Wie viel darf ein Haarschnitt kosten?

Würden Sie 800 Franken für den Coiffeur ausgeben?
(Montage: Raisa Durandi, Getty Images)

Ausufernder «Geltungskonsum» ist uncool. Montage: Raisa Durandi, Getty Images

Roger Federer wirkt so nett und bodenständig. Dazu passt es irgendwie gar nicht, dass er 600 Dollar für einen Haarschnitt hinblättert. Dies stand unlängst in der «New York Times» zu lesen, meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit Coiffeurgate. Sie erinnern sich an Coiffeurgate: Der follikular herausgeforderte französische Präsident François Hollande hält für rund 10’000 Euro im Monat einen Friseur in Bereitschaft. Da stellte die «New York Times» die Frage: Was kosten eigentlich so Männerhaarschnitte heutzutage, was dürfen sie kosten, was sollen sie kosten, zum Beispiel in New York City, diesem verrückten Sündenpfuhl und Vanitasbabel? Heutzutage, wo sich der Körperpflegeunterhaltsaufwand für Herren und Damen bekanntlich annähert, denn so sind die spätmodernen Zeiten, in denen wir leben.

Die Antwort lautet: Kommt drauf an. Man kann ohne weiteres 400 Dollar für einen Herrenhaarschnitt bezahlen. Oder 800. Generell, resümiert die Zeitung, sei ein Preis um die 300 Dollar an namhafter Adresse nichts Ungewöhnliches.

Apropos «namhafte Adresse»: Natürlich sind Coiffeure, gerade in urbanen Kontexten, auch Marken, Luxusmarken unter Umständen, und die von ihnen angebotenen Haarschnitte damit Veblen-Güter, benannt nach dem Sozialwissenschaftler Thorstein Veblen, der vor über hundert Jahren im Rahmen seiner «Theorie der feinen Leute» den «Geltungskonsum» identifizierte, also auffälligen, auf öffentliche Wirksamkeit und Distinktion zielenden Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen. Als Veblen-Effekt bezeichnet man das Phänomen, dass die Nachfrage nach bestimmten Gütern trotz einer Preiserhöhung ansteigen kann, weil Konsumenten durch den Konsum derart teurer Güter ihren Status gegenüber anderen Individuen signalisieren können. Neben den snobistischen Motivationen wirkt hier ein gängiger, auch in der ökonomischen Theorie bekannter Kurzschluss: dass nämlich der Preis eines Produkts als Indikator für dessen Wert aufgefasst wird.

Bei mir persönlich verhält es sich wie folgt: Ein Männerhaarschnitt gehört für mich (wie zum Beispiel auch ein Paar Jeans) zu jenen Produkten, die durch einen exorbitant hohen Preis abgewertet werden, weil sie dann uncool sind. Selbst wenn man es sich leisten kann, in einem Hipster-Barbershop in Zürich 90 Franken für einen Haarschnitt zu bezahlen – es ist einfach nicht sehr cool. Das kriegt man in New York in einem guten Barbershop für einen Drittel. Und mehr als einen Barbershop brauchen Männer meiner Ansicht nach für ihr Haar nicht. Oder finden Sie, dass Monsieur Hollande irgendwie attraktiver geworden ist? Oder, wie die gute alte «New York Times» schliesst:

«But isn’t $10,000 a month for a hairdresser, to put it bluntly, a little ridiculous? For decades, scores of Goldman Sachs bankers have had their hair cut by Salvatore Anzalone, an Italian barber with a salon in the lobby of the nearby Conrad Hotel. He charges $30 for a dry cut. (A shampoo is $7 extra.)»

42 Kommentare zu «Wie viel darf ein Haarschnitt kosten?»

  • tststs sagt:

    In fast allen Lebensbereichen, besonders aber beim Coiffeur, gilt IMHO das Credo: Qualität kostet.
    Dementsprechend finde ich Kosten von 80-100CHF/h durchaus angemessen.

    • Thomas Maurer sagt:

      Bei einem „normalen“ Herrenhaarschnitt mit Maschine an den Seiten und hinten sowie ein bisschen mit der Schere obenrum ist die Sache in max. 30 Minuten erledigt. Das beherrscht praktisch jeder Coiffeur. Und dafür wollen Sie einen Stundenlohn von CHF 200.– bezahlen? Never ever!

  • Dave McWide sagt:

    Angebot und Nachfrage…
    Ich finde die Coiffeurpreise zu hoch, (egal wie man sie begründet) darum gehe ich nicht mehr hin. Schneide Trimme meine Haare selber und gut ist. Bin natürlich ein Mann, eine Frau hat es sicher schwerer.

    • aurora sagt:

      Ich als Frau halte es genauso – schneide mir seit Jahren die Haare selbst und es hat sich noch nie jemand darüber aufgeregt 🙂

  • LiFe sagt:

    Der Beruf, wie den des Coiffeurs würde gnadenlos aussterben, wenn es Star-Coiffeure nicht gäbe. Immer positiv denken.

    • Thomas Hürlimann sagt:

      Mit meinen beiden Jungs 17 + 15 Jahre zusammen 60 Stutz ink. Trinkgeld beim Albaner. Wenn es den Jungs später zu wenig ist, können sie es vom Lehrlingslohn selber bezahlen. Sehe bis jetzt aber noch keine Bestrebungen von ihnen, in diese Richtung.

      Habe genug andere Kosten zu tragen

      Gruss

      Thomas

  • Gustav Oberholzer sagt:

    800.- ? Natürlich verteilt auf zwei Jahre….

  • Friedemann Ramacher sagt:

    Herrlich auf den Punkt gebracht!
    Völlig uncool sind neben den sogenannten Designerjeans auch viele andere Statussymbole. Ein schönes Beispiel ist auch die begehrte Mitgliedschaft eines „Nobelclubs“. Die ist so uncool wie die Besucher dieser Etablissements.

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