Fünf Gründe, Weihnachten zu lieben

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Tannenduft und Kerzenglanz erfüllen die Räume, und wo man geht und steht, atmet man mit dem Geruch von Zimt und Äpfeln das Aroma des Festes ein. Und falls man Zimt und Äpfel schon nicht mehr riechen kann und sich fragt: «Wozu?», – kommt hier für Sie, meine Damen und Herren, bevor das silberne Glöckchen läutet, vor dem Auspacken, Danksagen, Umtauschen, Aufräumen und dem Ausverkauf, ein kleiner Moment des Innehaltens. In dem wir uns fragen: Warum lieben wir Weihnachten? Eigentlich? Hier sind fünf Gründe:

  1. die Weihnachtskarten

    Wenn auch das Fest der Liebe in unseren materialistischen Zeiten möglicherweise nicht mehr allzu viel bedeutet, zumindest bedeutet es doch, einmal im Jahr in Kontakt zu treten auch mit Menschen, die einem etwas fernerstehen. Wohl beinahe jeder von uns hat diese Bekanntschaften, von denen man das ganze Jahr nichts hört (weil sie vielleicht als Entertainerin auf der Showbühne eines Kreuzfahrtschiffes tätig sind oder als Truppenbetreuer in Westafrika), aber man weiss, man bekommt eine Weihnachtskarte. Das ist doch wunderbar.

  2. die Familie

    Auf begrenztem Raume kommen einige Leute zusammen, die die Schwächen der anderen kennen. Nicht umsonst ist dies das Szenario vieler Katastrophenfilme. Man muss also Sicherheitsmassregeln beachten. Und dann wird’s schön. Die erste, einfachste und wichtigste Regel lautet: Verzichten Sie auf alkoholfreien Punsch. Der Verzicht auf Alkohol ist immer ein Fehler. Die Gefahr, dass Sie Tabuthemen berühren oder mit Tante Doris abrechnen, ist in nüchternem Zustand ungleich höher. Erinnern Sie sich lieber an die alte Maxime: Alles ist süss nach vier Martinis. Oder nach sieben. Kinder müssen mit anderen Drogen ruhig gestellt werden, zum Beispiel durchs Fernsehen oder durch Ritalin.

  3. die Freunde

    Weihnachten mit Freunden zu feiern ist ebenfalls zauberhaft. Insbesondere, wenn es sich um unterschiedlich gute Freunde handelt, könnte es allerdings zu einem Phänomen kommen, was die Psychologen «Rollenstress» nennen. Doch auch hier gibt es eine einfache Prophylaxe: Veranstalten Sie keine Gesellschaftsspiele. Denn Sie wissen nicht, ob einer Ihrer Gäste vielleicht ein schlechter Verlierer ist. Oder ein schlechter Gewinner. Frieden und Besinnlichkeit werden zerstört, wenn Regula nach einer Partie Baccara auf Ihrem Biedermeier-Mobiliar herumspringt und schreit: Ge-won-nen! Ge-won-nen!

  4. die Liebe

    Ahh, die Liebe. Liebe ist alles, was zählt. Sie kennen ja meine altmodische Auffassung, meine Damen und Herren, dass durch die Liebe der Mensch erst komplett werde. Und Weihnachten ist eine ganz wundervolle Gelegenheit, sich das bewusst zu machen. Oder, in den Worten von Margo Channing (die Sie bitte selbst in die heutige, politisch korrekte, postfeministische, genderneutrale Diktion übersetzen möchten, sofern Sie das brauchen): «And in the last analysis, nothing’s any good unless you can look up just before dinner or turn around in bed, and there he is. Without that, you’re not a woman. You’re something with a French provincial office or a book full of clippings, but you’re not a woman. Slow curtain, the end.»

  5. der Frieden

    Und damit meine ich nicht zuletzt: den Frieden danach. Danach, wenn wir im leeren Weihnachtszimmer wie auf einer halbdunklen Bühne nach Schluss der Vorstellung herumstreifen, zurückgelassen zwischen Bergen von Schleifen und Lametta und Styroporfischlein, und gedankenverloren auf einem Bogen Knallpapier herumdrücken. Der letzte Teller ist abgeräumt; der letzte Familienstreit verraucht, Rührung und Andacht sind auch verraucht, und es ist hochwahrscheinlich, dass zweihundert Kerzen übrig sind, weil wir wie jedes Jahr zu viel gekauft haben. Es ist Weihnachten! Und die Adventszeit hat ihr Ende, und alles kulminiert im Heiligen Abend, auf den die Weihnachtsfeiertage, Silvester und Neujahr und Heiligdreikönig folgen. Und erst dann wird abgebaut und aus einem wahren Glücksrausch ins alltägliche Leben zurückgekehrt. Und das ist auch gut so. So gut wie ein Stück trockenes Brot nach einer Orgie von Süssigkeiten. Merry Christmas y’all!

Im Bild oben: Kinder entzünden in Stans Weihnachtskerzen. (Foto: Keystone)

Liebe Leserinnen und Leser, über die Festtage kann es etwas länger dauern, bis Ihre Kommentare freigeschaltet werden. Die Redaktion.

7 Kommentare zu «Fünf Gründe, Weihnachten zu lieben»

  • Lord Henry sagt:

    O je, da werden sie wieder über den armen Herrn Dr. herfallen (Nr.2, „keine Alternative zu Alkohol“), die ewig Omnikorrekten, die einem gerne sagen, wie überlegen sie sich durch Verzicht fühlen. Ohne Alkohol, ohne Fleisch, ohne Tabak…., ach ja, an dieser Stelle sei auch (zum Lesen) Robert Pfaller mal erwähnt…..
    So, ich geht nun mal in den Keller und hol‘ den 94er Haut Brion, untersuche diesen gründlich auf vermeintlichen Korkgeschmack und nehm‘ mich dann um die Ente an. Merry Cristmas !

    • Lord Henry sagt:

      Sorry, Merry Christmas natürlich ! Der, neben mir stehende, Vintage Port hat schon sein übriges getan……

    • ladylike sagt:

      Nein, nein, der Herr Dr. (nicht med.) kommt noch nicht dran. Nr. 2) Wie heisst es doch so schön, dosis facit venenum, die Dosis macht das Gift. Nach sieben Martinis könnte die Entspannung möglicherweise schon in den Modus Enthemmung übergehen, und die arme Tante Doris könnte doch noch mit der brutalen Wahrheit konfrontiert werden. Zum Wohl und weitere schöne Festtage!

    • diva sagt:

      hallo lord henry, als geniesserin all dieser feiertage mit allem drum und dran und als geniesserin von herrn doktors genialer sprache und jeweilige wortaktrobatik, werde ich nicht über ihn herfallen – ausser vielleicht wegen dem «ritalin»… aber es se ihm verziehen, denn der rest seiner betrachtungen ist exzellent wie immer… und so freue ich mich schon über seine weiteren abhandlungen im neuen jahr und wünsche mir, dass er diese blogs noch lange schreiben wird. sie bringen mich oft zum lachen. danke herr Tingler und frohe festtage!

    • Lord Henry sagt:

      Mylady(like), die zuviel getrunkenen parkerschen Martinis entfachen, je nach Gegenüber, unterschiedliche Zustände der Enthemmung. Man sollte sich also, je nach Vorhaben, entsprechend rüsten um zumindest theoretisch noch in der Lage sein, das zu tun, was man vor hatte zu tun……..

  • Philipp Rittermann sagt:

    wünsche allen, dass sie die fete ohne schwerere psychische schäden überstehen – siehe pkt. 3 vom herrn doktor – bin heute dran…..da ich sie abholen gehe, bin ich gezwungenermassen noch nüchtern. kein guter anfang….
    1) karten bekommen wir nur noch von leuten, die keinen mac besitzen. -> papierkorb.
    2) er spricht mir aus dem herzen
    3) das geht gut – einfach die jeweiligen intressensgruppen separat befeiern.
    4) forget about. meine liebsten sind das ganze jahr präsent – reine heuchelei.
    5) jaja der frieden….schätze heute so nach 23h wieder…. 8)

  • desillusionisiert sagt:

    Fünf Gründe, Weihnachten nicht mehr zu lieben
    1. die komerzialisierung
    2. der stress
    3. die verlogenheit
    4. unerfüllte Erwartungen
    5. Einsamkeit

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