Pokémon Go … Away
Keine Sorge, meine Damen und Herren. Nur weil die ersten Klagen eingereicht werden und der Datenschutz diskutiert wird, bedeutet «Pokémon Go» noch lange nicht den Untergang des Abendlands. Auch wenn ein paar Teenager auf ihr Smartphone starrend ins Meer abwandern oder frischgebackene Eltern ihre Sprösslinge nach Charakteren aus dem Spiel benennen – keine Sorge! Es handelt sich mehr um so ein Wetterleuchten der Popkultur. Es wird vorübergehen. Wie die letzten Staffeln von «Glee». Falls Sie augenblicklich nicht daran glauben können, darf ich Sie vielleicht an die folgenden transitorischen popkulturellen Phänomene erinnern, also an ein paar andere Sachen, die wir ebenfalls überstanden haben:
Oder Pink Fanta. Oder Pepsi Blue. Die leicht pathetischen Wiederbelebungsversuche von ein paar Nerds und Hipstern ändern nichts daran, dass das Ding tot ist. So tot wie MC-Hammer-Pants. Oder Squash. Das, was unter dem Titel «80s Revival» als modischer Referenzrahmen vor ein paar Jahren schon begann, sind gar nicht die Achtziger. Sondern das, was sich Stylisten und Grafiker mit der Gnade der späten Geburt heute darunter vorstellen. Diese gefilterte Hipster-Version fokussierte sich bisher vor allem auf die Frühe-Achtziger-Blondie-Neonpunk-Sphäre mit Drainpipe-Hosen, Schmalspurkrawatten und Haarsprayfrisuren – aber nicht auf «Wall Street», Pluderhosen aus Kunstseide bis unter die Achseln, Schulterpolster bis ins benachbarte Ausland, Herrenwinker, Latzhosen, Gordon-Gekko-Hosenträger, Lackschuhe und Herrenbroschen, die aussahen, als wären sie geradewegs einer schweren Depression von Yves Saint Laurent entstiegen. Da, wo heute noch die sozialistische Lehre praktiziert wird, geschieht dies ohne jedes menschliche Antlitz. Ebenso: «Gangnam Style». Und auch diese eine popkulturelle Sekunde «Harlem Shake». Ach, nein, die sind ja immer noch da. Genau wie Tinder und Grindr – oder, wie Jimmy Fallon das neulich nannte: «Pokémon Go with humans».
5 Kommentare zu «Pokémon Go … Away»
Vögel, die Nachtruhe bedürfen sind einem nie-da-gewesenen Stress ausgesetzt, sie schlagen mit ihren Flügeln und kreischen, aber ihre Not wird nicht wahrgenommen!
Was Kinder nicht alles für ein bisschen Bewegung tun. Eine fuenfte Stunde Schulturnen täte wirklich Not. Und jetzt bitte kein Aerobic-Video von Kim für Kayne.
Sozialismus mit menschlichem Antlitz? Da muss es sich wohl um einen einen unterbewusst hervorgetretenen Freud’schen Wunsch von Herrn Tingler handeln. Gesehen habe das bislang noch nirgends. Vielmehr gilt der alte Spruch, dass der Sozialismus die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist. Beim Kapitalismus funktioniert es genau umgekehrt. Allerdings haben wir seit 1995 (WTO-Beschlüsse) einen neuen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Player bekommen, den nur Geschichtskundige kennen: Den Neofeudalismus. Einmal gestartet, funktionieren Feudalsysteme fast von alleine. Das Dank der Klassengesellschaft, des Bildungsabbaus und der Hoffung des Fussvolkes auf einen Aufstieg in den Vasallenstand. Das Stockholm-Syndrom macht dann aus den Normbürgern eifrige Verehrer des Systemgeldadels.
Gibt es eigentlich noch Tamagotschis?
Und apropos „Sozialismus“: Falls jemand mal die unsichtbare Hand des freien Marktes sieht, bitte Bescheid sagen, ich kenne nur eine unsichtbare Hand: Die von Diego Armando Maradona.
Kapitalismus mit menschlichem Antlitz:
Da, wo heute die kapitalistische Lehre praktiziert wird, geschieht dies ohne jedes menschliche Antlitz.