Willkommen im Club
Goethe, meine Damen und Herren, hat bekanntlich postuliert, dass die Dunkelheit nicht nur die passive Abwesenheit von Licht bedeute, sondern vielmehr dessen aktive Nemesis, und dass jede Farbe des Spektrums als Ergebnis des Tauziehens von Licht und Dunkel angesehen werden könne. Woher ich das weiss? Aus dem letzten Newsletter von Aesop. Als ich kürzlich in Australien war, habe ich ziemlich viel bei Aesop eingekauft (okay, vorher auch schon), und so ungefähr nach der siebzehnten Nachfrage habe ich kapituliert und mich in die Kartei aufnehmen lassen.
Die Aufnahme in einen Club über den Konsum ist charakteristisch für das Wesen spätmoderner Dinge. Denn die Sachen, die wir kaufen, sind ambivalent und vielschichtig; sie sind oft genug nicht nur eine stofflich präsente und konkrete Form und Materie mit bestimmten, zum Teil nützlichen Eigenschaften, sondern auch: Repräsentanz von Zeichen, Ideen und symbolischen Vorstellungen. Dafür steht der Club. So entsteht Identität nicht zuletzt im Zusammenspiel verschiedener, symbolisch stark aufgeladener Waren, die im semiotischen Zusammenklang einen Lifestyle repräsentieren sollen, der soziale (Wieder-)Erkennbarkeit gewährleistet. So viel zur Bedeutung der dinglichen Objekte für die Codierung der Sozialstruktur.
Und dann landet man also im Newsletter. Wofür man bei Aesop übrigens nicht viel mehr angeben muss als die Mailadresse. Anderswo wird mehr verlangt, um in den Club zu kommen. So haben mich beispielsweise die Flüge Zürich–Sydney–Zürich sofort in den Silberstatus bei Emirates katapultiert, aber Emirates hat mir mitgeteilt, man könne mir die Silberkarte nicht zustellen, bevor ich nicht meinen Beruf angäbe. Also betrachtete ich die Möglichkeiten, und dann wählte ich: «Housewife». Das schien mir die Option zu sein, die meinem Leben am nächsten kommt.
6 Kommentare zu «Willkommen im Club»
Goethes Farbenlehre war vorromantisch. In der Romantik verlieren die Farben „ihre Substantialität, dieses opake, spezifische und absolute Etwas, das sie noch in der klassischen Farbenlehre Goethes hatten“ (Vladimir Jankélévitch). Genauso gibt es eine klassische Ironie und eine romantische Ironie. – Bei Aēsop bin ich zwar in der Kartei, erhalte aber keinen Newsletter mehr! „… weil ich bedachte, dass ein Dichter, wenn er ein Dichter sein wolle, Fabeln dichten müsse und nicht vernünftige Reden und ich selbst nicht erfindsam bin in Fabeln, so habe ich deshalb von denen, die bei der Hand waren und die ich kannte, den Fabeln des Aisopos, welche mir eben aufstiessen, in Verse gebracht.“ (Plato, Phaidon, 61b; indirekter Hinweis von Jankélévitch, daselbst zur Tragikomik der Ironie).
Wie Zsa Zsa Gabor, die einmal meinte: «I am a housewife. Each time I get divorced I keep the house.»
Der ist gut!
Whow – so viel romantische Bildung! „Byldung“ statt Konsum als Lifestyle Assecessoire oder noch besser: beides in Kombination. Das fährt mächtig oben hinaus! Ich bin da plebejischer, wenn ich so sagen darf, und verstehe nur etwas vom Gehirn und seinen Prozessen, so u.a., wie es aus elektromagnetischen Wellen innerhalb eines begrenzten Bereichs von Wellenlängen subjektive Farbeindrücke, aus Molekülen in der Luft Geruchsempfindungen, aus Schalldruckwellen Töne, aus brownschen Wärmebewegungen unter Molekülen Wärmeempfindungen etc. macht. Sehr unromantisch. Dafür aber sachlich richtig und weit weg von Byldungskitsch. Aber unbrauchbar als Signum eines Lifestyles und drum unten, wenn auch nicht ganz, bei den wissenschaftlich gebildeten Mittelschichtlern ohne Clubmitgliedschaft.
Verkehrte Welt. Vielleicht bringt ein Perspektivenwechsel wirklich etwas. Also, das hätten Sie dann selbst gewaehlt.
Housewife finde ich gut, wenngleich vielleicht ein wenig sexistisch. Meine bevorzugte Berufsangabe ist Anthropophag