Kaufen und dabei Gutes tun

Tugendsignale als neue Form des Geltungskonsums
Blog Mag

Allerlei Etiketten verraten uns, bei welchem Kauf wir kein schlechtes Gewissen haben müssen. Montage: Nathalie Blaser

Wissen Sie, was das Neueste auf dem Markt ist, meine Damen und Herren? Virtue Signalling. Also: das Aussenden von Tugendsignalen als neue Form des Geltungskonsums. Vegan, fair, organisch – diese drei Zuschreibungen las ich neulich auf einem Duschgel. Tugendhafter kann man sich nicht reinwaschen. Da wird der Preis zum «Energieausgleich».

Wobei, halt mal, so neu ist das gar nicht; auch der klassische Geltungskonsum, dem es vor allem um die soziale Distinktion geht, befasst sich seit jeher auch mit der Darstellung von Tugenden. Die Tugenden ändern sich bloss. Tugenden sind ja nicht apriorisch, sondern bedingt, zudem müssen sie erst hervorgebracht werden, indem man sie übt. Nach Auffassung der Stoiker bietet das Schicksal gar den Tugenden Gelegenheit, heranzureifen und sich zu beweisen. Das Schicksal stärkt also die Moral. Und zu einer Zeit, da Erwerbsstreben als Tugend galt, war es nicht unbedingt anstössig, die Früchte seines erfolgreichen Strebens durch ausgestellten Reichtum zu signalisieren.

Heute wird demgegenüber die tugendhafte Denkungsart angezeigt durch «bio» und «öko» und «Wir akzeptieren Frauenkörper so, wie sie sind». Apropos Körper: Es lohnt sich auch bei «bio» und «öko», gelegentlich die Kalorien zu studieren. Da geht die Tugend nämlich manchmal den Bach runter.

5 Kommentare zu «Kaufen und dabei Gutes tun»

  • Marie-Françoise Eigner sagt:

    Monsieur Tingler
    Wir Veganer sind froh um jedes Produkt, dass als vegan bezeichnet ist.
    Wir suhlen uns keineswegs in Tugendhaftigkeit und Bessermenschgetue. Wir kämpfen nur unermüdlich und mit Vehemenz gegen das unermessliche Tierleid, welches die Spezie Mensch aus Profitgier und Machtgehabe anrichtet. Und ich füge an: aus Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit. Denn davon nichts zu wissen, kann heute keiner mehr behaupten. Das wir dabei oft belächelt werden spricht weder für die Intelligenz noch Ethik unseres Gegenübers.
    Aber wir Tierrechtsaktivisten lassen uns nicht entmutigen. Bis dass jeder Käfig leer ist!!
    Marie-Françoise Eigner, Zürich

  • Meinrad sagt:

    In der stoischen Philosophie befreit die Tugend den Menschen von seinen Leidenschaften, Begierden nach äusseren Gütern und Abhängigkeiten von Unwichtigem (HGANT, 4. Aufl. 2015). Offenbar gehören „bio“ und „ökö“ heute zu den wichtigen Gütern, mit denen sich der Verbraucher in seiner Tugendhaftigkeit üben kann, nachdem ihm der Verkäufer die Produkte mit viel Marketing zu überhöhten Preisen schmackhaft machen konnte. Die kleinen Margen der Grossverteiler können aufrecht erhalten werden. Als Grossgenossenschaften sind sie in der Lage, das Kapital, das de facto niemandem gehört, zu mehren und zu petrifizieren, weil nie Gewinn ausgeschüttet wird (vgl. Peter Forstmoser, Grossgenossenschaften, Diss. 1970). Also wenn schon „bio“, dann im kleinen Bio-Laden mit lokalem Angebot.

  • werner boss sagt:

    Aha, nun verstehe ich Alter endlich auch warum Anstand bei den Jungen so schwer zu finden ist! Offenbar ist der“ Äpp“ für die die Phons im Moment so teuer, dass es sich die generell armen Jungen gar nicht leisten können,sich über ihre Selbstgefälligkeitsmonitore in der beschwerlichen Disziplin des Anstandes zu üben!

  • Henry sagt:

    Vegetarisch und vegan ? Es gab bei uns in Deutschland weiland einen Kanzler, der war Vegetarier (ok, vergessen Sie die Markklößchensuppe, die er gerne aß) und von dessen Partei stammt auch das Tierschutz-Gesetz, welches bis heute noch nahezu vollständig gültig ist. Ich werde mich keinesfalls mit diesem Herrn und seiner Gesinnung gemein machen, in dem ich auf eine köstliche Gänsestopfleber verzichte. Jetzt muss ich aber schnell
    zum Markt, sonst sind die Froschschenkel schon wieder ausverkauft.

    • Henry sagt:

      Marie-Françoise, Du Gute, die ganzen leckeren Tierchen pflanzen sich, Gott sei Dank-oder warum auch immer, fort. Solange die Käfigtüre zu bleibt, ist für Nachschub gut gesorgt. Und die Gans, die mir Ihre Stopfleber spendet, lebte vegan, ich kann mir ein wundervolles Etikett, welches dies in den grünsten Farben ostentativ glorifiziert, auf dem verwertbaren Teil des Tieres gut vorstellen.

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