Sind Sie ein angenehmer Mensch?

Oder: Wie Sie es werden können. Ist gar nicht so schwierig.

Sieht eher nach einem Morgenmuffel aus: Gehören Sie auch zu der Sorte? Foto: iStock

«Lumen naturale» nennt man das natürliche Licht der Vernunft, meine Damen und Herren; das menschlich-endliche Erkenntnisvermögen. Und was erkennen wir mit diesen begrenzten Mitteln? Zum Beispiel: Es geht nicht wirklich darum, superhübsch zu sein. Schwer zu fassen, ich weiss. Es geht auch nicht wirklich darum, wahnsinnig cool zu sein. Sondern: angenehm. Das ist die wichtigste Qualität, finden Sie nicht? Was aber macht Sie zu einer angenehmen Person? Hier sind schon mal so ungefähr fünf Indikatoren. Alles Weitere folgt dann von selbst.

  1. Sie haben wenigstens für eine halbe Stunde täglich Kontakt mit realen Personen in der realen Welt. Idealerweise mehr.

  2. Sie besitzen ein paar Bücher. Aus Papier. Nicht Harry Potter. Fernerhin besitzen Sie einen Führerschein. Und nichts von Abercrombie & Fitch.

  3. Sie benutzen keine Akronyme, um Ihre Gefühle auszudrücken, noch nicht mal ironisch, tragen keine Wasserflasche mit sich herum, nicht mal ironisch, und wissen, dass Ihr Innenleben für die Aussenwelt nicht annähernd so interessant ist wie für Sie selbst.

  4. Sie halten Ihre Ernährungsweise nicht für eine Philosophie. Sie halten die Rechtfertigung privater Lebensstilentscheidungen nicht für ein politisches Statement. Sie wissen, was folgende Worte bedeuten, bevor Sie sie benutzen: Kapitalismus, Populismus, Rassismus, Freiheit, Toleranz.

  5. Sie betreiben alles mit Mass. Auch das Masshalten. So wie Nigella Lawson. Eine durch und durch angenehme Person.

18 Kommentare zu «Sind Sie ein angenehmer Mensch?»

  • Therese von Däniken sagt:

    Endlich habe ich es schriftlich! Ich bin nicht langweilig, sondern angenehm.

  • F.H. sagt:

    Angenehme Personen haben keinen Führerschein, verpesten also nicht meine Atemluft, und haben eine Wasserflasche bei sich. Trinken also kein aus weiter Entfernung hergekarrtes – ach so tolles – Wasser.

  • Dodimi sagt:

    Ja, Herr Tingler, wenn’s denn so einfach wäre. Doch vielen Menschen ist es egal wie sie rüberkommen, wenn nur wenigstens prioritär. Ich wohne im Süden.
    „fare bella figura“… einen guten Eindruck schinden. Ja ich muss leider das Wort „schinden“ gebrauchen… denn so was von Oberflächlich. Wirkt nicht angenehm.
    Natürlich sind nicht alle unisono so – aber doch beträchtlich. Und, dann werde ich manchmal „grantig“, somit unangenehm. Soll ich einsteigen in die Heuchelei oder doch mich selbst bleiben… von Fall zu Fall? Immer angenehm sein geht oft in der Praxis nicht. Höflichkeit wird in der Realität manchmal, von Zeit zu Zeit, hie und da, missverstanden und als Schwäche ausgelegt. Das kann das Gegenüber dazu animieren noch unangenehmer zu werden.Und dann muss ich unangenehm werden.

  • Niklas Meier sagt:

    Angenehme Menschen sind langweilig und charakterlos.
    Einige Punkte die Sie erwähnen sind durchaus sinnvoll und erstrebenswert, aber bitte nicht in der Kombination mit „angenehm sein“.

    • Martin sagt:

      @Niklas Meier: Eben nicht unbedingt. Angenehme Menschen rennen keinen Trends hinterher und können sich wirklich Gedanken zu Themen machen und sind somit keine geistige Mainstreamware. Leute mit Charakter können ihre Meinung vertreten und brauchen keine Trends oder Szenen.

  • Peter sagt:

    Herr Tingler, Sie sagen: „Sie halten die Rechtfertigung privater Lebensstilentscheidungen nicht für ein politisches Statement.“ Ihre Kolumne liest sich oft wie die ultimative Antwort auf Fragen des Lebens welche keine andere Deutung zulässt. Was gilt denn nun?

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