Ist es in Ordnung, per SMS zu einem Baby zu gratulieren?

Anlässlich der Geburt unseres Kindes haben wir Geburtsanzeigen per Post verschickt. Die meisten Adressaten haben daraufhin eine Glückwunschkarte geschickt, mit oder ohne Geschenk. Daneben gab es aber auch Leute, die per SMS gratuliert haben. Natürlich ist dies besser, als gar nicht zu reagieren (auch das gab es), aber ich finde eine Gratulation per SMS, verziert mit zwinkernden Smileys und virtuellen Blumensträussen, irgendwie nicht angemessen. Gewisse Konventionen sollte man meiner Meinung nach auch im digitalen Zeitalter nicht unterlaufen. Oder bin ich nicht mehr auf dem Laufenden? A. V., Z.
Lieber Herr V., als Erstes natürlich: Herzliche Gratulation.
Spontan dachte ich beim Lesen Ihrer Frage: Mich dünkt die Reaktion in Form einer SMS absolut in Ordnung. Dann dachte ich etwas länger darüber nach – und kam immer noch zum selben Schluss. Ich bin unbedingt dafür, dass man das Leben pragmatisch angeht, grundsätzlich, und erst recht, wenn es um Veränderungen geht, welche die moderne Zeit so mit sich bringt. Man kann es ja selbst immer noch handhaben wie früher, was niemals stillos sein kann, im Gegenteil – dass es gemäss Knigge adäquat sein soll, eine Beziehung per SMS zu beenden, erschüttert mich zum Beispiel nachhaltig, und ich halte das nicht nur für bodenlos billig, sondern auch für feige –, aber man sollte da eine gewisse Grosszügigkeit an den Tag legen und nicht päpstlicher sein als der Papst.
Sprich: So ein virtueller Blumenstrauss zum freudigen Ereignis scheint mir vertretbar zu sein.
Umgekehrt ist es nämlich so, dass frischgebackene Eltern ihrerseits per SMS über das Eintreffen des Nachwuchses orientieren, sozusagen in Echtzeit und mit Fotos aus dem Kreisssaal; und ich wurde auch schon per SMS zu einer Taufe eingeladen. Das hat mich im ersten Moment etwas frappiert in seiner Saloppheit. Aber die ist mir offen gestanden wesentlich lieber als dieses – verzeihen Sie mir – Tamtam, das sonst bisweilen um alles, was mit Bébés zu tun hat, veranstaltet wird. Ich verstehe durchaus, dass das für Eltern ein ganz und gar grandioses Ereignis ist, aber bisweilen wäre ein wenig mehr Rücksichtnahme auf all jene angebracht, die sich jetzt nicht im Detail für die Konsistenz des Windelinhaltes von Leonie oder Noah interessieren.
Und dann fällt mir ein, dass es noch eine Sache zu präzisieren gilt. Eine SMS ist heute fast immer in Ordnung, abgesehen eben von Trennungen mit einer weiteren Ausnahme: bei Todesfällen. Da wirkt so ein Kurztext, womöglich noch mit einem weinenden Smiley versehen, einfach nur unpassend und geschmacklos. Deshalb setzt man sich hin und schreibt eigenhändig eine Karte. Das ist eine Frage der Pietät.
Haben Sie auch Fragen zu Mode und Stil? Schreiben Sie sie unten in die Kommentare oder senden Sie sie an: gesellschaft@tagesanzeiger.ch
20 Kommentare zu «Ist es in Ordnung, per SMS zu einem Baby zu gratulieren?»
muss man überhaupt zu einem baby gratulieren – gebären ist doch die normalste sache der welt!? ausserdem sehen die bälger im ersten jahr eh‘ alle gleich aus. gratulieren sollte man ehrlicherweise nur dann, wenn es sich um ein ausserordentliches exemplar handelt.
Manchmal ist reden (schreiben) silber und schweigen gold.
Bissig, aber treffend. Sowieso erstaunlich, wie viele Leute ausgerechnet bei den banalsten Dingen das grösste Theater machen können. Darum wäre meine Frage auch, ob man da eine SMS schreiben „muss“. Ich kann mir aus lauter Desinteresse nicht mal ein Like auf Facebook abringen wenn mal wieder jemand meint, seinen frischgeschlüpften Nachwuchs ausstellen zu müssen.
Übrigens, Frau Weber, SMS sind längst von gestern. Facebook und Co. sind heute die Medien um solch freudige Botschaften sowohl zu vermitteln wie kommentieren. Was sich immerhin leichter ignorieren lässt als aufdringliche Postkarten.
Es gibt doch nur diese eine Chance für die Eltern. Oder fragen Sie Ihre doch mal, ob ihnen jemand im Nachhinein zur Zeugung eines ausserordentlichen Premium-Blogschreibers gratuliert hat ?
stimmt herr streit; nur – ich bevorzuge silber. 8)
@rittermann: Klar finden Sie das Gebären banal. Sie machen es ja auch nicht. Ausser Sie sind in biologischer Hinsicht doch eine Frau, die geboren hat. Banal fand ich es auf alle Fälle nicht, Kinder zu kriegen, es hat nämlich verdammt weh getan. Und um ein Klischee zu beschwören, könnten Sie gebären, wäre wahrscheinlich das Gejammer so gross, dass es das ganze hysterische Gezeter gegen z.B. Frauen, DIE Frauen und Frauen allgemein, Feministinnen, Gutmenschen, etc., etc. weit in den dunkelsten Schatten stellen würde. Übrigens, SMS ist nützlich, aber so was von plüschig und vorgestrig.
Absolut meine Meinung! Überhaupt scheint mir diese „Eine Karte ist mehr wert als eine SMS“-Mentalität etwas altbacken. Weniger als auf das Medium kommt es doch auf den Inhalt und die Form der Glückwünsche an: Lieber ein persönlich und herzlich formuliertes SMS als ein Standardspruch auf einem Standardkärtli!
Pragmatisch hin oder her…Digital Native oder nicht….oder gar durch Knigge erlaubt.
Man gratuliert dem Kind. Das Verständnis für ein Gratulations-sms ist noch nicht vorhanden und wie soll man einen Bezug aufbauen, beispielweise zu einem Familienmitglied?
Meiner Meinung nach ist das eine billige Art sich nicht weiter darum kümmern zu müssen!
Man vergleicht heute oft falsch. Vor kurzem wäre ein Telegramm oder ein Expressbrief die schnellste, teuerste und engste Reaktion gewesen. Heute können wir in Sekunden mit eigenen Worten gratulieren, das bezeugt von grosser Aufmerksamkeit und aktueller Begeisterung, wo immer wir uns gerade aufhalten. Damit verglichen ist die langsame, vorgedruckte Postkarte eigentlich unverbindliches altes Eisen. Sie nuschelt in einem Standardvers auf dem langsamen Postweg etwas daher, was man per SMS gerade jetzt in diesem Moment viel liebevoller sagen könnte.
….was sich dann in etwa so lesen würde: „lieber xy. ganz herzliche gratulation zum äh-neusten wurf, der kimbärly-schantalle-tschacklin. mit 37 cm und 4.2 kg ist sie ja äh-durchaus normal. da deine frau ja noch im spital liegt, könnten wir doch heut‘ abend gleich einen heben, gelle – kommste ja nicht mehr so oft dazu…! lieber gruss, dein freund z.“
toll.
SMS, Facebook und Co. sind vor allem eins: Bequem. Eine Karte zu schreiben braucht einige Hirnzellen und Aufwand mehr. Und SMS sind flüchtig. Es gibt kein Archiv, dass einige Jahre oder Jahrzehnte überdauern wird. Die Korrelation der Intensität der Freundschaft mit dem gewählten Medium ist erstaunlicherweise sehr hoch. Von gewissen Freunden habe ich seither nichts mehr gehört und bin gar nicht traurig darüber. Und: Kinder kriegen mag so normal sein wie heiraten. Nicht zu gratulieren ist m. E. ein klares No-Go, man ignoriert den Beginn eines neuen Lebensabschnittes.