Schein und Sein

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Ich befinde mich also in der Lounge der Fluggesellschaft Emirates am Flughafen Dubai, meine Damen und Herren, und verbringe einen Stopover auf dem Rückweg von Sydney nach Zürich, und leicht übermüdet sage ich über einem Eimer Kaffee zu Richie, dem besten Ehemann von allen: «Irgendwas stimmt mit diesen Büchern nicht.» Womit ich die Bücher gegenüber im Regal meine. Siehe oben. Ich stehe also auf und will eines der Bücher inspizieren (Sie wissen ja, dass ich mich leidenschaftlich für Bücher interessiere) – und, siehe da, das Ganze ist ein Block. Ein Quader mit Buchrückenfront, aus Pappe, ziemlich leicht.

«Oy vey», sage ich zu Richie, «früher hat man Bücher zu dekorativen Zwecken wenigstens noch per Meter gekauft, nicht im Quadrat.»

Lange Zeit galt die Nachahmung als Zeichen von Geschmacklosigkeit. Der amerikanische Kulturhistoriker Paul Fussell hat in seinem lesenswerten Buch «Class» dargelegt, dass die gesellschaftliche Vereinbarung dahin geht, die Qualität und den Status von Sachen damit in Verbindung zu bringen, wie alt und echt sie sind. Dies gilt auch bei der Verwendung von Büchern zu dekorativen Zwecken – gegen die ich im Übrigen grundsätzlich gar nichts einzuwenden habe.

Vielleicht aber sind diese Bücherblöcke ein Zeichen unserer Zeit. Die Wirklichkeit bekommt einen doppelten Boden, und unsere Psyche wird durch immer neue Spiegelungseffekte verwirrt: Am Ende wird die Unterscheidung zwischen real und virtuell, zwischen Schein und Wirklichkeit, sinnlos, wir leben in einer digital fundierten Meta-Realität. Schein und Sein als Gegennarrative haben ausgedient, wenn alles nur noch als Geschmacksfrage behandelt wird. Das bringt uns (mal wieder) zu Kanye West, von dem das Zitat überliefert ist: «I am a proud non-reader of books.»

Und, having said all that: Dieser falsche Bücherblock da oben ist, was seine literarische Qualität angeht, immer noch besser als ungefähr ein Fünftel der Titel, die ich im «Literaturclub» zu besprechen habe.

Ein Kommentar zu «Schein und Sein»

  • Kristina sagt:

    Oh Jemine.
    Rochers? Rhabarberpästli? Rahmdääfeli? Coffee Fudge? Ein Engadiner Bergheumousse geht etwas länger.

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