Das Geheimnis der Frauen

Zum internationalen Tag der Frau möchte ich meine heutige Kolumne den lesenden Frauen widmen und ihnen die Gretchenfrage moderner Weiblichkeit stellen: Sind Sie Feministin?

Vielleicht wissen sie nicht genau, was sie darauf antworten sollen, weil sie eigentlich keine Ahnung haben, was das heissen soll. Alles, was sie mitbekommen haben, ist, dass das etwas Anstössiges ist, irgendwie schädlich und es riecht dazu noch schlecht. Wenn wir schon dabei sind, können wir dem Feminismus gleich noch ein paar andere Probleme anlasten: Ihm verdanken wir unglückliche Ehen, steigende weibliche Kriminalität, mehr Unfälle, unromantische Dates und schlechte Frisuren, heisst es. Ich habe das nie ganz verstanden. Nicht etwa, weil ich nicht selber bereits in unromantische Dates und schlechte Frisuren involviert gewesen wäre, sondern weil mir schleierhaft ist, was das mit Feminismus zu tun haben soll. Jüngst fragte mich ein Freund, warum ich mich eigentlich Feministin nennen würde, ich sei doch gar nicht so.

Wie so? fragte ich.

So in der Opferhaltung. Jede Handlung zentriert um die Tatsache, dass du zwei Brüste und eine Vagina hast.

Das soll Feminismus sein? Kein Wunder, ist der Begriff nicht mehr schick. Aber ich glaube, wir haben da etwas falsch verstanden. Und mit diesen Missverständnissen möchte ich aufräumen.

Nehmen wir Carla Bruni. Anfang Dezember verkündete sie in einem Interview mit der Vogue, niemand müsse in ihrer Generation mehr Feministin sein. Und ich würde ja gerne glauben, dass sie das sagte, weil sie fürchtete, mit einem Bekenntnis zum Feminismus in «irritierende Nähe» zu den Suffragetten gerückt zu werden. Das waren jene britischen Frauen um Emmeline Pankhurst, die vor hundert Jahren mit Brandanschlägen, Bomben und Demonstrationen, auf denen sie mit «Pfeffer und toten Katzen» warfen, für gleiche Rechte kämpften. Aber wahrscheinlich hat Carla Bruni damit etwas ganz anderes gemeint. Nämlich, dass sie keine lustfeindliche, konstant verärgerte und schlecht gekleidete Männerhasserin ist.

Die Gute Nachricht ist: Das ist auch gar nicht nötig. Die schlechte: Die wenigsten Frauen scheinen dies begriffen zu haben. Denn die Suffragetten und ihre Kolleginnen kämpften einzig und allein darum, dass Frauen endlich als gleichwertige Menschen gelten. Dass sie nicht gegen ihren Willen verheiratet werden und Kinder bekommen müssen. Dass sie ein freies Leben führen, das sie als freie Menschen gestalten dürfen und in dem sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können. So simpel ist es. Und weil wir uns heute so sehr daran gewöhnt haben, dass wir meinen, wir könnten die Geschichte vergessen, muss ich nochmals zur Einstiegsfrage zurückkommen: Sind Sie Feministin?

Kolumnistin Caitlin Moran, die ein sehr lustiges Buch darüber geschrieben hat, bietet dazu einen sehr einfachen Test an. Stellen Sie sich zwei Fragen:

Haben Sie eine Vagina?

Möchten Sie gerne selber darüber bestimmen?

Wenn Sie zwei Mal Ja antworten, dann sind alle weiteren Diskussionen hinfällig. Das ist das grosse Geheimnis der Frauen – im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gibt es auf diese Frage nur ein Ja.

Das sollte vielleicht auch jemand mal Carla Bruni verklickern, die sich in ihrer Jugend durch die halbe Rock’n’Roll-Hall-of-Fame geschlafen hat, später selber Sängerin wurde und dann als Präsidentengattin damit kokettiert, keine Feministin sein zu wollen. Hinfällig ist dann auch die nervtötende Frage, ob Feministinnen Absätze, knappe Kleider und rote Nägel tragen, ob sie eine Putzfrau anstellen dürfen. Oder sich Zickenkriege mit anderen Frauen liefern, selbst wenn sie auch Feministinnen sind. Natürlich dürfen sie das – und die Tatsache, dass sie es können und ihre Absätze, Kleider und Putzfrauen meistens aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen, ist der Beweis, dass sie es sind. Idiotisch sind auch all die Klagen über die «Kollateralschäden» des Feminismus. Denn Feminismus heisst nicht, dass Frauen, nur weil sie frei entscheiden können, bessere Menschen werden. Oder dass sie überhaupt bessere Menschen sind. Wenn Frauen also mit dem Fortschreiten der Emanzipation plötzlich ähnliche Probleme kriegen wie Männer, vermehrt straffällig oder süchtig werden oder Unfälle bauen, oder sich als schlechte Politikerinnen erweisen, dann bedeutet das noch lange nicht, dass der Feminismus versagt hat. Sondern nur, dass Frauen mit ihrer Freiheit oft genau so wenig umzugehen wissen, wie die Männer auch.

30 Kommentare zu «Das Geheimnis der Frauen»

  • Franz Pfister sagt:

    Von einem Mann den der aggressive Ton einiger Exponentinnen des Feminismus immer etwas verwundert und verärgert hat:
    Sätze wie „Oder dass sie überhaupt bessere Menschen sind“ und „dass Frauen mit ihrer Freiheit oft genau so wenig umzugehen wissen, wie die Männer auch“ hätten durchaus öfters fallen dürfen um die „wir sind etwas besseres als ihr (Männer) und sowieso an allem schuld, dafür müsst ihr jetzt büssen“ Aussagen zu relativieren.
    Ähnlich den Binz-Chaoten: Gute Kommunikation ist bei einer Revolution das A und O um nicht nur den Extremisten eine Platform zu geben.

    • Reto Stadelman sagt:

      So sehe ich die Situation auch Herr Pfister. Man wird als Mann buchstäblich überrannt von extremistischen Feministinnen die angeblich irgendein Unrecht bekämpfen. Und wenn man von denen immer wieder hört, dass Frauen die „Herrenmenschen“ sind, dann weckt das irgendwann sehr starkes Unbehagen… Ich bin heute davon überzeugt das Neofeminismus der Gleichberechtigung mehr schadet als nützt. Das ist wohl die Retourkutsche führ jahrelanges Fehlverhalten seitens der Feministinnen…

  • Philipp Rittermann sagt:

    stimmt schon. aber. viele frauen definieren sich unter „feminismus“ wie folgt: man manifestiert sich mit sämtlichen mitteln, teilweise situativ und ziemlich willkürlich, um sein ziel zu erreichen. das kann von der klassischen opferrolle, über jeanne d’arc, bishin zur plakativen zur schau-stellung der nacktheit à la femen, wirklich das ganze spektrum der interpretation beinhalten; und das im munteren wechselspiel. eine moderne frau ist sich der gesellschaftlichen situation bewusst und agiert intelligent, linientreu und mit charme. und – wichtig – sie ist gerne „frau“.

    • Heidi Merz sagt:

      @ PR: Eine moderne Frau lässt sich von niemandem sagen, wie eine moderne Frau zu sein hat, sondern findet ihre eigene Definition und steht dazu.

      @MB: Besten Dank für die Klärung des Begriffes „Feminismus“ und für einen wiedermal wunderbaren Text.

  • Reto Stadelman sagt:

    Wenn Sie es schaffen würden, dass auch mir beizubringen Frau Binswanger, DANN haben Sie etwas erreicht. Meine Antipathie gegen Feminismus ist nämlich erst gewachsen als ich mich verstärkt mit dem Thema befasst habe. Und je mehr Fragen ich stellte, um so mehr wurde ich abgekanzelt. Irgendwann einmal als wieder ein gehässiger Kommentar in real life zu hören war, hat es bei mir klick gemacht. Heute sehe ich in den Feministinnen, obwohl sie mir NOCH nichts Schlimmes angetan haben, eine Bedrohung für meine eigene Selbstbestimmung und Freiheit. Und ich bin nicht der Einzige…

    • MReq sagt:

      Inwiefern bedroht der Feminismus deine Selbstbestimmung und Freiheit? Was möchte der Feminismus dir denn verbieten?

  • Wetter sagt:

    Das find ich doch mal ein schöner Artikel zum Thema Feminismus.
    Vorallem auch das Schlusswort.

    Ich bin stolz ein Frau zu sein, ich find es schön in der heutigen Zeit (hier in Europa) Frau sein zu dürfen, selber bestimmen, arbeiten und Kinder haben, auch wenn es hie und dort noch etwas an der Gleichstellung fehlt, sollte man nie vergessen, wir Frauen machen die gleichen Fehler wie Männer und wir brauchen die Männer so wie sie uns brauchen.

    Zum Glück hab ich einen ganz tollen Mann gefunden, der mich wirklich als ebenbürtige Partnerin anschaut.

    2 x Ja ich bin eine Feministin

  • Hotel Papa sagt:

    Word!

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