Dicke Haube, dicke Hose?

Nicht mehr das Auto macht den Status der Männer aus, sondern ihr Mobilitätsverhalten.

In einer Welt, in der Individualität zu einem Glücksversprechen geworden ist, mit dem sich Waren aufladen und verkaufen lassen, ist das Auto ein wichtiger Symbolträger. Denn eine Identität ist schliesslich keine Identität, wenn sie nicht mit anderen geteilt und zumindest partiell von anderen bestätigt wird. Deshalb braucht der Mensch zur Ichdarstellung Dinge mit symbolischem Wert.

Hier besitzt das Auto als Ding nicht nur einen physischen, sondern auch einen virtuellen Körper, also eine symbolische Präsenz. Der spätmoderne Mensch kann für seine Rollenkonstruktion zurückgreifen auf eine breite Palette an symbolischen Repräsentationen des Automobils. Früher sprach man von Fahrerklischees. Sie wissen schon: dicke Hose, dicke Haube. Jetzt mal so vereinfachend.

Das Ende der Imponierkarosserie

Das war einmal. Und in Zukunft? Wird dem Fahrer die Steuerung dieser symbolischen Präsenz buchstäblich abgenommen. In nicht allzu ferner Zukunft wird nämlich Ihr Ferrari nicht nur für jedes Kätzchen bremsen und ganz leise autonom anfahren, meine Damen und Herren, sondern auch noch – während Sie bei Goldman Sachs im Virtual Trading Room schuften – autonom Ihre Schwiegermutter abholen und zum Bridge fahren.


Ein eigenes Auto ist bald nicht mehr «The one thing I need»: Proto-Mann James Bond in «Spectre» (Youtube)

Dazu kommt, dass neue Technologien in der Tat nicht nur neue Sichtweisen, sondern auch neue Formen der Gestaltung erlauben. Etwa weil die üblichen Motoren wegfallen. Klassische Imponierkarosserieformen, die zum Beispiel mit langer Haube oder breitem Kühler auf Imposanz angelegt sind, können dann nicht einmal mehr theoretisch ingenieurstechnisch gerechtfertigt werden.

Die Form folgt der Funktion eben nur bedingt beim Auto; die Form folgt vielmehr dem Stand der Technik. Die Elektromobilität beispielsweise macht mit Batterie und kleinerem Motor ganz neue Spielräume möglich, unter anderem, weil man kein Schaltgetriebe braucht.

Besitz wird zum Luxus

Das hat natürlich Folgen für das Verhältnis des Fahrers zu seinem Wagen, das man wiederum kulturanthropologisch als eine identitätsstiftende Objektbeziehung auffassen würde. Dazu ändern obendrein neue Mobilitätsmodelle die Bindung zwischen Fahrer und Auto, Auto und Eigentümer, wenn, gerade in urbanen Ballungsräumen, das Auto von mobilen Millennials weniger als Statussymbol und Persönlichkeitsprothese gesehen wird denn schlicht als Fortbewegungsmittel. Und zwar als eine Mobilitätsoption in einem ganzen Portfolio von Möglichkeiten, von neuen Mobilitäts- und Geschäftsmodellen, zu denen Konzepte wie Car Sharing oder Pooling gehören.

Durchschnittlich steht ein Wagen heute so ungefähr 22 Stunden am Tag in der Garage (oder am Strassenrand) – ein selbstfahrendes Auto dagegen kann ständig unterwegs sein. Das heisst: Parkraum wird vermehrt verfügbar.

Was dagegen zu einem immer grösseren Luxus aufsteigen wird, ist der Alleinbesitz eines Fahrzeugs. Mit all seinen Implikationen der Identifikation und Repräsentation. Der Fahrer richtet sein Distinktionsbedürfnis nicht mehr auf den Wagen, sondern auf sein Mobilitätsverhalten: nachhaltig, ressourcenschonend, sozialverträglich.

15 Kommentare zu «Dicke Haube, dicke Hose?»

  • Martin sagt:

    Lustig! Wieder so eine Prognose, die nicht eintreffen wird! Die Zukunft gehört nicht dem Elektroauto. Wie auch? Keine AKW’s mehr dafür Elektroautos; der Strom dafür kommt wohl aus der Steckdose? Elektroautos sind auf Stromnetze angewiesen; toll, wenn man in der Wüste, dem Nordpol oder sonst wo in der Pampa ist. Die Zukunft wird wohl dem Wasserdampfmotor gehören. Autonome Autos sind Quatsch. Breite Motorhauben usw. sind eben Design. Es geht um das Brachiale, was vermittelt wird. Autos sind längst nicht nur auf Funktionalität ausgelegt, sondern Design ist auch wichtig. Es wird immer Autos mit grossen Motorhauben geben, dicke SUV’s usw. Wieso? Weil die Männerwelt da so will, deswegen.

    • Vera Kehrli sagt:

      Autos mit Verbrennungsmotoren vergiften unsere Kinder. Darum habe ich schon die Hoffnung, dass sich die Elektromotoren durchsetzen werden.

      Ausserdem: Strom gibt es eher zu viel als zu wenig, das sieht man an den Preisen.

  • W. Hauser sagt:

    Die Angeber werden aussortiert und nur noch die wirklichen Freaks, die
    keine Zuschauer brauchen, leben mit ihrem Hobby weiter.

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