Konsum und Konformismus

Selbstinszenierung: Was für Fans in einer Fanmeile gilt, gilt nicht zwingend für alle Erlebniswelten. Foto: iStock / Montage: Koni Nordmann
Wir hören und lesen es überall, meine Damen und Herren: Individualität bringt Distinktionsgewinne in den Symbolwelten des Alltags und im Gefühlsleben der sozialen Konkurrenz. Beim spätmodernen Geltungskonsum geht es auch (und nicht zuletzt) um die Ausstellung von Lebensstilen als Behauptungsstrategie im Konkurrenzkampf um soziale Positionen: Ich bin, was ich habe. Ich grenze mich ab.
Nun aber hat Johannes Willms neulich in seiner Kolumne in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» eine interessante Frage behandelt, nämlich: «Warum gehen die Menschen zum Fussballgucken auf Fanmeilen?»
Herr Willms beantwortet diese Frage wie folgt: «Das Phänomen der Fanmeile macht Mitteilung von einem Erlebnishunger, der nicht, was sonst angeblich im Trend liegt, auf individuelle Befriedigung oder auf Ausdifferenzierung von Lebensstilen erpicht ist, sondern im Gegenteil seine Erfüllung in einem Konformismus findet, der auf genau kodierten Ausdrucksmitteln und Symbolen beharrt.»
Stimmt. Jetzt könnte man sagen: Moment mal. Im Grunde trifft das doch für alle Konsumlebenswelten zu. Könnte man nicht auch beispielsweise feststellen: «Das Phänomen des Hipstertums macht Mitteilung von einem Erlebnishunger, der nicht, was sonst angeblich im Trend liegt, auf individuelle Befriedigung oder auf Ausdifferenzierung von Lebensstilen erpicht ist, sondern im Gegenteil seine Erfüllung in einem Konformismus findet, der auf genau kodierten Ausdrucksmitteln und Symbolen beharrt.»
Nein. Doch nicht ganz. Hier gilt vielmehr das, was der Soziologe Sighard Neckel in seinem lesenswerten Band «Die Macht der Unterscheidung» feststellt: «In der Inszenierung des Selbst ist eine Rollenbesetzung gefragt, die auf eigentümliche Weise unverwechselbar Individuelles und sozial Typisiertes im Lebensstil verbindet. Insofern könnte auch für die Lebensstile gelten, was Georg Simmel über die Mode notierte: dass es ihr eigen sei, einen sozialen Gehorsam zu ermöglichen, der zugleich individuelle Differenzierung ist.» Denken Sie daran, das nächste Mal, beim Einkaufen. Viel Spass!
3 Kommentare zu «Konsum und Konformismus»
Dem sozialen Gehorsam sind diese Zeilen kaum geschuldet, weil dann sollte dort doch Gratiskultur und Gelage stehen, nicht? In Zeiten von vermieteten Sofas und Autorueckbaenken.
Konsumiere (Freunde auch) seit Jahren nur das Nötige, denn Produktivität/Kreativität hat auch ihren Preis, wenn man Ideen lancieren möchte. Startet bei Null und versucht etwas zu bewegen; ich kann euch sagen: Es dauert! Mit Humor und Klavier ist Stagnation und Blockade recht gut auszuhalten.
Das Zitat von Neckel sagt ziemlich genau nichts aus. Der Schlüssel für dieses mein Urteil liegt in „auf eigentümliche Weise“, „verbindet“, „insofern“, „könnte … gelten“ sowie bei der Berufung auf Simmel „Gehorsam zu ermöglichen“ und in ganz forscher Weise das letzte „ist“. Schreiben Soziologen immer so? Folglich ist es durchaus legitim, dass der Leser und die Leserin beim nächsten Kaufakt einfach an nichts denken. Viel Spass!