Die «Generation Z» – ein Hirngespinst?
Unlängst führte ich eine Podiumsdiskussion zur Digitalisierung mit Vertretern der Generation Z, meine Damen und Herren. Und bei dieser Gelegenheit trat zunächst die Frage auf: Was ist das überhaupt – Generation Z? Das ist nämlich irgendwie gar nicht so klar. Fest scheint nur zu stehen, dass dieses Etikett die Nachfolge-Generation der Generation Y bezeichnen soll, also eine Alterskohorte von Menschen, die von 1995 oder 1997 bis 2005 oder 2012 zur Welt gekommen sind und die vor allem die Eigenschaft verbindet, von klein auf von digitalen Technologien umgeben zu sein.
Ansonsten herrschen sehr divergierende Einschätzungen: Einige Stimmen behaupten, die Generation Z kenne bloss noch zweckgebundene Sozialkontakte, andere sagen, sie sei wieder politischer als die Vorgänger. Wieder andere konstatieren ein Z-Bedürfnis nach klarer Trennung zwischen Berufs- und Privatleben: das Gespenst von der sogenannten Work-Life-Balance sei genauso von gestern wie das Homeoffice.
Modeströmungen in der Soziologie
Daraus machen wieder andere einen Rückzug ins Private respektive die These, dass es bei Jugendlichen der Generation Z eine zeitliche Verschiebung des Reifungsprozesses im Vergleich zu früheren Generationen gebe, also Entwicklungsverzögerungen, die vor allem darauf zurückzuführen seien, dass junge Menschen, die viel Zeit mit dem Smartphone verbringen, zu wenige Erfahrungen im analogen Leben sammelten.
Und schliesslich gibt es auch noch die Stimmen, die das gesamte Phänomen «Generation Z» als die frei erfundene Nachfolge-Schimäre der Generation Y betrachten, auf den Markt gebracht von Sozialforschern bzw. Gesellschaftswissenschaftlern mit einem Gespür für Angebot und Nachfrage. Denn auch die Wissenschaften, namentlich die Geisteswissenschaften, sind nicht frei von Marktbewegungen und Moden.
Umsatzförderndes Narrativ
Augenblicklich etwa ist gerade im akademisch-feuilletonistischen Diskurs mehr Distanz zu den sogenannten Gelbwesten gefragt, und vor diesem Hintergrund erleben beispielsweise auch wieder die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre mit ihrem Ansatz der «Enrichment Economy» eine vermehrte Nachfrage nach ihrer Theorie, weil sich die Herren öffentlich von den Gelbwesten distanzieren. Im Wesentlichen geht es bei dieser Theorie des Enrichment, also der Anreicherung, um Erzählungen und Überlieferungen als ökonomische Ressource.
Der Ansatz besagt, dass Objekte mit Narrativen versehen werden, die ihren Wert erhöhen. Lapidar liesse sich der Grundgedanke wie folgt umschreiben: Häng eine Story an irgendein Ding, zum Beispiel über dessen besondere Herkunft, dann verkauft es sich besser.
Diese Theorie ist nun überhaupt nichts Neues, auch nicht die Würdigung der Geschichte als Wirkkraft des kapitalistischen Systems. Der amerikanische Kulturhistoriker Paul Fussell hat in seinem lesenswerten Buch «Class» bereits vor rund 35 Jahren dargelegt, dass die gesellschaftliche Vereinbarung dahin gehe, die Qualität und Statusaufladung (und damit auch den Preis) von Sachen damit in Verbindung zu bringen, wie alt und echt sie seien. Und «alt» und «echt» heisst ja nichts anderes als: Aufgeladen mit Geschichten.
Insofern ist selbstverständlich auch das Generationen-Etikett ein umsatzförderndes Narrativ, gut für den Verkauf von Theorien. Vielfältige Karrieren bauen darauf auf, Generationen mit Geschichten anzureichern. Und jede Geschichte hat ein Ende. Aber welcher Buchstabe bitte soll nach Generation Z kommen?
5 Kommentare zu «Die «Generation Z» – ein Hirngespinst?»
Ich empfehle „Generation AA“ als Nachfolgebezeichnung, wie bei den Spalten in Excel.
Diese Idee kam mir auch. Aber angesichts der Kindersprache sah ich davon ab.
Vor der funkmässigen Benutzung des Smartphones habe ich Respekt. Ist es gesund, das Handy immer wieder ans Ohr zu halten, nahe beim Hirn? Ist es gesund, das Handy in der Hosentasche zu tragen, nahe bei den Fortpflanzungsorganen? Ist es gesund, das Handy während des Schlafs auf dem Nachtkästchen eingeschaltet liegen zu lassen? Ist es gesund, wenn immer mehr Antennen aufgestellt werden, die eine immer grössere Leistung aufweisen, damit Games und Filme an Spielkomplexität und Auflösung gewinnen? Wie steht es damit auf lange Sicht? Der Generation Z kommen die Geschichten abhanden. Der analoge Austausch hat just oft nur noch zum Gegenstand, was alles über die Smartphones lief. Belauschen Sie mal junge Leute und deren analoge Unterhaltung.
Alles beginnt wieder von vorn. Es wird die Generation A sein. A wie anything goes.
Ein sehr interessanter Tipp sich mit Paul Fussell vertraut zu machen. Merci. They fit together Paul Fussell & Israel Gershoni. ich habe mir vorgenommen beide zu lesen.