Schuhbürstenbackenbart

Zum Geburtstag von Theodor Fontane
Tingler

Theodor Fontane (1819–1898) hatte ein Faible für originelle Wortbildungen. Gemälde von Carl Breitbach (1883). Foto: Getty Images

Fontane, meine Damen und Herren! Der grosse europäische Romancier. Der romantische Realist, der revolutionäre Konservative, der patriarchalische Frauenbefreier, der weitgereiste Heimatdichter. So konnte mans in der Presse lesen. Theodor Fontane, Balladendichter, Auslandskorrespondent, Theaterkritiker und vor allem: Romanautor, wurde vor 200 Jahren im preussischen Neuruppin geboren. Fontane selbst antwortete einst in einem Fragebogen auf die Erkundigung «Lieben Sie das Reale oder das Ideale?» mit: «Die Diagonale.»

Das Dazwischen, das Sowohl-als-auch waren Fontanes Sache, denn, in den Worten seines Helden Dubslav von Stechlin: «Unanfechtbare Wahrheiten gibt es nicht, und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig.» Thomas Mann, der in Fontane einen seiner grossen Anreger sah, nannte ihn einen «ungebundenen und auf nichts eingeschworenen Geist, der alle Dinge in seinem Leben von mindestens zwei Seiten gesehen hat». Und wie bei Thomas Mann, so ist auch bei Fontane inzwischen jede Äusserung Ansporn zur Forschung, und sei es bloss ein Huster. Ihn selbst hätte das bisweilen amüsiert und vielleicht seinerseits zu einem Kommentar veranlasst, im ironischen Grundton karger, spröder Herzlichkeit, dem Berliner Humor nicht unähnlich.

In der Tat amüsant ist Fontanes besonderes Faible für originelle Wortbildungen. Etliche davon kommen in seinem gesamten Werk überhaupt nur ein Mal vor. Das Fontane-Archiv der Universität Potsdam hat eine Liste der 500 längsten einzigartigen Nominalkomposita bei Fontane zusammengestellt. Meine fünf Lieblinge lauten:

  1. Durchschnittsheldengeschichte
  2. Menschheitsbeglückungsidee
  3. Hochfahrenheitsmiene
  4. Loyalitätsmäntelchen
  5. Nichtbildungszeichen

4 Kommentare zu «Schuhbürstenbackenbart»

  • Markus Spycher sagt:

    Vielleicht interessiert das den geneigten Leser auch: Fontane war bis zu seinem ca. 60. Lebensjahr vor allem Apotheker – er hat sich z.B. sehr für die damals aufgekommene Homöopathie interessiert und auch darüber geschrieben – und hat seine grossen Werke, z.B. ‚Effi Briest‘, erst in reifem Alter geschrieben.

  • Carmen Siegrist sagt:

    Im Mai 2019 erscheint „Der Bilderfex“ im imaginären Museum Theodor Fontanes
    von Christoph Wegmann. Herausgegeben vom Theodor-Fontane-Archiv.

    „Fontane hat in seinen Romanen an über 1500 Textstellen Bildmotive eingearbeitet: Porträts, Wappen, Orden, Ornamente, Denkmäler oder Heiligenbilder schimmern wie Wasserzeichen durch seine Texte hindurch.“

    Ich möchte es allen Interessierten zum Lesen empfehlen.
    Mit freundlichem Gruss
    Carmen Siegrist

  • Paolo Martinoni sagt:

    Theodore Fontane ist absolut grossartig. Man lese dazu Grete Minde zum Beispiel oder Effi Briest, es sind – ihres Realismus wegen – äusserst schmerzhafte Lektüren, die nur gefühllose nicht aufzuwühlen vermögen.

  • LiFe sagt:

    Ja,. Theodor Fontane war Apotheker. Köstlich seine Sprüche, wenn es um Zähne/Zahnweh ging! Wohl dem, der gut Zähne hat!

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