Donald Trump auf der Couch

Was sagt die Sprache über einen Kandidaten?
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Selbstüberhöhung und Ekel: Was geht in Trumps Kopf vor? Foto: Jae C. Hong (Keystone)

Donald Trump ist laut und sichtbar, meine Damen und Herren, aber er ist trotzdem: ein Rätsel. Ungefähr so wie die Boeing 747-800. Wenigstens für den Laien. Der Experte kann freilich ins Räderwerk schauen. Unlängst widmete das renommierte (und nicht eben linksliberale) Magazin «The Atlantic» der Ergründung der trumpschen Psyche eine Titelgeschichte: «The Mind of Donald Trump». Darinnen beschäftigt sich der mit Politikerbiografien befasste Psychologieprofessor Dan P. McAdams mit Trumps Persönlichkeit und deren Implikationen für eine mögliche Präsidentschaft.

Einiges ist nicht überraschend, zum Beispiel dass profunder Ärger quasi die operative Emotion hinter Trumps hoher Extrovertiertheit darstellt – und auch den Grund für sein wenig verträglich wirkendes Wesen. Weniger oft wird, gerade im deutschen Sprachraum, gewürdigt, dass Trump nicht nur aus Ärger sein Charisma speist – sondern auch aus einem Sinn für Humor (der freilich einen aggressiven Zug hat, was aber per se nichts über seine Qualität sagt). Trump verfügt sogar über Selbstironie, eine Qualität, die er vielen Politikern, namentlich im deutschsprachigen Raum, voraushat.

Hochinteressant ist die Passage, in der McAdams einen Hinweis des Sozialpsychologen Jesse Graham zitiert: dass Trump an eine archaische Furcht vor Ansteckung und Verseuchung appelliere, die bestimmte Gruppen sprachlich mit Gift, Parasiten und Unreinheiten gleichsetze. In diesem Zusammenhang, so McAdams, sei es aufschlussreich, dass Trump eine Keimphobie zeige und einen Ekel vor Körperflüssigkeiten (besonders übrigens vor weiblichen, nicht nur bei seinem inzwischen notorischen Kommentar zu Megyn Kelly von Fox News, sondern auch in seiner wiederholten Kennzeichnung von Hillary Clintons Biopause während einer Debatte als «widerlich»).

McAdams weist weiter darauf hin, dass für Trump das Konzept des «Deals» das repräsentiert, was Psychologen ein «persönliches Schema» nennen: eine Art kognitives Raster, durch das Trump die Welt erfasst. (Das Problem liegt hier darin, dass Trumps durchaus nicht unstrittige Qualifikation als Geschäftsmann eben per se keine erschöpfende Voraussetzung für die Präsidentschaft darstellt, weil ein Grossteil präsidialer Aktivitäten in der komplexen Spätmoderne eben nichts oder wenig mit einem «Deal» zu tun hat.)

Und dann wäre da noch Trumps narrative Identität. Eine narrative Identität ist die Lebensgeschichte, die sich jeder von uns konstruiert, um seinem Dasein Grund, Sinn, Ziel und Richtung zu geben. Zu diesem oft unbewussten Prozess gehören eine selektive (Um-)Deutung der Vergangenheit und Vorstellungsbildungen über die Zukunft. Trumps narrative Identität zeigt Kontinuität und Zusammenhang, aber sie ist laut McAdams unterkomplex: Es geht nur ums Gewinnen.

McAdams zieht den Schluss: Ausser narzisstischen Motivationen und einer antagonistischen Weltsicht, die sich dem Gewinnen um jeden Preis verschrieben habe, sei bei Trump keine Geschichte entwickelt, weder für sich selbst noch für die amerikanische Nation: «It is always Donald Trump playing Donald Trump, fighting to win, but never knowing why.»

10 Kommentare zu «Donald Trump auf der Couch»

  • Martin sagt:

    So wie ich das lese, müssen wir uns also nicht fürchten vor einer möglichen Präsidentschaft Trumps – gemäss Charakteristika ein typischer US-Amerikaner wie er millionenfach in den Staaten vorkommt.

    • Jean-Paul sagt:

      Das finde ich nicht: Funktionierende politische Prozesse haben es in sich, das „Typische“ einer Gesellschaft/-sschicht durch institutionelle Bindung und intelligentem Pragmatismus zu bändigen. Dessen sind wir uns in der CH nicht so bewusst, weil die hier charakteristische Inhibiertheit diese Zähmung quasi schon selbst enthält.
      Dass z.B. südlich von uns während Jahren der typische Italiener hemmungslos am Ruder war, bedeutete ein Desaster für das Land und z.T. für Europa. Dass Frankreich die horrible Wahl haben wird zwischen der typischen Französin und der Rückkehr des typischen Franzosen mit ungarischen Wurzeln, ist bloss deswegen nicht noch tragischer, weil die ganze Nation mittlerweile zu einem Witz verkommen ist.

  • Rolf Rothacher sagt:

    Ein Psychogramm von Hillary Clinton wäre wohl sinnreicher. Eine Frau, die bereits als Gouverneurs-Gattin und Anwälting in womöglich strafbare Handlungen, die unter den Tisch gekehrt wurden, verwickelt ist. Eine Frau, deren Ehemann das mächtigste Amt der Welt ausübt und der im Oval Office dem Seitensprung fröhnt. Eine Frau, die aus Bequemlichkeit die Nationale Sicherheit aufs Spiel setzt. Eine Frau, die nur das zugibt, was ihr vorgängig nachgewiesen wurde. Eine Frau, die alles daran setzt, die mächstigste der Welt zu werden. Warum tut sie sich das Amt an? Weil sie Patriotin ist? Kaum. Weil sie glaubt, besser als ihr Mann, Obama oder Sanders regieren zu können? Vielleicht.
    Verglichen mit Hillary Clinton schneidet jedoch ein Donald Trump gar nicht mal so schlecht ab.

    • Peter Gerber sagt:

      (…) wäre wohl sinnreicher (…) unter den Tisch gekehrt… verwickelt… im Oval (…) dem Seitensprung fröhnt… Nationale (…) vorgängig nachgewiesen (…) alles daran setzt, die mächstigste (…) Patriotin ist? besser als ihr Mann, Obama oder Sanders (… )Vielleicht.
      (…) gar nicht mal so schlecht ab (…): Clinton oder Trump? Ein Job für Herr Rorhacher den Analysten!

    • Gerda Vonbun sagt:

      Völlig richtig Herr Rothacher. Nur, die womöglich strafbaren Handlungen scheinen mehr und mehr Tatsachen zu entsprechen. Nicht vergessen : Ihre offensichtliche Kriegs- und Machtgeilheit, dubiösen politischen Machenschaften (US Botschafter in Lybien) und hysterisches Auftreten lassen das Schlimmste erahnen. Ich bevorzuge bei weitem Trump, den Showmaster vor. Bellende Hunde beissen nicht.

    • Egon Putzig sagt:

      Herr Rothacher. Der Name „Hillary Clinton“ in Ihrem Kommentar kann durch den Namen fast jeder Politikerin oder fast jedes Politikers ersetzt werden. Das Ergebnis wird ähnlich sein, vielleicht mit Ausnahme der Passage mit dem fremdgehenden Ehemann bzw. der fremdgehenden Ehemännin.
      Donald Trump schneidet etwa gleich schlecht ab wie Silvio Berlusconi. Das sagt alles.

  • Martin Cesna sagt:

    Wenn Politik so etwas ist, wie ein Bazar, dann finden sich halt dort Typen wie „Klementine“, Versicherungsvertreter, Staubsaugerverkäufer, Occassions-Autohändler und religiöse Missioneure.
    Das sind die mit einer Mission, dass sie etwas zu verkaufen, ein versprochenes Paradies haben.
    Das politische System, dass eher so einen „Flohmarkt“ noch fördert, spickt diese Leute halt an die „Poole-Position“.
    Da haben Typen wie Albert Schweitzer, Max Frisch o.ä. weniger Chancen.
    ….nur Frau Merkel und Obama bleiben da ein Phänomen.

  • Martin Fischer sagt:

    Spannend, ein Professor in Ferndiagnostik! Für was es alles doch einen Professor und Experten gibt.
    Der Bias in Zeiten des Wahlkampfs, auch sehr spannend.

  • Kristina sagt:

    Fehlt nur noch das eiskalte Händchen.

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