Gute Menschen durch Bioprodukte?

«So was wie das ökologische Gleichgewicht gibt es nicht»: Kulturkritiker Slavoj Žižek. Foto: iStock / Montage: Koni Nordmann
Für Wolfgang Ullrich, Professor für Kunstwissenschaft und Erforscher der Warenwelt, sind die heutigen Konsumgüter komplexe Zeichen- und Kommunikationssysteme, die zu entziffern eine Kulturtechnik sei wie das Lesen von Romanen. Ullrich geht in seinem Buch mit dem Untertitel «Kritik der warenästhetischen Erziehung» davon aus, dass seit Beginn der 90er-Jahre gerade alltägliche Produkte wie Shampoo oder Mineralwasser von einer «Metaphorisierungs- und Inszenierungswelle erfasst und einem Redesign unterzogen» wurden.
Diese Verfeinerungen der Warenwelt bieten ganz neue Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Selbsterschaffung für den Konsumbürger. Zum Beispiel durch den Erwerb von Bioprodukten. Hier handelt es sich nicht zuletzt um Geltungskonsum. Denn ostentatives Umweltbewusstsein bringt Distinktionsgewinne in den Symbolwelten des Alltags. Es geht immer auch um die Ausstellung von Lebensstilen und Techniken der Selbstemblematisierung: «Öko» wird zur Lebenswelt, zum sozialen Terrain, gesichert durch symbolische Güter, durch habituelle Sets und rituelle Präsentationen, die Zugehörigkeitsmerkmale und Ausschlussregeln unnachsichtig zur Geltung bringen.
Was bedeutet das? Ganz einfach: Sichtbar gute Menschen konsumieren «Bio». Dann kann sich ihr Gutsein auch ohne weiteres darin erschöpfen.
In dem 2011 entstandenen Film «The Pervert’s Guide to Ideology» erkennt der slowenische Psychoanalytiker und Kulturkritiker Slavoj Žižek den Geist des Westens als beherrscht von «distractive consumerism», also ungefähr: einem auf Ablenkung (vom Eigentlichen) ausgerichteten Konsumismus, mit einer «seltsamen Pflicht zu Genuss» und dem «Verlust von Verlangen als ultimativer Melancholieerfahrung». Sie können sich vorstellen, meine Damen und Herren, dass ich dem überhaupt nicht zustimme. Doch in einem Gespräch unlängst in der SRF-«Sternstunde Philosophie» mit Barbara Bleisch erklärte Žižek, dass besagter Konsumismus beispielsweise eine Absolution durch Bioprodukte erteile.
«Die Konsumgesellschaft macht ein Angebot», so Žižek. «Man ermöglicht Ihnen, etwas zu tun. Aber entscheidend ist, was Sie nicht tun müssen. Da sind wir bei dem, was Hegel bestimmte Negation nennt: Die Funktion des Kaufs besteht auch in einem dezidierten Nichttunmüssen.»
Nämlich: sich nicht weiter um die Erde besorgen. Denn ich habe Bio gekauft! Das ist die Absolution.
«Es gibt nicht so was wie das ökologische Gleichgewicht», erklärte Žižek übrigens ebenfalls, «wir leben vielmehr in einem offenen, verrückten, kontingenten Universum.»
21 Kommentare zu «Gute Menschen durch Bioprodukte?»
«So was wie das ökologische Gleichgewicht gibt es nicht»
Ist Kulturkritiker ein Beruf? Und falls ja hat ein Kulturkritiker gleichzeitig Expertise in Sachen Oekologie? Oder ist Zizek vielleicht doch nur ein Dummschwaetzer?
Viel Blabla, um sich der Verantwortung zu entziehen.
Ich finde, das Foto sagt viel mehr über den Herrn Professor.
Des Professors Weisheiten sind nicht das Gelbe vom Ei. Ich konsumiere Bio-Produkte, vor allem Fleisch, weil ich eine artgerechtere Tierhaltung und kürzere Wege zum Schlachthof befürworte. Ebenso bin ich nicht der Meinung, dass dies der Weisheit letzter Schluss ist: Ich fliege dieses Jahr zum Beispiel nicht. Ebenso fahre ich nicht Auto. Ich bin gut zu Fuss unterwegs. Mit dem Verzehr von Bio-Prdoukten ist es beileibe nicht getan. Es geht um ein ganzheitliches Verstehen einer Ökobilanz. Die pseudowissenschaftlichen Ausführungen des Professors sind nicht dazu angetan, ein anderes Verständnis zwischen Mensch und Umwelt zu schaffen. Und ja, ich habe am Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue, kein schlechtes Gewissen, wenn ich manchmal mindestens einen Tag lang nichts konsumiere.
Herr Dr. Tingler hat in seinem Blog die Ziate von Zizek etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Selbstverständlich kritisier Zisek nicht den Kauf des Bio Produktes an sich, sonder die eigene Haltung des Gewissens die wir uns mit dem Kauf von Bio Produkten einreden. Sich Bio leisten zu können, bedingt schon an sich ein mittelständigens- bürgerliche Lebensart/Einkomme. Die konsumistische Haltung geht weiter, nun mit Bio, weil verzichten einschränken lassen wollen wir uns nicht. Dieses… „Je sais, mais quand même…“.Fliegen, Auto, grosse Wohnung, E-Bike. Das Paradox ist offensichtlich. Doch wir beruhigen unser Gewissen kaufen Bio leben aber längstens nicht Bio. Denn biologisch Nachhaltig tatsächlich nur wer arm oder Tod ist…