Kein Baby an Bord
Ich habe einmal, vor ein paar Jahren, meine Damen und Herren, in einem Beitrag für eine grosse deutsche Sonntagszeitung die Frage aufgeworfen, wieso eigentlich keine Flüge nur für Erwachsene angeboten würden. Ein Aufschrei war die Folge (damals wurden für so was allerdings noch keine Hashtags verwendet); sogar irgendein Hinterbänkler des Deutschen Bundestags hat mir pflichtschuldig geschrieben, Kinder würden schliesslich später mal meine Rente bezahlen. (Für mein Alter sorge ich als Schweizer selbst vor, aber so was kann man sich eben im Deutschen Bundestag nur schwer vorstellen.) Mein Anlass damals war die beliebte Kolumne «Ask the Pilot» von Flugkapitän Patrick Smith, der seinerzeit geschrieben hatte, er wisse, dass er sich mit seiner Auffassung möglicherweise unbeliebt mache, aber er finde, Kinder sollten im Flugzeug betäubt werden. Das war natürlich eine satirische Zuspitzung. Trotzdem war sich Smith bewusst, dass er an ein heikles Thema rührte, das er übrigens gerade kürzlich wieder aufgenommen hat mit der Frage: Should kids be banned from first and business class?
Meine persönliche Erfahrung, gesammelt auf zahllosen Flugreisen, ist die, dass es sehr unterschiedliche Kinder gibt, und zwar in praktisch jedem Alter. Ich habe mal auf einem Flug von Dallas nach Las Vegas neben einem sechsjährigen alleinreisenden Mädchen gesessen, das so höflich war, dass ich schon dachte, es wäre ein Roboter. Und das ist kein Einzelfall. Es gibt in jedem Alter reizende Kinder mit Interesse, Verständnis und Manieren, und es gibt – kleine Bastarde, die schreien, wenn sie ihren Willen nicht kriegen, gegen die Sitze trampeln, mit Essen werfen und so weiter. Und das bringt uns: auf die Eltern. Es ist nämlich nicht leicht für Kinder, deren überschüssige Lebenskräfte sich natürlicherweise in Bewegung und Geräusch entladen wollen, einzusehen, wo Freiheit aufhört und Zügellosigkeit anfängt.
Ritalin gehört in die Bordapotheke
Hier sind, im Flugzeug und anderswo, die Begleitpersonen gefordert. Im Flugzeug, egal, ob auf der Lang- oder Kurzstrecke, verschärft sich diese Herausforderung, weil der Platz und die Ausweichmöglichkeiten in der Regel begrenzter sind als bei anderen Verkehrsmitteln. Nennen Sie mich altmodisch, aber ich halte es für eine Verletzung der Aufsichtspflicht, wenn man sein Kind bei Start und Landung im Sitz stehen lässt, weil es sich nicht hinsetzen und anschnallen will. Ich halte es für leichtsinnig und gefährlich für das Kind und die Mitreisenden, wenn man sein Kleinkind mit jener Indolenz, die manche Eltern betrüblicherweise an den Tag legen, die ganze Zeit im Gang rauf- und runterlaufen lässt. Oder mit ebenderselben Indolenz von Zürich bis Dubai ungerührt schreien lässt. Kinderschreie erreichen bekanntlich mühelos 88 Dezibel, was in etwa dem entspricht, was man direkt neben der Autobahn abbekommt.
Deshalb sollte, im Geiste von Herrn Smith, zusätzlich zum Defibrillator vielleicht auch Ritalin an Bord mitgeführt werden. Oder man müsste vielleicht doch über das Angebot kinderfreier Flüge nachdenken. Dieses Thema ist, wie gesagt, mit Leidenschaften behaftet, doch im Grunde handelt es sich ja einfach um die ökonomische Frage von Angebot, Nachfrage und den entsprechenden Präferenzen. Die Reisebranche offeriert ja längst für alle möglichen Bedürfnisse und Zielgruppen Spezialprodukte: ob Singles, Kunstliebhaber, Fastenfreunde oder Pärchen, alle finden ihre Nische, und seit geraumer Zeit gibt es beinahe überall auf der Welt und sogar in Disneyworld kinderfreie (oder, wie das neuerdings genannt wird, «erwachsenenfreundliche») Resorts, Restaurants und Hotels. Die Malediveninsel Komandoo lässt Kinder unter zwölf Jahren gar nicht erst einreisen.
Wieso also nicht erwachsenenfreundliche Flüge? Ob sie sich durchsetzen, regelt dann der Markt, in der ihm eigenen unideologischen Eleganz, der leider in unseren Tagen oftmals viel zu wenig zugetraut wird. Damit aber möchte ich nicht schliessen, sondern mit dem schönen Goethewort: «Man könnt erzogene Kinder gebären, / wenn nur die Eltern erzogen wären.»
114 Kommentare zu «Kein Baby an Bord»
Es gibt sicherlich Gründe warum man mit kleinen Kindern fliegen „muss“. Aber meist ist es doch die reine Selbstsucht der Eltern. Was hat ein Zweijähriger von einem Thailand Urlaub? Antwort nichts, das Kind würde sich in einem Reka Dorf in den Bergen genau so amüsieren, aber den Eltern ist das wohl zu langweilig. Ein langer Flug ist für die Kleinen eine Tortur, aber was ist das schon wenn sich die Eltern dafür am Strand in der Südsee amüsieren können. Ich hätte das meinen Kindern nie zugemutet, den ersten (kurzen) Flug machten wir als der jüngste 12 war, da hatten dann alle etwas davon. Kleine Kinder gehören nicht in ein Flugzeug und das nicht wegen den eventuell genervten Sitznachbarn, sondern wegen dem Kind.
Habe ich richtig verstanden, ist Herr Smith selber ein Pilot?
Wegen ihm allein sollten kinderfreie Flüge angeboten werden, falls er im Cockpit sitz und das Flugzeug steuert.
Als Kunde muss man ja nicht auf jedes Angebot anspringen, ich würde auch ohne Kinder keine kinderfreie Flüge bevorziehen. Das, weil ich annehmen würde dass der/die Pilot/in auf dem Flug was nicht kinderfrei ist gute Nerven hat und sonst eine gute Psyche.
Aks Vielfliegerin würde ich kinderfrei Flüge ebenso schätzen, wie ich heute schon kinderfrei Hotels schätze…
Ja, ich war ein Kind und nein, meine Eltern liessen mich NICHT rumtoben, schreien etc. wie es mir beliebte…
Also, liebe aufbegehrende Eltern… Blick in den Spiegel zeigt wie das Problem gelöst werden kann…
Was ist an einem hpofenden Kind im Flieger niedlich? Die überforderten Eltern dienins Handy tippen?