Das Ende der Seifenoper

Vom Kassenschlager zum Ladenhüter: Trump-Figur im Souvenirshop des Weissen Hauses. (Foto: David Paul Morris/Getty Images)
Ich blättere also neulich durch die britische «Times», meine Damen und Herren, wohlgemerkt «The Times», und was finde ich? Einen Hinweis auf Donalds Trumps Vagina-Kehle. Und falls Sie nun kurz innehalten und sich fragen, was das sein soll, geht es Ihnen wie mir. Dann machen Sies am besten wie ich und unternehmen eine Bildersuche bei Google zum Stichwort «Trump vagina neck». Sie werden sehen, was gemeint ist. Ob Sie es dann auch wieder ungesehen machen können, ist weniger wahrscheinlich. Das Phänomen hat, selbstverständlich, auch bereits seinen eigenen Hashtag: #neckfanny
Nun kommen solche Halsformationen freilich auch bei anderen älteren Herren (und Damen) vor, sodass auch diese neueste Trump-Attribution (wieder einmal) leicht obsessive Züge trägt. Je realer und ernster Trumps Inkompetenzen sich zeigen, desto grösser die Neigung, ihn zu ridikülisieren. Man flüchtet sich vor Trump – in Trump. Diese Auffassung vertrat auch ein Kommentar unlängst in der «New York Times», in dem der Autor David Brooks feststellt, dass die zwanghafte Beschäftigung mit Trumps lächerlichen und pathetischen Seiten durchaus Merkmale einer Sucht trägt. Oder, wie Brooks es ausdrückt: «Für einige von uns ist Trump-Bashing zum Crystal Meth der gebildeten Klassen geworden. Wir ziehen unendliche Befriedigung aus dem Gefühl der moralischen Überlegenheit, das damit einhergeht.» Darauf paraphrasiert Brooks den in den USA sehr bekannten Journalisten Leon Wieseltier: «Soziale Bestätigung ist der Sex des 21. Jahrhunderts». Und konstatiert: «Es gibt nichts mehr, was man über Trumps Mischung aus Ignoranz, Unsicherheit und Narzissmus noch lernen könnte. Jeder Moment der Aufmerksamkeit, den man an sein Getöse vergibt, ist viel mehr herabwürdigend denn informativ.»
Der Anschein einer Farce
Das stimmt. Die Obsession mit Trump als Seifenoper verstellt den Blick auf Trump als moralisches Phänomen. Genauer: als Phänomen des moralischen Bruchs. Trump verkörpert diesen Bruch, eine moralische Diskontinuität, eine Abwendung von alten angelsächsischen Idealen des Pragmatismus und der Ritterlichkeit. Moralisch gesehen versinnbildlicht der Auftritt Trumps als eine Art Kulminationsmoment folgende Frage: Wollen die Vereinigten Staaten von Amerika sich auch in Zukunft als universelle Nation mit der moralischen Mission verstehen, Freiheit und Demokratie in der Welt zu verbreiten, oder wollen sie dies nicht?
Das ist eine ernste und wichtige Frage, wahrscheinlich eine der grössten Fragen des 21. Jahrhunderts; eine Frage, die sich nicht auf eine Posse von grotesker Komik reduzieren lässt, auch wenn der Anschein dessen, was im Weissen Haus gerade läuft, genau dieser ist: der Anschein einer Farce. Wir aber müssen uns Trump als Seifenoper endlich aus dem Kopf schlagen. Und vielleicht ist es vor diesem Hintergrund zu begrüssen, dass sich, wie ebenfalls in der «New York Times» zu lesen stand, lustige Trump-Souvenirs in Washington nur schlecht verkaufen. Das ist vielleicht ein Anfang vom Ende der Seifenoper. Was die First Lady angehe, berichtet die «New York Times», sei am erfolgreichsten ein T-Shirt. Aufdruck: «Free Melania».
13 Kommentare zu «Das Ende der Seifenoper»
Das ist nicht das Ende der Seifenoper, es hat ja gerade erst angefangen und der Trend zur Trivialisierung und Emotionalisierung komplexer Zusammenhänge ist ungebrochen. Es geht doch nicht um moralische Überlegenheit von irgendwem. Es geht darum, dass die Führungsmacht der freien Welt glaubt, es sich leisten zu können, zweit- oder drittklassiges Personal für die obersten Funktionen im Staat einzusetzen. China, Russland und andere freuen sich. Und dass dieses zweit- und drittklassige Personal sich aufspielt, als ob sie die Weisheit mit der ganz grossen Suppenkelle gegessen hätten. In was für einem Zustand sind dieses Land und diese Gesellschaft? Die Bevorzugung von Emotionen gegenüber nüchterner Analyse und sachlicher, Diskussion von komplexen Themen trägt offensichtlich „Früchte“.
Obama hat mit seinem „Personal“ in acht Jahren nichts erreicht, ausser die Anzahl der Kriegsflüchtlinge weltweit zu VERFÜNFFACHEN!!
China hat Obama bloss gestellt. Folge: selbst die Philippinen wenden sich heute Richtung China und von den USA ab.
Russland hat Obama (und sein Personal) regelmässig vorgeführt, wie einen Tanzbären.
Libyen hat Obama mit seinem Eingreifen zerstört. Ebenso Syrien, mit seinem zögerlichen Eingreifen. Afghanistan und den Irak hat er im Stich gelassen. Um Jemen nicht gekümmert, genauso wenig wie um den Südsudan oder Somalia.
Obama „und sein Personal“ gehen aussenpolitisch als die totalen Versager in die us-amerikanische Geschichte ein.
Vielleicht kommt Trump mit seiner Art in Nordkorea, Afghanistan, Syrien weiter. Die Chance besteht durchaus.
@Peter Dietiker: Ihre Feststellung “ es sich leisten zu können, zweit- oder drittklassiges Personal für die obersten Funktionen im Staat einzusetzen“ trifft den Kern des Problems. Die meisten Trump-basher haben es nur nocht nicht gemerkt und outen sich so auch als zweit- oder drittklassig. Trump wurde gewählt weil die Amerikaner genug hatten von Leuten, die mit politisch korrekte Worthülsen Probleme angehen. Trump wurde aus Misstrauen gegenüber der Politischen Klasse gewählt, die den Machterhalt unter Seinesgleichen mit Politikzielen verwechselt.
Dass Aussenseiter für die Wähler glaubwürdiger sind ist keine kurzfistige Seifenoper sondern eine schon länger andauernde Grundstimmung und erklärt einige (fast) Wahlerfolge:
Berlusconi
Pepep Grillo
Macron
Podemos
Wer ist „die Führungsmacht“, wer verkörpert sie? Da ist keine Versammlung der Kardinäle, kein Politbüro. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben ein Auswahlverfahren, das wird seit 200 Jahren angewendet. Das ist durchgeführt worden, das Resultat ist Donald Trump.
Ja, wäre toll, wenn dies für einige Zeit der letzte Artikel über Trump gewesen wäre! Tagi et al könnten ja mit gutem Beispiel vorangehen..
Ja, kommentiere auch bei FAZ, habe mehrfach geschrieben: Ich hätte gerne ein Titelbild mit etwas Schönem, mit dem Reiz des Verbotenen, bezaubernd wie Mata Hari.
Einen Dieselmotor des Porsche Cayenne!
Seit Jahren lese ich Zeitungsartikel zum Nahost-Konflikt nicht mehr. Ebenso verfahre ich seit Kürzerem mit den Artikeln über Donald Trump und seine Entourage – den vorliegenden Beitrag natürlich ausgenommen. Meine Indifferenz ist an sich eine mindere Haltung; aber die betreffenden Themenkreise wurden mir einfach zu blöd und zu nervig.
Aus profaner Sicht ist es staunenswert, dass die Erwartungshaltung an den amerikanischen Aktienmärkten auf hohem Niveau verharrt und zudem die Kurse auch nur wenig schwanken, als würden die Märkte noch auf Trump vertrauen. Vielleicht gibt es im Herbst mal ein Donnergrollen: Der Monat Oktober würde sich anbieten.
Trumps Verhalten ist irrational, möglicherweise aber auch berechnend irrational. Wer weiss das schon? Missbrauch des Irrationalen wäre fatal.
Ja, es geht um Moral. Doch um welche? Moral in der Familie/Sippe funktioniert ganz anders als Moral gegen Aussen, gegenüber Dritten, gegenüber Fremden. Ich nenne diese Art von Moral Ethik. Die Ethik ist stets ausgleichend, gerecht und fair. Die Moral dagegen dient dem Schutz von Familie und Sippe. Nationen und Religionen spannen diese Art von Moral gerne vor ihren Karren, um Kriege zu führen und Islamisten zu finden.
Trump vertritt die Moral für Familien/Sippen, während Obama die Moral (die Ethik) gegenüber allen Menschen vertrat. Welche Moral derzeit besser ankommt, hat man in den Wahlen gesehen. Nach 8 Jahren Ethik à la Obama haben sich 48% der Wähler und die Mehrheit in 60% der Gliedstaaten der USA nach der Moral im Kleinen gesehnt, lehnten die Ethik ab. Damit müssen wir leben.
Reagan und Bush jun. sind m.E. ungerechtfertigterweise derart unter die Räder geraten. Reagan habe ich erlebt und wahrgenommen. Aber inzwischen haben sich die Meinungen insbesondere gegenüber Reagan grossmehrheitlich gewandelt. Und jetzt bei Trump? Trump ist anders, ganz anders als eben Reagan und Bush; natürlich, aber er ist gewählt. Gewählt! Deshalb hätten die Medien eine besondere Aufgabe, die sie sorgfältig erfüllen sollten. Sorgfältig!