Völlig normal

Heute, geschätztes Publikum, beschäftigen wir uns mit folgender Frage: «Bin ich irre?» Denn wir alle zweifeln ja dann und wann an unserer eigenen geistigen Gesundheit. Ich kann Sie beruhigen. Egal, was Ihnen irgendwelche Leute einzureden versuchen, Sie sind auf keinen Fall verrückt, wenn Sie …
... gelegentlich Posen vor dem Spiegel ausprobieren.
... nur ans Schicksal glauben, wenn’s um was Gutes geht.
... Hochzeiten nicht leiden können.
... beim Yoga in Gedanken Einkaufszettel schreiben.
... glauben, dass Sie das alles schon mal geträumt haben.
Ich möchte sogar noch weitergehen und behaupten, Sie sind auch dann noch nicht verrückt, wenn Sie …
… sich nicht vorstellen können, jemals ohne Alkohol Spass zu haben.
… sich nicht vorstellen können, jemals mit Ihrer Familie Spass zu haben.
… zu viel Geld für Anziehsachen ausgeben.
… ein Vermögen für Taxifahrten und Restaurants ausgeben.
… mit Sonnenbrille in die Migros gehen.
… in der Migros Selbstgespräche führen.
… in der Haustür nochmal kehrtmachen, um zu kontrollieren, ob der iMac wirklich ausgeschaltet ist.
… glauben, dass wir alle nur Statisten im Traume eines gigantischen Superwesens sind.
Soweit dazu.
Leicht irre ist es hingegen, wenn Sie glauben, dass Sie diese Liste schon mal geträumt haben.
Im Bild oben: Richard Gere posiert im Film «American Gigolo» (1980) vor dem Spiegel. (Foto: Paramount)
19 Kommentare zu «Völlig normal»
Eine Frage der Perspektive, das Ver-rückt – und Irresein.
„In Berlins Zoologischem Garten ist eine Affenhorde aus Abessinien eingesperrt, und vor ihr blamiert sich das Publikum täglich von neun bis sechs Uhr. Hamadryas Hamadryas L. sitzt still im Käfig und muß glauben, dass die Menschen eine kindische und etwas schwachsinnige Gesellschaft sind.“
Das ist der Anfang des Textes „Affenkäfig“ von Kurt Tucholsky