Rechts stehen

Wir haben uns kürzlich an dieser Stelle, meine Damen und Herren, mit dem Benehmen im öffentlichen Raum befasst, und unter den Kommentaren fand sich ein Beitrag von Herrn Peter Müller, der auf das unterschiedliche Rolltreppenbenutzungsverhalten in den Städten Basel und Zürich hinwies. Und das hat mich inspiriert. Das und die Kardashians, um genau zu sein. Denn ich liess unlängst, als ich meine Kreditkartenquittungen sortierte, im Hintergrund «Khloé & Lamar» laufen (womit Sie einen Einblick in meinen typischen Dienstagnachmittag erhalten hätten, wenn Sie noch einen oder zwei Iced Triple Venti Two Percent Latte dazutun), und dabei ist mir aufgefallen, wie oft die Kardashians an ihren Haaren rummachen, praktisch andauernd! Bei welcher Gelegenheit ich gerne feststellen möchte, dass man in der Öffentlichkeit, zum Beispiel im Fernsehen, seine Hände generell und ganz allgemein fern von Mund, Nase, Augen und Ohren halten sollte, nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch, weil es einfach nicht sehr vorteilhaft aussieht, wenn man sich dauernd ins Gesicht fasst (und, for that matter: in die Haare. Überlassen Sie das den Kardashians).
Wenn «Khloé & Lamar» das eine Ende der Skala ist, dann befindet sich so ziemlich auf dem entgegengesetzten Ende «Curb Your Enthusiasm», und einer der zahllosen Höhepunkte dieser wundervollen Serie ist jener Moment, da Larry David einen Pig Parker zur Rede stellt, also jemanden, der ausserhalb der Markierung parkiert, womit er dann den nächsten zwingt, ebenfalls ausserhalb der Markierung zu parkieren und so weiter: «Society can’t function like this», sagt Larry.
In der Ökonomie spricht man von einem negativen externen Effekt in solchen Fällen. Also wenn das Handeln eines Akteurs die Handlungen oder Handlungsfreiheit eines anderen beinträchtig, ohne das der Verursacher dafür zur Kasse gebeten wird; in aller Regel leidet darunter die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Society can’t function like this. Und dassselbe gilt auf der Rolltreppe: «Links gehen, rechts stehen» ist eine einfache Regel, und Leute, die links stehen, halten andere Leute auf, die nicht stehen, sondern gehen möchten. Schlimmer sind nur noch Leute, die so ungefähr in der Mitte stehenbleiben und die linke Hand links auf dem Handlauf platzieren, die rechte rechts. Oder, halt, nein, noch schlimmer sind eigentlich Paare, die auf der Rolltreppe unbedingt nebeneinander stehen müssen. Oder Leute, die in ihr Telefon quaken und neben einem stehenbleiben, obschon man sie nicht kennt und auch nicht zu kennen wünscht und selbst ordentlich rechts steht. Oder Leute, die in ihr Telefon quaken und neben einem stehenbleiben und sich dabei noch dauernd in die Haare fassen! Society can’t function like this.
Genug davon. Ich höre mich schon an wieder an wie Abe Simpson. Obschon ich doch gerne noch, weil es hier so schön passt, die drei goldenen Old-School-Regeln für Fussgänger wiederholen möchte:
1. Auf einem belebten Bürgersteig geht man höchstens zu zweit nebeneinander und nach Möglichkeit nicht eingehakt oder händchenhaltend.
2. Entgegenkommenden weicht man nach rechts aus.
3. Geht man zu zweien, so läuft rechts die ranghöhere bzw. ältere Person bzw. die Dame, wenn sie in Herrenbegleitung ist.
Soweit zur Alten Schule. Natürlich ist das ein bisschen obsolet und auch ein wenig umständlich, und in den angelsächsischen Ländern, zum Beispiel, hat sich die Regel eingebürgert, dass der Herr in Damenbegleitung einfach immer an der Fahrbahnseite geht, was ja auch vernünftiger und pragmatischer ist.
– Und, apropos kulturelle Unterschiede (wie die zwischen Zürich und Basel): Im hispanischen Kulturraum bleibt man ja ganz gerne auch mal mitten im Passantenstrom oder am Kopf von Rolltreppen oder vor Fahrstuhltüren stehen, um aus überquellender Lebensfreude spontan ein kleines Schwätzchen mit drei bis zehn anderen Personen abzuhalten, von denen man vier bis sieben überhaupt nicht kennt. Ich bin ja nun ein grosser Freund der Hispanidad – ich meine, ich habe alle drei Seasons «Ugly Betty» geschaut und hätte in Ecuador beinahe Meerschweinchen gegessen –, aber diese Sitte wurde mir neulich auf Barcelonas Flughafen El Prat nahezu zum Verhängnis, weil ich aufgrund jeder Menge vor dem Gate stehender Menschen aus der Ferne vermeinte, das Boarding für meinen Flug nach Zürich habe noch gar nicht begonnen, und so in aller Ruhe noch einkaufen ging – bis ich schliesslich namentlich aufgerufen wurde. Die Passagiere sassen nämlich schon längst in der Maschine. Das vor dem Gate waren andere Menschen. Fussgänger.
39 Kommentare zu «Rechts stehen»
Ich gehöre zu der Sorte Leute, die gerne mal links die Rolltreppe blockiert. Warum? Ganz einfach, weils Spass macht!
Wenn Menschen verkerhrstechnisch ungünstige Klumpen bilden, um ein Schwätzchen abzuhalten, dann stört mich das höchstens, weil mir dasselbe gerade nicht wiederfährt. Gleiches gilt für die frisch verliebten Pärchen, die auf der Rolltreppe von links nach rechts oder umgekehrt knutschen. Lasst uns unsere letzten Unangepassheiten, wie die Ineffiezienz auf den Rolltreppen. Wenn alle immer in Reih und Glied stehen und gehen, funktioniert die Gesellschaft auch nicht.
Armes Kerlchen!
Manchmal beneide ich unsensible Zeitgenossen wie Sie um Ihre Ignoranz… doch früher oder später geraten Sie an Ihresgleichen, dann hört der Spass definitiv auf…
Herr Wild hat so recht. Und genau dasselbe gilt übrigens in den Lauben. Man kann nicht zu viert in einer Laube quatschen und dann quengeln, wenn einem jemand anrempelt… (gell Renter und Touristen)…
das mit dame rechts kommt noch aus der zeit, als die hohen herren mit säbel umgehängt mit ihren damenunterewgs waren, die meisten menschen sind rechtshänder, also baumelt der säbel links und kann bei gefahr im verzug gezogen werden, ohne das die dame die erste ist die aufgeschlitzt wird…alles klar?
In London steht oder geht man auf der Rolltreppe rechts. Ich musste es mit einem gebrochenen rechten Handgelenk lernen.
Wieso eigentlich muss jemand auf einer Rolltreppe stehen bleiben? Genauer: Wenn es schon Regeln gibt dafür, warum darf man dann überhaupt stehenbleiben auf einer Rolltreppe – ausser man ist gehbehindert oder altersschwach? Jede Rolltreppe könnte jede Personenflut schlucken, wenn alle zweispurig die Treppe hochGEHEN würden, statt still zu stehen. Ich meine, er Weg vom S-Bahnwagen zur Rolltreppe muss man ja auch gehend bewältigen.
Wozu bräuchte es dann überhaupt Rolltreppen? Wer gehen will, kann die normale Treppe benützen. Ich bin jedenfalls froh wenn ich gemütlich auf der Rolltreppe stehen bleiben kann. Das ist wie eine kleine Pause für mich