Lesen!

Fünf Verbesserungsvorschläge für den Schweizer Buchpreis.

Gibt es genügend Autoren in der Businessclass? Jonas Lüscher gewann den Schweizer Buchpreis 2017. Foto: Georgios Kefalas (Keystone)

Die schweizerische Literatur, obschon von Förderung eingehegt, kann sich heute an künstlerischer Gültigkeit zumeist nicht in die vorderste Linie stellen. Ihre Kennzeichen sind oft entweder die hermetischer Innerlichkeit oder mehr oder weniger klischeehafter Welterfassung; gerade darinnen macht sich das Problem der Abwesenheit von Geist und Ironie aufdringlich bemerkbar. Erkenntnisse wie diese, meine Damen und Herren, werden Sie im landläufigen Feuilleton allerdings regelmässig nicht lesen.

Stattdessen lasen wir in den Feuilletons von einer Diskussion um den Schweizer Buchpreis, an der das einzig Interessante war, wie schnell Buchpreisfunktionäre und Autoren, die sich für moralische Instanzen halten, auf Pausenplatzniveau absinken. Wie Kanye West und Taylor Swift, nur weniger attraktiv. Und ohne den Glamour. Oder Unterhaltungswert.

Unterhaltungswert ist jedoch ein wichtiges Kriterium literarischer Qualität. Auch diese Erkenntnis werden Sie im landläufigen Feuilleton kaum lesen. Dafür hier, bei mir. Wie immer bin ich hilfreich zur Stelle, wenn sich sonst keiner traut, und gehe sogar noch weiter: Es folgen fünf Verbesserungsvorschläge für den Schweizer Buchpreis. Nicht zuletzt mit dem Ziel, die Anteilnahme der Öffentlichkeit zu wecken und zu fördern und den trüben Strom allzu billiger Hervorbringungen einzudämmen. Los gehts:

  1. Die Jury ist um einen zufällig ausgewählten Beirat von Lesern zu ergänzen. Mit Vetorecht.

  2. Analog zur «Goldenen Himbeere» wird gleichzeitig mit dem Buchpreis die «Heulsuse des Jahres» vergeben. Für Autorinnen und Autoren, deren egomanische Mimosenhaftigkeit ans Sensationelle grenzt.

  3. Die Dotierung wird in einen Sachpreis umgewandelt: eine Weltreise in Swiss Business. Das bringt den Preisträger näher ans Leben. Es gibt zu wenig Autoren in der Businessclass. Oder, halt, nein, doch nicht.

  4. Nicht zugelassen werden Bewerber, die im Hauptberuf der Schauspielerei nachgehen. Also jenem Beruf, dem Charles Baudelaire, im Hauptberuf Schriftsteller, attestierte, dass er «oberflächlich von der Literatur Kenntnis hat und Theaterjargon spricht».

  5. Mit dem Preis wird ein Pokal überreicht, in dessen Basis die Worte des Schweizer Dichters Johann Caspar Lavater graviert sind: «Gott schütze die, die er liebt, vor sinnloser Lektüre».

13 Kommentare zu «Lesen!»

  • Daniel sagt:

    Ihre Analyse trifft ins Schwarze, lieber Herr Tingler, nur befürchte ich, Sie sind zu befangen, um die einzig richtige Konsequenz zu ziehen: Der Schweizer Buchpreis gehört ersatzlos abgeschafft. Es gibt keinen fachlichen Grund, literarische Erzeugnisse aus dem unteren Zipfel des deutschen Sprachraums gesondert auszuzeichnen, es sei denn, es handle sich um Kunsthandwerke aus dem Hoch-und Höchstalemannischen. So aber kommt der Preis einer politisch motivierte Quote gleich, welche der Qualität nur abträglich sein kann. Woher sollen die Baby Neumänner an Schweizer Gymnasien, so es sie denn gäbe, die Motivation hernehmen, sich in den literarischen Olymp aufzuschwingen, wenn sie sich bereits oben glauben? Nur ein harter Wettbewerb schafft die nötigen Anreize für jene, die es wirklich draufhaben.

  • Sebastian sagt:

    Zu 5: Gemäss den Randkritzeleien, die Cesare Lombroso (1835-1909) in Büchern, welche im Gefängnis gelesen worden waren, gefunden und aufgezeichnet hatte, wären die Insassen bereits um einen gnädigen Bibliothekar froh gewesen, der den Gefangenen nicht die elenden Schriften, sondern die schönen Bücher überlassen hätte. Letztere las der Bibliothekar in Tat und Wahrheit selber.

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