Nicht in der Öffentlichkeit

Was sich liebt, das … : Zärtlichkeiten und Streitigkeiten sollten privat bleiben. (Foto: Getty Images)
Nicht nur im Sommer, meine Damen und Herren, wenn man öfter vor der Tür ist, stellt sich die Frage: Was sollte man eigentlich nicht in der Öffentlichkeit tun? Was gehört sich, was gehört sich nicht? Grundsätzlich geht es bei Manieren ja darum, die Zumutungen für seine Mitgeschöpfe auf ein Minimum zu reduzieren. Also wird es nie manierlich sein, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln Thrash Metal (oder das Oberland Sextett) ohne Kopfhörer zu konsumieren oder geruchsintensive, fettig-tropfende Speisen zu verzehren. Ansonsten ändert sich auch die Etikette für den öffentlichen Raum: Früher etwa durfte man in der Öffentlichkeit zwar keine Knie, aber Bescheidenheit und Freundlichkeit zeigen. Verboten waren dafür unter anderem: Vulgarität, Ehrgeiz, Sentimentalität. Heute hat sich Manches ein wenig geändert. Werfen wir einen genaueren Blick auf die wichtigsten Punkte:
Nach dem letzten Stand der Dinge ist es für Damen zulässig, ihr Make-up in öffentlichen Verkehrsmitteln zu erledigen. Das Haarekämmen oder gar Nägelschneiden bleibt selbstverständlich für jedwedes Geschlecht verboten. Traditionell wird über den öffentlichen Austausch von Zärtlichkeiten (fachsprachlich: Public Display of Affection, kurz: PDA) die Nase gerümpft. Aber es gibt wesentlich Schlimmeres als ein bisschen Händchenhalten. Vor allem das Gegenteil: Paare, die ihre Beziehungsprobleme in der Öffentlichkeit austragen (fachsprachlich: Public Display of Meanness, kurz: PDM). Das war höchstens bei den Taylor-Burtons glamourös. Und auch da nicht immer. Bleibt in der Öffentlichkeit verpönt. Bloss der Katalog von Rauschmitteln ändert sich. In Beverly Hills wird inzwischen die Zigarette dazu gerechnet, in Zürich nicht. NB: (Stark) angetrunkenes Auftreten in der Öffentlichkeit war ebenfalls höchstens bei den Taylor-Burtons glamourös. Und auch da nicht immer. Es bleibt bei dem Grundsatz, den das englische Gesellschaftsmagazin «Tatler» dazu formulierte: Gott sollte nur im Privaten diskutiert werden. Sind nicht mehr tabu. Bloss für Herren in Ausübung ihres Berufs, sofern sie keine Paketboten sind. Und für Damen ungefähr ab dem Alter von Brigitte Macron.
23 Kommentare zu «Nicht in der Öffentlichkeit»
Wegen der entblössten Knie schaue ich keine Fussballspiele.
Tingler ist der bessere Zwingli.
Das schätze ich an unseren südlichen Nachbaren so. Dort darf auch mal in der Öffentlichkeit gestritten werden mit anschliessender Versöhnung und Zärtlichkeiten. Kurz, es menschelt und ich fühl mich gleich weniger einsam. Ist mir persönlich viel lieber, wie wenn sich alle wie die Sittenpolizei aufführen und sich gegenseitig überwachen und kontrollieren.
Wer sich im ÖV kämmt, schminkt oder die Fingernägel lackiert, erhält von mir laut und deutlich die Frage „ob das Badezimmer renoviert wird, dass die Toilette im ÖV vollbracht wird“. Die nächste Frage lautet dann, „wann waschen Sie sich im ÖV den Hintern“.
Das Reisen lehrt Toleranz.
6.
Warum hats hier soviele Kommentare Herr Doktor ?