Was, bitte, ist «Grossmutter-Mode»?

In einer der letzten Stilfragen erwähnten Sie den Begriff «Grossmutter-Mode». Was um Himmels willen verstehen Sie darunter? Sie sprechen von «androgyner Bequemmode», die Frauen ab einem gewissen Alter mit Vorliebe tragen. Ich bin 72, habe Freundinnen im selben Alter, keine weiss, was mit Grossmutter-Mode gemeint ist. Dürfen wir Sie um präzise Aufklärung bitten? A. W. aus S.
Liebe Frau W., zunächst einmal muss ich hier festhalten, dass der Ausdruck «Grossmutter-Mode» eine Wortwahl der äusserst munteren Leserin C. P. aus B. war, die von sich schrieb, sie sei über 70 und könne eben mit besagter Mode so ganz und gar nichts anfangen. Ich verstand sofort, was Frau P. damit meinte: Vor meinem inneren Auge erschienen jene rüstigen Rentnerinnen, die mit Vorliebe Gesundheitsschuhe tragen und wetterfeste Windjacken und Hosen mit Gummizug. Also Mode, die sich so überhaupt nicht eignet, einen schöner zu machen. Sondern Mode, die praktisch ist.
Jetzt ist rein gar nichts gegen praktische Mode einzuwenden, im Gegenteil, unpraktische Mode ist ein Ärgernis, aber, und das ist der Punkt: Kleidung soll nie so aussehen, dass einem dazu als Erstes der Begriff «praktisch» oder «bequem» einfällt. Das sind, wenn es ums Textile geht, Synonyme für hässlich, unvorteilhaft, sackartig oder von mir aus eben: geschlechtslos.
Es geht hier nicht um Stöckelschuhe oder Bleistiftjupes, die man ab einem gewissen Alter aus orthopädischen oder ästhetischen Gründen verständlicherweise nicht mehr tragen möchte. Es geht um die Nuancen, darum, dass ein Mantel denselben Zweck erfüllt wie eine Windjacke, aber schlicht und einfach schöner ist; dass klassische Schnürschuhe genauso alltagstauglich sind wie BequemTramper, aber eben eleganter; dass eine Bluse mehr hermacht als ein formloses Baumwolloberteil.
Grossmutter-Mode ist deshalb Mode, die einen älter macht. Und irgendwie trauriger, farbloser, unsichtbarer. Ich finde deshalb, dass die einzig wahre Stilikone Englands die Queen ist: Die trägt selbst dann keine Bequemmode, wenn sie auf Schloss Balmoral ihre Corgis spazieren führt. Und wenn Sie jetzt einwenden, die sei schliesslich keine Normalsterbliche, sondern Monarchin, dann halte ich dagegen: Meine Grossmutter sah auch mit 94 noch très chic aus und trug nebst Blusen und Jupes stets Schuhe mit einem winzigen Absatz und dazu, selbstverständlich, eine entzückende, kleine Handtasche.
Im Bild oben: Kate und die Queen an einem Sportanlass für Kinder, 13. Juni 2012. (Foto: AP/Phil Noble)
14 Kommentare zu «Was, bitte, ist «Grossmutter-Mode»?»
Ich sag dem lieber Aldi-Mode… Dazu zählen auch Oberteile, die mit komischen Aufdrucken (Flower Girl oder einfach nur ein Fleck von Blümchen oder Herzchen) und Glitzer daherkommen.
Diese gehen in einer Reihe mit „Aldi-Frisuren“, wie sie meine Mutter nennt: Vornehmlich von Frauen um die 40 (gehäuft in ländlichen Gegenden) getragen, kurz geschnitten mit teils längeren, rot, pink oder wasserstoffblond gefärbten Büscheln. Aber jedem das Seine.
Liebe Frau Weber, wie recht Sie haben. Mir begegnen oft Paare, wo ich erst nach mehrmaligen diskreten Hinschauen erraten kann, wer ist der Mann und wer die Frau. Eher sackartige beige Hosen, Halbschuhe mit Klettverschluss, beige oder blaue Windjacke oder oh Graus Lumber. Kurzhaarschnitt, graue Haare, praktisch und unglaublich hässlich. Ich nenne das die Schweizer-Durchschnittsbekleidung ab 55 Jahren. Denn von Mode kann man da nicht sprechen.
hier möchte ich meine stilberaterin zitieren: je älter die frau, detso kürzer sollten die haare sein. es wirkt sehr seltsam, wenn eine 60jährige lady noch eine walle-mähne hat.
Und wieso genau wirkt das seltsam? Wenn die Haare auch im Alter schön aussehen, soll doch auch eine ältere Frau die länger tragen (sonst mal Jacky von American Apparel googeln, die sieht einfach toll aus mit ihrer grauen Wallemähne). Kommt doch auch auf die Gesichtsform darauf an. Für Ihre Stilberaterin würde ich mal nicht allzu tief in die Tasche greifen. 🙂
Das beginnt doch schon damit, dass der Übergang zur Erwachsenenmode verpasst wird. Häufig wird der Nachwuchs „erwachsener“ angezogen als die Eltern. Während der Sohn eine Schiebermütze oder Trilby trägt, begnügt sich der Papa mit einer Strickmütze …
Sonja, besser kann man es nicht mehr sagen!
Also Kathy, von der Tendenz her gebe ich Deiner Beraterin zwar Recht – aber ich würde mich hüten, grad als Beraterin solche verallgemeinernde Tipps von mir zu geben. Stil ist etwas sehr individuelles, nicht jedem steht das gleiche gleich gut. Die eine alte Dame wirkt sehr charmant mit Hochsteckfrisur, die andere mit edlem Kurzhaarschnitt. Jedem das Gleiche finde ich einen sehr schlechten Rat…
Na ja, man sieht eigentlich sofort wer die Dame ist. Die die vorne läuft und sagt wo’s lang geht. So sieht es eigentlich fast immer aus, wenn beide eine -gemeinsame- Ehe lange überleben…….
Ich möchte was zur Kleidung der Queen sagen. Zu diesen vielen Siberknöpfen der Jacke passt diese Maschenbrosche nicht wirklich. Zuviel des Guten. Ein feiner weicher Schal um den Hals wäre hier hübscher..Den Hut ohne Blume gäbe mehr her weil schlichter. Mit Verlaub Ihre Hoheit, Ihre Schwiegertochter beweist da mehr Geschmack…..Aber um auf das Thema zurückzukommen; gewisse Bequemmode in einem gewissen Alter ist grauenhaft. Vor allem wenn man mit Pinkstränen auf jung machen will.
Also du meinst die Gross-Schwiegertochter? Obwohl, die Schwiegertochter hatte es ja so ab 28 auch drauf. Die Diana. Die Fergie eher nicht.
Ehrlichgesagt moechte ich mir als einmal 70 jaehrige nicht von einer jungen Frau vorschreiben lassen, was ich zu tragen habe oder nicht. Diese Art von „Stilkritik“ empfinde ich als bevormundend und arrogant. Stellen sie sich vor, ich wuerde so oeffentlich ueber ihr Auesseres urteilen. Sie wuerden es empoert zurueckweisen.
da bin ich gleicher Meinung, wer hat mir zu sagen, was ich tragen soll. Alles nur Aeusserlichkeiten. Ich bin gerne Chic, aber mit Hund und an Regentagen auch total im Jogging Look. Wir sind endlich frei. Kein Zwingli und kein Zwängli. Hier in GR sind die Frauen gerne Chic, aber bin Mittaag oft im Bademantel. Niemals würde jemand in den sinn kommen, ein wort darüber zu verlieren. In der CH ist man zu hart mit sich und dem Nächsten.
Geschmackssache. Mir gefällt ein konservativer, langweiliger Standardwintermantel nicht unbedingt besser als eine sportliche, modische Windjacke. Und den Stil der Queen finde ich scheusslich. Und es gibt auch leider nicht wenige Füsse, die im Alter nur noch in Bequemschuhe passen – meist aus medizinischen Gründen. Und gepflegtes graues Haar finde ich bei Weitem sehr viel stilvoller als bunt gefärbtes. Und ich bin noch jung und lege sehr viel Wert auf Stil – aber auch bei mir gibt es die stillosen, praktischen Tage – es gibt manchmal einfach Wichtigeres.