Nicht wirklich, oder?

Über politischen Kitsch.

Keine Steuer-, sondern Gesellschaftspolitik: Die CVP will ihre Vorstellung von Ehe in der Bundesverfassung festschreiben. Foto: Christian Beutler

Urgh. Nicht schon wieder. Also wir müssen uns jetzt nicht wirklich schon wieder mit dieser Fünfziger-Jahre-Ehedefinition der Christlichdemokratischen Volkspartei befassen, oder? Weil diese Partei, die sich einerseits gerne auf Homoparaden drängt und andererseits ebenso gern rechtskatholische Leitvorstellungen bedient, jetzt will, dass die Volksabstimmung zur sogenannten Heiratsstrafe wiederholt werde. Dies war 2016 der irreführende Titel einer von der CVP lancierten Initiative, bei der es darum ging, eine religiös fundamentierte, diskriminierende Definition der Ehe als Verbindung von Mann und Frau in die Bundesverfassung zu hieven.

So richtig peinlich

Eine solche Definition auf Verfassungsebene wäre eine prominente Peinlichkeit für einen liberalen, säkularen Staat wie die Schweiz, die sowieso schon das Schlusslicht im aufgeklärten Teil der westlichen Welt bildet, wenn es um die Gleichberechtigung homosexueller Menschen und Paare geht. Und jetzt versuchen sie es wieder, die Herren (und Damen) von der CVP. Weil der Bundesrat seinerzeit in den Abstimmungsinformationen eine falsche Zahl verwendet hat. Was ist eigentlich los in diesem Land? Gibt es noch irgendwelche vernünftigen Köpfe in der CVP, die hier mal den Mund aufmachen? Die allseits beliebte Frau Leuthard? Schweigt.

Possenspiel

Apropos vernünftig: Falls das Bundesgericht die erneute Durchführung der Abstimmung prüft, sollte es vielleicht gleich auch noch einen kritischen Blick auf die Einheit der Materie werfen: Es ist unnötig und sachfremd, die Steuerfrage mit einer Ehedefinition zu verknüpfen. Diese Definition ist politischer Kitsch, wie der Philosoph Rüdiger Safranski sagen würde, und das Ganze ein Possenspiel. Als ob um uns herum noch nicht genug passierte, was den denkenden Menschen am Fortschritt zweifeln lassen könnte, müssen wir uns jetzt schon wieder die Agenda von einer rückständigen Strömung innerhalb einer sich christlich nennenden Kleinpartei diktieren lassen? Ach ja, die Liste. Das hier ist ja eine Listenkolumne. Also:

  1. Nein.

  2. Nein.

  3. Nein.

  4. Nein.

  5. Nein.

24 Kommentare zu «Nicht wirklich, oder?»

  • Florian Keller sagt:

    Die Diskriminierung von Schwulen ist zutiefst christlich. Wir erinnern uns an den besinnlichen Bibelvers Lev 20:13: »Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie Schändliches [in anderen Übersetzungen „Gräuel“] getan, sie sollen beide mit dem Tod bestraft werden.«

    Darum seien wir doch froh, dass sich diese Partei nur christlich nennt und nicht wirklich christlich ist, denn in jenem Fall müssten u.a. auch noch „Hexen“ (Exodus 22:17), Vergewaltigungsopfer (5. Mose 22,23-24) und Atheisten (Psalm 139,19) dran glauben.

    • Edi sagt:

      Sie zitieren nur aus der hebräischen Bibel. Die alten Juden fürchteten als kleines Volk den fehlenden Nachwuchs. Jesus hat sich nicht zur Homosexualität geäussert. Erst Paulus schrieb, Unzüchtige, Lustknaben und Kinderschänder würden das Reich Gottes nicht ererben (1 Kor 6,9 f.) Aber 1. hatte Paulus nach meiner persönlichen Ansicht eine Sexualneurose (das ist ein hartes Urteil), 2. wollte sich Paulus von den griechischen Usanzen abgrenzen (Abgrenzung ist üblich bei den Religionen; das wäre etwas milder geurteilt) und 3. geht es heute weder um „Unzüchtige“, Lustknaben noch um Kinderschänder, sondern um etwas, was gar nicht im Horizont der biblischen Schriftsteller stehen konnte. Homos sind Geschöpfe Gottes und deren Liebe zueinander ist nach dessen Willen. Sag ich als Katholik.

      • Florian Keller sagt:

        Jesus sagt bei Matthäus 5:18 „Denn wahrlich, ich sage euch, bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Häkchen vom Gesetze vergehen, bis alles wird geschehen sein.“

        Mit dem „Gesetz“ sind die Barbareien aus dem AT gemeint, also u.a. die Todesstrafe für Schwule. Im Horizont der biblischen Schriftsteller konnte noch so manch anderes nicht stehen, wie z.B. Menschenrechte, Pressefreiheit, Wissenschaft, Kunst etc., weswegen man deren stümperhaftes Geschreibsel und die darauf basierende Sekte (Christentum) nicht allzu ernst nehmen sollte.

      • Edi sagt:

        @ Florian Keller. Sie zitieren eklektisch. Aber das Problem liegt an einem anderen Ort: Jesus ging davon aus, dass das Reich Gottes sehr bald kommen würde, was ihn zu vielen seiner Worte veranlasste. „Einige von Euch werden den Tod nicht schmecken …“. Aber das Reich kam noch nicht. Wurde Jesus von seinem Vater getäuscht? Ich bin noch viel kritischer gegenüber dem Neuen Testament, aber das tu ich hier nicht kund. Ich halte mich an Max Scheler, der die Mensch- mit der Gotteswerdung parallelisierte. Das Sein und Wirken der Homos gehört unbedingt zur Menschwerdung, aber nicht das Inabredestellen der Meinungsfreiheit. Ihre gesamte Argumentation hier ist inkonsequent. Und es gibt mir doch einen Stich ins Herz, wenn Sie über Christen spotten, die das Liebesgebot von den Juden übernahmen.

      • Florian Keller sagt:

        @Edi: Ach ja, sorry, habe ganz vergessen, dass es ja das Vorrecht der Christen ist, aus der „heiligen Schrift“ jeweils das rauszupicken, was ihnen gerade in den Kram passt. Meinungsfreiheit bedeutet eben, dass schlechte Meinungen, also jene ohne Argumente, kritisiert werden dürfen. Mein Tipp: Nehmen Sie Bibeln, Götter und ähnlichen Krempel nicht allzu ernst. Diese Geschichten sind frei erfunden, so wie Harry Potter oder Herr der Ringe. Auf das „Reich Gottes“ würde Jesus auch in einer Million Jahre noch warten. Man könnte auch sagen, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht (Mk 10:25), als dass sich die Vorhersagen irgendwelcher selbsternannter Propheten erfüllen.

      • werner boss sagt:

        Diese Beispiele zeigen doch nur eines deutlich; die Bibel war für die damalige Menschheit bestimmt und ist heute überholt oder gar kontraproduktiv und damit die Religionen. In der Bibel steht auch, du sollst nicht lügen, dabei lügen sich die Menschen täglich in allen Varianten an und werden nicht einmal rot dabei.

    • Eduardo sagt:

      Genauso ist es, und wie Sie nachher völlig richtig schreiben, retten sich die Christen heutzutage in die zwanghafte Relativierung der alt- wie neutestamentarischen Lehren, um nicht mit der höchst unangenehmen Natur des wahren Christentums (und natürlich auch der beiden anderen absurden Offenbarungsreligionen) konfrontiert zu werden.

      Im Grunde sind die meisten Christen von heute menschlicher, gerechter, liebevoller und intelligenter als ihr Guru Jeshua, genannt Jesus Christus.

      Hätten sie dank einer Zeitmaschine die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen, wären sie mit Sicherheit entsetzt.

      • Edi sagt:

        Werter Eduardo (falls Sie mich meinten). Zum „Absurden“: Es gibt in der Theologie den Spruch: „Credo quia absurdum est.“ Zu deutsch: „Ich glaube, weil es absurd ist.“ Oje. Im Konnex damit wird bei Tante Wiki auf Pauli Wort: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen …“ (1 Kor 1,23-25 EÜ) verwiesen. Letzeres ist Gequatsche. Zudem hängt meine Wenigkeit dem Ärgernis an. Denn kein Exegete kann den Tod Christi, des Sohnes des Omnipotenten, am Kreuz „weise“ erklären. (Das hat nichts mit der Haltung Zizeks zu tun!) Zum Glück gibt es die Badi. Und den Bachmann-Preis. 🙂

  • Kristina sagt:

    Nein.

  • Marcel Wüthrich sagt:

    Das C hat die CVP schon längst aufgegeben. Das V steht für mich im Zusammemhang mit dieser Diskussion eher für verlogen.

  • Meyer Erwin sagt:

    Keine anderen wichtigere Probleme mehr?

  • Gian Schwarz sagt:

    Sorry Herr Tingler.
    Aber ich habe den Eindruck, Ihnen gehen langsam die Themen aus.
    Immer das Gleiche (Fliegen, Style, Homoehe)
    Wohl Zeit für etwas Neues?
    Ah und übrigens. Wenn Jemand gegen Homoehe ist (aus welchen Gründen auch immer) wird er gleich beschimpft als Homophob. Ich muss in einem freien Land zum Glück nicht alles gut finden und darf gegen etwas sein. Kein Grund deshalb, Menschen, welche aus religiösen Gründen eine Idee nicht unterstützen, gleich zu verunglimpfen.

    • Florian Keller sagt:

      Es verlangt niemand von Ihnen, dass Sie irgendwas gut finden, aber die Rechte anderer müssen Sie respektieren. Und dazu muss auch das Recht gehören, dass bei mündigen Erwachsenen niemand in die Heiratspläne reinfunkt, ganz egal, welches Geschlecht sie haben. Es kann nicht angehen, dass Sie auf der Basis des gewaltverherrlichenden und menschenverachtenden Gefasels irgendwelcher Spinner, die vor 2000 Jahren durch die Wüste irrten – und nichts anderes sind Ihre „religiösen Gründe“ – anderen ihre Rechte absprechen.

      • Anh Toàn sagt:

        @Florian Keller

        Ich denke, Glauben, Religiosität sucht man sich genau so wenig aus, wie seine sexuelle Orientierung. Manchmal denke ich, es wäre alles viel einfacher, wenn ich an Gott glauben könnte.

      • Gian Schwarz sagt:

        …das meinte ich mit beschimpft werden: Wenn jemand was sagt oder hinterfragt wird er gleich als Spinner von vorgestern verurteilt.
        Etwas schwierig eine konstruktive Diskussion zu führen.

      • Florian Keller sagt:

        Ich habe Sie gar nicht beschimpft. Ich habe lediglich die Autoren der Bibel als Spinner bezeichen. Mal im Ernst, angenommen, Sie wären nicht christlich erzogen und sozialisiert worden: Was würden Sie von jemandem halten, der Ihnen von seinen Halluzinationen erzählt, in denen schwangere Jungfrauen, sprechende Dornbüsche, Menschen, die übers Wasser laufen etc. vorkommen und der dazwischen immer wieder fordert, Ehebrecher zu steinigen, Hexen zu verbrennen und Kinder an Steinen zu zerschmettern (Psalm 137,9)? Des Weiteren ist es beim von Ihnen erwähnten Hinterfragen sinnvoll, das eine oder andere Argument zu präsentieren.

      • Florian Keller sagt:

        @Toàn: Sie haben insofern Recht, als dass man sich nicht aussuchen kann, ob einen etwas überzeugt oder nicht. Darum ist mir auch klar, dass Leuten, denen von Kindesbeinen eingetrichtert wurde, dass es einen Gott gebe und die Bibel die Wahrheit erzähle, schwerfällt, sich hiervon zu verabschieden. Allerdings kann heute jeder, der es will, mit ein paar Klicks erfahren, dass die Existenz eines Gottes ebenso wahrscheinlich ist wie jene des Weihnachtsmanns, der am Nordpol lebt. Nämlich null.

      • Henry sagt:

        Dies halte ich doch für eine doch recht zynische Haltung. Eine Heirat sollte man immer, und zwar in jeder möglichen Konstellation, zu verhindern versuchen.
        Hierzu kann man sicher gerne Rat bei langjährig Verheirateten einholen. Am besten, wenn man sie einzeln trifft. Man wird ihnen ( „O, dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe….“, ja ja, ich weiß, der Frieder war ’ne alte Suffnase) ein Leben lang dankbar sein……

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