Weshalb erfolgt keine Gegeneinladung?

Letztes Jahr haben wir die Familie einer Freundin meiner siebenjährigen Tochter zum Mittagessen eingeladen. Wir hatten es so lustig miteinander, dass sie den ganzen Tag bei uns blieben. Sie verabschiedeten sich mit den Worten: «Das nächste Mal kommt ihr zu uns!» Das ist jetzt aber bereits ein Jahr her. Ich frage mich, wieso wir nicht eingeladen wurden – ist es nicht unhöflich, wenn man jemanden nicht einlädt, obwohl man bei ihm schon gegessen hat? R.P.
Liebe Frau P.,
bitte sehen Sie mir meine Unverblümtheit nach: Ich finde, Sie gehen jetzt da mit dieser anderen Familie etwas gar hart ins Gericht. Es wirkt auch ein bisschen überempfindlich und, ich bitte nochmals um Entschuldigung, etwas schmallippig. Gastgeber sollten vor allem eines sein: grosszügig. Und nicht von Anfang an heimlich aufrechnen, was nun die Gegenseite schuldet. Liebe Frau P., seien Sie deshalb ein wenig grossherziger mit Ihrer Umgebung. Das würde Ihr Leben bestimmt ganz grundsätzlich erleichtern.
Sie haben natürlich recht, dass im Idealfall auf eine Einladung eine Gegeneinladung folgt. Das gehört sich so. Bloss: Die Gründe, weshalb dem dann nicht so ist, können mannigfaltig sein. Die Erfahrung des Lebens zeigt doch zweierlei: Zum einen ist so ein Satz wie «Das nächste Mal kommt ihr zu uns» schnell gesagt; oft handelt es sich dabei um eine Floskel. Wobei das nicht heisst, dass man das nicht ernst meint in dem Moment, aber das sagt man halt so dahin, und man hat ja auch durchaus vor, sich zu revanchieren. Aber eben, und das ist der zweite Punkt, die Zeit vergeht mitunter wie im Flug; man nimmt sich zwar immer wieder vor, sich zu melden und eine Einladung auszusprechen, aber dann ist man zu müde oder hat zu viel um die Ohren oder keine Lust, und plötzlich ist ein Jahr vergangen, und man bekommt langsam ein schlechtes Gewissen, so sehr, dass man die Einladung immer weiter hinausschiebt, weil einen der Gedanke daran beschämt.
Man sollte also in solchen Angelegenheiten nicht päpstlicher sein als der Papst. Sondern die Sache selbst an die Hand nehmen. Was in Ihrem Fall heisst: Wenn Sie den Besuch damals als erfreulich empfunden haben, dann laden Sie doch diese lustige Familie erneut ein. Da bricht Ihnen kein Zacken aus der Krone. Allerdings: Sollte die Antwort darauf ausweichend ausfallen, dann müssen Sie der Wahrheit ins Auge blicken und daraus schliessen, dass die Gegenseite nicht so wahnsinnig scharf auf Sie ist. Was, nun ja, auch ein Grund für das Ausbleiben der Einladung sein kann.
Haben Sie auch Fragen zu Mode und Stil? Schreiben Sie sie unten in die Kommentare oder senden Sie sie an: gesellschaft@tagesanzeiger.ch
13 Kommentare zu «Weshalb erfolgt keine Gegeneinladung?»
Man kann doch einfach mal eine saulustige Zeit mit jemandem verbringen und es einfach hinnehmen als einen guten Moment. Es muss darauf weder eine Gegeneinladung, noch eine neue beste Freundin, noch sonst was entstehen. Es war einfach nett, schön, gemütlich, passend, e basta.
Wenn daraus etwas etsteht schön, wenn nicht auch nicht schlimm.
Viele Leute wissen einfach nicht mehr oder immer noch nicht was es heisst, den Moment zu geniessen. Man muss nicht immer alles hinterfragen und analysieren, ausser man will unglücklich sein.
Theoretisch haben Sie absolut Recht, praktisch gesehen wenn Sie Spass hatten, laden Sie sie nochmals ein. Ich habe auch Bekannte, die kommen immer zu mir zu Besuch. Da die Anreise bis vor kurzem recht lang war und deren Wohnung für meine beiden Kleinkinder wirklich nicht geeignet war, war es eine Win-Win-Situation. Zudem haben sie auch immer eine Kleinigkeit mitgebracht.
Wer sagt: „Das nächste Mal kommt ihr zu uns!“, sollte es schon einhalten. Das hat für mich nicht zu tun mit „aufrechnen, was nun die Gegenseite schuldet.“, sondern, dass man vorher überlegen und nicht Floskeln benutzen sollte. Auf der anderen Seite sollte aber auch nicht eingeladen werden in gleichzeitiger Erwartung einer (gleichen) Gegenleistung.
und hat irgendwer festgelegt, wann dieses nächste Mal sein soll? Nein, eben nicht. Wieso muss denn die andere Familie ein Zusammentreffen organisieren? Es ging nur darum, wer zu wem kommt, somit kann Frau P. sehr wohl besagte Familie kontaktieren und um eine Verabredung bitten, die dann eben bei der anderen Familie statt finden wird. Where’s the problem.
@ C.D.: Word.
Mein Mann und ich sind sehr unschweizerisch und wir tanzen bisweilen ziemlich aus der Reihe. Wir sind hoffnungslos spontan, „easy“ und unverplant. Viele aus unserem Umfeld irritiert das. Es ist auch so, dass wir wahnsinnig gern Gäste haben. Wir lieben es, wenn unsere Wohnung belebt ist, wenn wir ausgiebig für liebe Freunde kochen, einen Abend lang lachen und trinken können. Das bringt so viel Leben in unsere Räume. Wir fühlen uns nicht als Wohltäter und auch nicht ausgenutzt. Es lässt sich gut leben so.
Frau Bettina Weber, es ist verfehlt, die Fragestellerin als schmallippig etc. zu bezeichnen. Die Dame fragt sich ganz einfach, weshalb die andere Familie wohl keine Gegeneinladung ausspricht. Diese Frage darf man und darf sie sich stellen. Ausserdem, Frau Weber, etwas „einfach so dahinsagen“, sollte man als Erwachsener eben nicht.