Sehen Sie richtig (aus)?

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Können Sie diese zu grossen Hipsta-Nerd-Brillen auch nicht mehr sehen, meine Damen und Herren? Diese Steve-Urkel-Gestelle zu Beanies und Skinny Jeans? Naja, für die Nerd-Brille spricht immerhin: dass sie ’ne Brille ist und sich nicht dafür schämt. Sie hat diese Bewegung hin zu den verschämt-rahmenlosen Modellen abgelöst, die heute nur noch von François Hollande getragen werden. Und auch diesen unschönen Trend zu über-designten Wrap-Around-Modellen (und die noch schlimmere Kombination beider Varianten; ich sage nur: Guido Westerwelle zirka 2010).

Die Brille ist wichtig, weil sie den Gesamteindruck des Gesichts entscheidend prägt. Ich hatte als Kind mal eine Chemie-Lehrerin, von der ich nicht mal mehr weiss, wie sie hiess – aber ich kann mich noch ausgezeichnet an ihre Brille aus der Sophia-Loren-Kollektion erinnern. Sie können mich nachts wachrütteln und ich zeichne sie Ihnen auf. Yeah I know that’s pretty gay. Apropos Sophia Loren (und gay): Die Grösse ist entscheidend. Und der häufigste Fehler bei der Brillenwahl. Am aller-häufigsten wird die Brille zu breit gewählt. Dann sitzt sie wie ein Querbalken im Gesicht; bei schmalen Gesichtern ergibt dies eine Art Schweizerkreuz. Oder es wird nicht darauf geachtet, dass die Bügel zu lang sind. Wie auf dem obigen Foto. Weil man das selbst vielleicht nicht sofort sieht. Andere Menschen sehen es aber. Wie auf dem obigen Foto. Oder aber die Brille ist zu klein. Dies wirkt, gerade in Verbindung mit stärkerer Fehlsichtigkeit, also dickeren Gläsern, sehr unvorteilhaft.

Das ist das eine. Das andere ist: eine Brille ist eine Brille ist eine Brille. Brillen sind wie Beziehungen oder der orthodoxe Marxismus: Sie vertragen keine Experimente. (Das Gleiche galt tragischerweise übrigens auch für meine alte Chemie-Lehrerin.) Auf keinen Fall vertragen Brillen das, was Leute, die das Adjektiv «frech» zur Charakterisierung von Äusserlichkeiten benutzen, als «Design» bezeichnen. Gläser-Fassungen oder Bügelgelenke oder Nasenstege, die sich betont unkonventionell geben und Materialien, Farben und Formen mischen, als gäbe es kein Morgen, sind kitschig und bieder. Es gilt der alte Merksatz: Alles, was verrückt oder lustig aussieht, ist herzlich willkommen – sofern man nicht älter ist als acht. Auch mit Label-Zurschaustellungen muss man bei Brillen (wie bei allem anderen) sehr, sehr vorsichtig sein. Der Brillenbügel ist keine Reklametafel, das Brillenglas schon gar nicht. OK, ich mache eine Ausnahme für Ray-Ban. Aber grundsätzlich gilt: Eine Brille ist eine Brille ist eine Brille ist eine Brille. Das ist die feine Linie zwischen Kid Cudi und Steve Urkel. Oh, und der einzige Mensch, der jemals mit ’ner Fensterglasbrille gut aussah, war Ryan O’Neal in «What’s Up, Doc?» Aber der sah phantastisch aus.

11 Kommentare zu «Sehen Sie richtig (aus)?»

  • Philipp Rittermann sagt:

    ich äh-arbeite in einer branche wo es hat viele intschenöre und arschitekten die es lieben sich extravagant zu geben, (bunte lustig-brillen, weiss hemden mit mausgrau-jöbli und dazu navy-boots…). jaja, das fällt auf – negativ. fehlende persönlichkeit – glauben sie mir – das komensationsbedürfnis ist riesig, wird hier gerne durch vermeintliche coolness übertüncht. blöd nur, dass wenn die dann den mund aufmachen, man das dumme gefühl kriegt, dass der uropi spricht….schade.

    • cleo sagt:

      Lieber der urchige URI Oppi Sound als das hip ringel i phönli tönli im MEGASTOR trillernden endlos schlau(f)en Nonsens Gequatsche. Konzentration auf das wesentliche des Lebens ist doch Glücksache im Klima schonenden globalen gefühlsvollen Ferien Jet Fieber.

  • diva sagt:

    einmal mehr sehr scharf und treffend formuliert…

  • Asiul sagt:

    und was ist mit gregory peck/atticus finch in „wer die nachtigall stört“, hm? der sah noch viel, viel besser aus! was war vielleicht mal eine augenweide!

  • Karl Knapp sagt:

    Man könnte ja auch mal grundsätzlich in Frage stellen, dass man immer alles sehen muss; Optiker korrigieren alles auf eine Vierteldioptrie genau auf „Normal“ (bei manchen Menschen würde man lieber anderswo korrigieren), jedenfalls, der Verzicht auf diese Normalität würde ziemlich viele Brillen überhaupt obsolet machen. Ich kann beispielsweise problemlos damit leben, dass ich die Inhaltsangaben auf den Raviolidosen nicht mehr lesen kann.

    • Basil sagt:

      Der Verzehr von Raviolidosen bzw. deren Inhalte lässt es auch obsolet erscheinen zu wissen, ob es überhaupt eine Raviolidose war oder man sich doch versehentlich in der Tiernahrungsabteilung beim abendlichen Einkauf befand. Aber trotzdem : Ich hatte unlängst das Vergnügen mit einer kurzsichtigen Dame. Das Ablegen ihrer Brille hatte für sie den Vorteil der ungenauen Wirklichkeit und für mich den Anblick ihres schönen Antlitzes.

  • Brillenschlange sagt:

    Ich gehe davon aus, dass Sie mit „zu kleiner Brille in Verbindung mit stärkerer Fehlsichtigkeit“ die Breite der Brille und nicht die Grösse der Gläser meinen. Eine starke Korrektur und gosse Gläser harmonieren aufgrund der physikalischen Gesetze (leider) nicht wirklich. Es wird bei Frontalansicht ein beträchtlicher Teil des Hintergrunds mit ins Gesicht des Trägers „geschnitten“.

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