)
32 Kommentare zu «Wie eitel dürfen Männer sein?»
Ob das so neu ist? Narziss war immerhin ein Mann.
Und wenn ich mir so die gemalten Portraits der Bessergestellten aus Mittelalter und Renaissance anschaue…
Nichts anderes, als ein weitere Facette unserer total egoistischen Gesellschaft: Ich, ich, ich… Egomanie pur.
Fakt 1: Frauen hatten früher nicht das geringste Mitspracherecht in der Gesellschaft, waren Besitz des Mannes. Sie sollten weder intelligent, noch ehrgeizig sein, sondern gute Mütter. Ihr einziges Kapital – auch in den Augen der meisten Männer – war die Schönheit. Das Ziel: einen Mann heiraten, der einen finanziell u. rechtlich absichern kann. Fakt 2: Darum hatten Frauen früher „nichts Besseres zu tun, als sich die Haare zu bürsten. Schönheit war alles, was sie hatten. Fakt 3: Biologisch gesehen, wollen Männer hübsche, junge, reprod.fähige Frauen.
Dachte eigentlich, dass das Weiblein auch Gastgeberin war, Königin des Hauses und dieses organisieren und sich in unbezahltem Gesellschaftsdienst Ansehen erwerben konnte? Vielleicht so wie das heutige unterbeschäftigte Hausweiblein neben ihrem Töpferhobby tun würden, laut scharfzüngigen Kursleiterinnen.
Fakt 3: ach? Nach dem Schönheitsideal aus welchem Jahrhundert? Ist doch etwas weit hergeholt die Annahme. Biologisch gesehen ginge es doch mehr ums schlichte vögeln gezwitscher, was anspricht ist dann nicht nur biologische Angelegenheit.
Fakt 4: Was die Gesellschaft – auch Männer! – von Frauen wollen, wird in Werbung, Film, Männerzeitschriften etc. zur Genüge gezeigt. Lesen Sie mal Naomi Wolf`s „The Beauty Myth“ – gilt noch heute! Fakt 5: Die wenigsten Frauen haben riesigen Spass daran, sich ständig mit den Augen der anderen anzusehen – es liegt ihnen aber durch den gesellschaftlichen Druck und eine jahrhundertelange Tradition „in Fleisch und Blut“. Das ist tragisch, darüber lustig machen sollte Mann sich nicht. Und: Dass Männer diesen Druck nun langsam auch fühlen, ist eigtl. nur fair…
Da ist die holde Weiblichkeit natürlich mitschuldig. Wenn man sieht wie Frau dem gepuderten Gockel nachrennt dann wollen halt immer mehr Männer so ein Gockel sein. Was nützen die besten inneren Werte wenn die gar nicht erst erkannt werden aufgrund mangelnden Haargels und Goldkettchen?
Aber wo viel Bling-Bling ist, da ist auch viel Schatten, das merkt man aber erst nach einer gewissen Zeit, dann florieren wieder Begriffe wie Natürlichkeit, Bodenständigkeit etc. Aber damit gewinnt Mann zuerst einmal mitleidvolle Blicke.